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"Vishy ist einfach der Beste!"

Anand gewinnt zum siebten Mal die Chess Classic

Text und Fotos von FM Hartmut Metz, August 2004

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   Viswanathan Anand hat zum fünften Mal in Folge die Chess Classic gewonnen. In der Mainzer Rheingoldhalle stand der Sieg des weltbesten Schachspielers über Alexej Schirow bereits vorzeitig fest. Dank eines Remis lag der Inder uneinholbar nach Partie sieben mit 4,5:2,5 in Front und setzte sich nach einem spektakulären Schlussrunden-Unentschieden souverän wie selten zuvor mit 5:3 durch. In den Annalen der Chess Classic, die von 1994 bis 2000 in Frankfurt ausgetragen wurden, steht der 34-Jährige nun mit insgesamt sieben Turniersiegen auf einsamer Flur. Das erste Turnier vor elf Jahren hatte Schirow gewonnen.

 

Chess Classic Mainz 2004: Simultan Schirow

Hartes Programm vor dem Match: Gegen die zum Teil sehr starken Gegner verlor Alexej Schirow vier seiner 40 Simultanpartien und remisierte elf.

 

   Im diesjährigen Zweikampf war sein Bundesliga-Vereinskamerad Alexej Schirow relativ chancenlos. Unbeabsichtigt erhob Organisator Hans-Walter Schmitt Anand zum Überirdischen, als er ihm das siebte schwarze Jackett für den Sieger überstreifte. Eigentlich wollte Schmitt seinen Freund mit dem sechsfachen Tour-de-France-Gewinner, dem Rad-Heros Lance Armstrong, vergleichen. Doch der Chef des Chess Classic Mainz (CCM) verhaspelte sich und machte daraus gleich den "Neil Armstrong des Schachs". Anand musste breit grinsen ob der Gleichstellung mit dem ersten Astronauten auf dem Mond. Geradezu ins Schwärmen geriet Hans-Walter Schmitt auch bei der Bilanz aller Wettbewerbe: "Unglaublich, alle Rekorde gebrochen!", jubilierte der Turnierorganisator. Im Chess960 Open - dort wird vor Partiebeginn die Grundstellung der Figuren unter 960 verschiedenen Positionen ausgelost - wuchs die Teilnehmerzahl um rund 50 Prozent. Der Ungar Zoltan Almasi setzte sich mit 9,5:1,5 Punkten durch und wird im nächsten Jahr Peter Swidler herausfordern. Der Russe verteidigte seinen WM-Titel im Chess960 erst im letzten Duell gegen Levon Aronjan. Der Armenier hatte mit 2:1 und 3:2 geführt, zog dann aber doch noch mit 3,5:4,5 den Kürzeren. Am Samstag und Sonntag platzte die Rheingoldhalle aus allen Nähten. 542 Spieler nahmen am Ordix Open teil, darunter 156 Titelträger. Von den Top 100 weilten 31 Großmeister in Mainz. Die 3.300 Euro für den Sieger kassierte erneut Alexander Grischuk mit 9,5:1,5 Punkten. Der Russe blieb wie im Vorjahr ungeschlagen und hofft nun darauf, 2005 die größte "Herausforderung", den Zweikampf mit CCM-König Anand, annehmen zu dürfen.

 

Chess Classic Mainz 2004

Viswanathan Anand (links) war mit dem Niveau der Partien gegen Alexej Schirow zufrieden.

 

   Der gewohnt bescheidene Anand lobte seinen Kontrahenten Schirow, der im Prinzip bis auf die mitreißende achte Partie chancenlos blieb. "Vom Niveau her möchte ich das Duell mit dem offenen Schlagabtausch des Vorjahres mit Judit Polgar vergleichen. Das Match stand auf einem deutlich höheren Niveau als das gegen Weltmeister Wladimir Kramnik, in dem wir ständig patzten." Der Weltranglistenzehnte Schirow hatte indes eine einleuchtendere Erklärung für das 5:3 seines Mannschaftskameraden beim Bundesligisten SC Baden-Oos. Zur Begründung der Anand-Erfolgsserie wandelte der Wahl-Spanier einen Hit von Tina Turnier leicht ab: "Vishy is simply the best!"

 

Schirow ohne Fortune: Tag 1

   Alexej Schirow schüttelte unzufrieden den Kopf. Das Remis mit Weiß war nicht nach seinem Geschmack. Doch mit nur noch 40 Sekunden auf der Uhr fügte sich der Wahl-Spanier gegen Viswanathan Anand ins Remis. Nach dem Turmschach auf a3 musste Schirow den Turm tauschen, da ansonsten er und nicht der Inder matt gegangen wäre, wenn Weiß Kh2?? zieht. Ein spannender Auftakt! Alexej Schirow beklagte jedoch die vergebene Chance im ersten Duell. Stand zunächst der Inder mit Schwarz besser, kam sein 32-jähriger Kontrahent durch die riskanten Bauernzüge g4 und h4, "die vielleicht verlieren", auf. Als Anand dann das Turmschach auf a3 gab, wollte Schirow nicht f3! anstatt Tg3 riskieren. "Das hätte aber gewonnen", befand der Spanier in der Pressekonferenz. "Ich habe Dg4 übersehen, wonach ich schlechter stand. Alexej fand Gegenspiel", räumte Anand ein.

 

Chess Classic Mainz 2004

1.e4 ist doch stärker! Alexej Schirow nahm den Damenbauern-Zug von Carmen Kass zurück und spielte den Königsbauern nach vorne.

 










Schirow,A (2725) - Anand,V (2782) [C10]
Chess Classic Mainz GER (1), 05.08.2004

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Sd7 5.Sf3 Sgf6 6.Sxf6+ Sxf6 7.g3 b6 8.Lg2 Lb7 9.0-0 Le7 10.c4 0-0 11.b3 a5 12.Lb2 a4 13.De2 Ta6 14.Tfd1 Te8 15.Lc3 Se4 16.Le1 axb3 17.axb3 Txa1 18.Txa1 Lf6 19.Td1 Da8 20.h4 Sd6 21.g4 g6 22.c5 Sc8 23.Ld2 Se7 24.b4 Ld5 25.Lg5 Lg7 26.b5 h6 27.Lxe7 Txe7 28.c6 Te8 29.Se5 Dd8 30.Sd7 Lxg2 31.Kxg2 f5 32.Kh3 De7 33.gxf5 gxf5 34.Tg1 Kh7 35.Dh5 Ta8 36.Dg6+ Kh8 37.Se5 Lxe5 38.dxe5 Ta3+ 39.Tg3?? [ Schirow hatte keine Zeit mehr, die folgende Variante durchzurechnen und entschied sich daher für das sichere Remis. 39.f3! Txf3+ 40.Kg2 Ta3 41.Dxh6+ Dh7 ( 41...Kg8 42.Kf2+ Kf7 43.Dg6+ Kf8 44.Dg8# ) 42.Df6+ Dg7+ 43.Kf2! Dxf6 44.exf6 Ta8 45.Tg7 Tc8 46.Ke3 e5 47.h5 und Schwarz befindet sich in Zugzwang.] 39...Txg3+ 40.fxg3 Dg7 41.Dxe6 1/2-1/2

   Weit einseitiger verlief die zweite Partie des Abends: Viswanathan Anand ging mit leichter Hand in Führung. Lg4 geißelten beide Spieler in dem Marschall-Gambit als Fehler. Der Titelverteidiger opferte die Qualität, löste sich aus der Umklammerung und erhielt zusätzlich einen zweiten Bauern. Das Endspiel mit Turm, Läufer und fünf Bauern gegen zwei Türme und drei Bauern gewann Anand problemlos, da auch noch der schwarze König am Königsflügel eingeklemmt war. Deshalb musste Schirow vor einem weißen Turmzug auf die Grundreihe nebst Th8 matt auf der Hut sein.










Anand,V (2782) - Schirow,A (2725) [C89]
Chess Classic Mainz GER (2), 05.08.2004

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 0-0 8.c3 d5 9.exd5 Sxd5 10.Sxe5 Sxe5 11.Txe5 c6 12.Te1 Ld6 13.g3 Dd7 [ 13...Lf5 14.d4 Dd7 15.Le3 Tae8 16.Sd2 Lg4 17.Dc2 Lf5 18.Dc1 h5 19.Sf3 Lg4 20.Sh4 Te6<=> geschah in Leko-Anand, Cap d'Agde 2003.] 14.d3 Dh3 15.Te4 Sf6 [ 15...Df5 und; 15...Dd7 sind die Alternativen, die Schwarz nach dieser Partie wohl künftig versuchen wird.] 16.Th4 Df5 17.Sd2 g5 18.Th6 Sg4 19.Se4! 19...Sxh6 20.Sxd6 Dg6 21.Se4 Lg4N Erst das ist eine Neuerung. [ 21...Sg4 22.Lxg5 Lf5 23.Lf4 Tad8 24.De2 Tfe8 25.Te1 Kg7 26.f3 Se5 27.Lc2+/= bescherte Peter Swidler 1998 in Elista einen kleinen Vorteil gegen Michael Adams.] 22.Dd2 Sf5 23.Dxg5 Lf3 24.Df4 Lxe4 25.dxe4 Sg7 26.Le3 Weiß steht klar besser mit dem Läuferpaar und zwei Bauern für die Qualität. 26...Tad8 27.a4 Td7 28.axb5 axb5 29.Ld4 Te8 30.f3 h6 31.Ta6 Kh7 32.Kf2 b4 33.g4 bxc3 34.Lxc3 Se6 35.Lxe6 [ Stark ist auch 35.De5! Tb7 ( 35...Sg7 36.Txc6! Txe5 37.Txg6 Kxg6 38.Lxe5 ) 36.La4 Sc7 37.Txc6 Txe5 38.Txg6 Kxg6 39.Lxe5 ] 35...Dxe6 36.h4 Dd6 37.Dxd6 Txd6 38.Ta7 Kg8 39.h5 Ted8 40.Kg3 T8d7 41.Ta6 41...Td8 42.Kf4 c5 43.Ta5 Tc8 44.Kf5 c4 45.f4 Tdc6 46.e5 Tc5 47.Ta4 Kh7 48.Ke4 T5c7 49.Ta1 Td7 50.Ta6 50...Tg8 51.Kf5 Td3 52.Tf6 Tg7 53.e6 fxe6+ 54.Txe6 Tf7+ 55.Ke4 Tdd7 56.Le5 Tde7 57.Tc6 Tg7 58.Kf3 Tgf7 59.Kg3 Nach dem Verlust eines dritten Bauern, der weißen Drohung Tc8 nebst Th8 matt und keinerlei Aussicht auf Gegenspiel gab Schirow auf. 1-0

 

"Schlechte Vorbereitung": Tag 2

   "Schon wieder ein Fall von schlechter Vorbereitung", lamentierte Alexej Schirow nach dem zweiten Tag bei den Chess Classic Mainz. Der Spanier verteidigte aber zweimal zäh ein Remis und bleibt mit dem Rückstand von 1,5:2,5 zur Halbzeit im Rennen um den Gesamtsieg. In beiden Partien musste Kontrahent Viswanathan Anand zunächst kein Hirnschmalz aufwenden. Er spulte lediglich seine Vorbereitung herunter. Mit Weiß brachte der Titelverteidiger im 14. Zug eine Neuerung. "An dieser Stelle wurde schon Df3 von mir selbst und Sf5 von Peter Swidler gezogen", erläuterte Schirow. Nach dem eher schwachen 23…c5 und der starken Entgegnung 24.c4 von Anand wähnte sich der "Hexer von Riga" in einer ungemütlichen Lage, zumal der "Tiger von Madras" zehn gegenüber nur drei Minuten auf der Uhr besaß. Anschließend verteidigte sich der Herausforderer gut und rettete den halben Punkt.

 










Anand,V (2782) - Schirow,A (2725) [C88]
Chess Classic Mainz GER (3), 06.08.2004

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 0-0 8.h3 Lb7 9.d3 d6 10.a3 Dd7 11.Sc3 Sd8 12.d4 exd4 13.Sxd4 Te8 14.f3N [ 14.Sf5 Se6 15.Ld5 Sxd5 16.exd5 Sc5 17.Dg4 Lf6 18.Se4 Txe4 19.Txe4 h5 20.Sh6+ Kf8 21.Dxd7 Sxd7 22.Sf5 Lxd5 23.Te1 Sc5 24.Se3 Te8 25.Ld2 Le6 26.Tab1 La2 27.Ta1 Le6 28.Tab1 La2 1/2-1/2 Swidler-Schirow, Cap d'Agde 2003.; 14.Lg5 Sxe4?? 15.Sxe4 Lxe4 16.Txe4 Lxg5 17.Dg4! 1:0 Swidler-Almasi, Bundesliga 2003/4] 14...g6 15.Sde2 Se6 16.Sf4 Sxf4 17.Lxf4 Lf8 18.Dd2 Lg7 19.Tad1 De7 20.La2 Tad8 21.b4 Sh5 22.Le3 Le5 23.Se2 c5 24.c4 cxb4 25.axb4 bxc4 26.Lxc4 Sf6 27.Sf4 Tc8 28.Tc1+/= Tc7 29.Lf1 Tec8 30.Txc7 Dxc7 31.Se2?! d5!= 32.Tc1 Db8 33.Txc8+ Dxc8 34.Ld4 Dc7 35.Db2?! Db6! 36.Lxb6 Lxb2=/+ 37.e5!? Lxe5 38.Ld4 Sd7 39.Lxe5 Sxe5 40.Sd4 Kf8 41.Sb3 Sd7 42.Sa5 Lc8 43.Sc6 Lb7 44.Sa5 Lc8 45.Sc6 Lb7 1/2-1/2

 
Chess Classic Mainz 2004

Übten kräftig Spanisch: Der Spanier Alexej Schirow (links) gegen den in Spanien lebenden Viswanathan Anand.

 

   Fast ähnlich verlief das vierte Duell. "Die Variante spielte Anfang des Jahres Zoltan Gymesi als Erster. In Biel hielt Ruslan Ponomarjow damit Remis gegen Alexander Morosewitsch", erläuterte Anand. Apropos Ponomarjow: Als dieser verspätet die Spielhalle betrat, um das Match zu verfolgen, musste er lauthals lachen, als er die Stellung auf dem großen Monitor sah. Bis zum 23. Zug kamen Anands Antworten in dem wilden Spanier wie aus der Pistole geschossen. 24.Tad1 von Schirow stellt vermutlich eine Neuerung dar - und zwar eine von zweifelhafter Natur, glaubt man beiden Großmeistern. "Wenn ich gleich im 28. Zug Lf8 spiele, wäre Weiß in Schwierigkeiten geraten", analysierte Anand in der Pressekonferenz.

 










Schirow,A (2725) - Anand,V (2782) [C80]
Chess Classic Mainz GER (4), 06.08.2004

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Sxe4 6.d4 b5 7.Lb3 d5 8.dxe5 Le6 9.Sbd2 Sc5 10.c3 d4 11.Sg5 Dxg5 12.Df3 0-0-0 13.Lxe6+ fxe6 14.Dxc6 Dxe5 15.b4 Dd5 16.Dxd5 exd5 17.bxc5 dxc3 18.Sb3 d4 19.La3 g6 20.Lb4 Lg7 21.a4 d3 22.axb5 d2 23.c6 Als Ruslan Ponomarjow während der Eröffnungsphase in den Turniersaal kam, musste er laut lachen. Die Variante hatte der Ex-Weltmeister erst kurz zuvor mit Schwarz gegen Alexander Morosewitsch in Biel gespielt. Dort geschah: [ 23.bxa6 c2 24.Sxd2 Lxa1 25.Txa1 The8 26.Tc1 Te4 27.Lc3 Tc4 28.Txc2 Td3 29.Tb2 Tcxc3 30.a7 Ta3 31.Tb8+ Kd7 32.a8D Txa8 33.Txa8 Txd2= ] 23...Kb8! 24.Tad1? [ 24.Sc5? c2 25.Sd7+ Txd7 26.cxd7 Lxa1 27.Lxd2 Td8 28.Tc1 Txd7 29.Txc2 axb5 verliert. Deshalb sollte Weiß erneut zu; 24.bxa6 greifen, das nach 24...The8 25.Sxd2 cxd2 26.Tab1 Ka7 27.Tfd1 Kxa6 28.Lxd2 Te6 29.Lf4 Txd1+ 30.Txd1 Txc6 31.g3 zum Ausgleich führt] 24...Td5!? 25.bxa6 Thd8 26.Sa1 Ka7 27.Sc2 Tb8 28.Tb1? [ 28.g3 ist angezeigt, um dem König ein Luftloch zu schaffen.] 28...Tdb5? [ 28...Lf8! 29.Tfd1 Tdb5 30.Kf1 Txb4! 31.Txb4 Txb4 32.Ke2 ( 32.Sxb4 Lxb4 33.Ke2 c2 ) 32...Tb2 33.Kd3 Lg7 und Schwarz gewinnt.] 29.Tb3! T8b6 [ 29...Lf8 30.Txc3= ] 30.Txc3! Wickelt ins Remis ab. 30...Lxc3 31.Lxc3 Tc5 32.Lxd2 Txc2 33.Le3 Kxa6 34.Lxb6 cxb6 35.f4 b5 36.g4 Txc6 37.f5 gxf5 38.gxf5 b4 39.f6 Tc8 40.Kg2 b3 41.Tb1 Tf8 42.Txb3 1/2-1/2

 

Anands Titelverteidigung nach 4:2 nur noch Formsache: Tag 3

   Viswanathan Anand hat seinen Vorsprung bei den Chess Classic Mainz auf 4:2 ausgebaut. Die fünfte Partie remisierte zwar Alexej Schirow, in der sechsten zog er jedoch zum zweiten Mal den Kürzeren. Wie gewohnt mochte es Anand nicht, von einer vorzeitigen Titelverteidigung zu sprechen. Vorsichtig erklärte der 34-Jährige: "Warten wir es bis morgen ab." Alexej Schirow war der Pressekonferenz ferngeblieben. Ihm schlug die Niederlage zu sehr auf den Magen. "Ich habe die Züge verwechselt", klagte der Spanier, ehe er entschwand. Anand präzisierte: "Alexej unterlief ein Fingerfehler. Gegen Iwantschuk hat er 14...Se6 anstatt Lf8 gezogen. Nach dem Läuferzug war es nach meinem Lg5 sofort aus. Mein Computer zeigte bei der Vorbereitung in dieser Stellung nur erbauliche Varianten." Drohungen wie Sh6+ und auch Lxf6 hätten in allen Fällen den schwarzen König bloßgelegt. Schirow opferte deswegen die Qualität und hoffte, den weißen Läufer auf a8 einkerkern zu können - doch Anand widerlegte das mit leichter Hand. Den angebotenen Damentausch auf d4 durfte Schwarz nicht akzeptieren, danach bedurfte es lediglich noch des Turmzugs nach e1. Nach einem Bauernverlust gab der Herausforderer auf.

 










Schirow,A (2725) - Anand,V (2782) [C80]
Chess Classic Mainz GER (5), 07.08.2004

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Sxe4 6.d4 b5 7.Lb3 d5 8.dxe5 Le6 9.Sbd2 Sc5 10.c3 d4 11.Lxe6 Die erste Abweichung von der dritten Partie, in der [ 11.Sg5 ausprobiert wurde.] 11...Sxe6 12.cxd4 Scxd4 13.a4 Lb4 14.axb5 Sxb5 15.Se4N [ 15.Db3 a5?! 16.Dc4! Sbd4 17.Sxd4 Dxd4 ( 17...Sxd4 18.Se4 ) 18.Dc6+ Ke7 19.Sf3+/- und in Azarow- Mamedjarow (2003) stand Weiß deutlich besser.] 15...0-0 16.Le3 Dxd1 17.Tfxd1 a5 18.Sfg5 Sxg5 19.Sxg5 Tfe8 20.f4 f6 21.Sf3 fxe5 22.fxe5 c5 23.Tac1 Tac8 24.Kf2 h6 25.Td7 Sc7! 26.Lxc5 Se6 27.Le3 Txc1 28.Lxc1 Tc8 29.Td1 Tc2+ 30.Kg3 Kf7 31.h4 Kg6 32.Tf1 Te2 33.Kh3 Sc5 34.Td1 Se4 [ 34...Sb3!? ist eine interessante Alternative.] 35.Td7 h5 36.Tc7 Sf2+ 37.Kg3 Sd3 38.Tc6+ Kf7 39.e6+ Kg8 [ 39...Kg6!? ] 40.Sg5 Kf8 41.Sh7+ Kg8 42.Sg5 Kf8 43.Sh7+ Kg8 Mit wenigen verbliebenen Sekunden begnügte sich Schirow mit der Zugwiederholung, auch wenn er pro Zug wieder zehn Sekunden dazubekommen hätte. Laut Anand steht Schwarz in dieser Position nicht schlechter dank seiner aktiven Figuren. 1/2-1/2

 

Chess Classic Mainz 2004

Nur die ersten Züge zog Alexej Schirow (rechts) so flott wie Viswanathan Anand.

 

   In der fünften Begegnung gewann Schirow einen Bauern. Obwohl im Endspiel zudem ein weißer Bauer auf e6 auftauchte, hatte Anand keine Sorgen, die Partie zu verlieren. Peter Swidler, der offenbar während seiner Chess960-Partien genügend Zeit hat, das zweite Duell auf der Bühne zu verfolgen, meinte gar, dass Schwarz besser stünde. "Mit dem Turm auf der zweiten Reihe, dem aktiven Springer und dem Läufer auf b4, der das Feld e7 kontrolliert, hatte ich mindestens ausreichende Kompensation", bestätigte der "Tiger von Madras". Da Schirow wieder nur noch wenige Sekunden auf der Uhr besaß, begnügte er sich daher gerne mit einer Zugwiederholung nach Kf8 mit Sh7+ und nach Kg8 zurück mit dem Springer auf g5. Es müsste mit dem Teufel zugehen, damit der "Hexer von Riga" das Match am letzten Tag noch drehen kann.

 










Anand,V (2782) - Schirow,A (2725) [C88]
Chess Classic Mainz GER (6), 07.08.2004

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 0-0 8.h3 Lb7 9.d3 d6 10.a3 Dd7 11.Sc3 Sd8 12.d4 exd4 13.Sxd4 Te8 14.Sf5 14...Lf8? Der besagte "Fingerfehler", nach dem der Nachziehende verloren ist. Wie gewohnt wollte Schirow eigentlich [ 14...Se6 ziehen.] 15.Lg5!+/- Lxe4 [ 15...Txe4 16.Sxe4 Sxe4 ( 16...Dxf5 17.Sxf6+ gxf6 18.Le3+- ) 17.Dg4 Se6 18.Txe4 h5 19.De2 Sxg5 ( 19...Lxe4 20.Dxe4 Sxg5 21.Dxa8 ) 20.Se7+ Lxe7 21.Txe7 Sxh3+ 22.Kh2 ( 22.gxh3 Dxh3 23.f3 Lxf3 24.Dh2 Dg4+ 25.Kf2 Dd4+ 26.Kf1 d5 27.Tae1 c5 ist noch nicht ganz klar.) 22...Dc6 23.f3 Sf4 24.De3+- ] 16.Sxe4 Txe4 17.Txe4 Dxf5 [ 17...Sxe4 18.Dg4 Dc6 19.Lxd8 Txd8 20.Sh6+ Kh8 21.Sxf7+ Kg8 22.Sh6+ Kh8 23.De6+- ] 18.Lxf6 Dxe4 19.Ld5 Df4 20.Lxa8 Dxf6 21.c3! c6 22.Dd4 De6 23.Db6 Dc8 24.Te1! Schwarz darf den Läufer auf a8 nicht nehmen. 24...Dd7 [ 24...Dxa8 25.Te8+- ] 25.Dxa6+- d5 26.a4 bxa4 27.Dxa4 g6 28.Td1 Lc5 29.b4 Lb6 30.c4 1-0

 

Spektakulärer Abschluss: Tag 4

   In der Mainzer Rheingoldhalle stand der Sieg des weltbesten Schachspielers über Alexej Schirow bereits nach der siebten von acht Partien fest. Dank eines Remis lag Viswanathan Anand uneinholbar mit 4,5:2,5 in Front und gewann nach einem spektakulären Schlussrunden-Unentschieden letztlich souverän mit 5:3. Mit Weiß riskierte Anand zunächst nichts. "Ich konnte in der ersten Partie nur den Fingerfehler korrigieren", meinte Schirow, "ich stand aber auch diesmal schlechter und profitierte davon, dass Vishy mit dem Remis den Gesamtsieg abzusichern gedachte."

 










Anand,V (2782) - Schirow,A (2725) [C88]
Chess Classic Mainz GER (7), 08.08.2004

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 0-0 8.h3 Lb7 9.d3 d6 10.a3 Dd7 11.Sc3 Sd8 12.d4 exd4 13.Sxd4 Te8 14.Sf5 Se6 Diesmal wollte Schirow beweisen, dass er die Variante doch kennt ... 15.Sxe7+ Txe7 16.f3 Td8 17.Lxe6 fxe6 18.e5 dxe5 19.Dxd7 Tdxd7 20.Txe5 h6 21.Le3 Sd5 22.Sxd5 Txd5 23.Txd5 Lxd5 24.a4 Kf7 25.axb5 axb5 26.Ta7 c6 27.Txe7+ Das Remis genügte Anand, um den Gesamtsieg unter Dach und Fach zu bringen. 1/2-1/2

 
Viswanathan Anand, Aruna Anand, Hans-Walter Schmitt

Viswanathan Anand hatte genügend Muse, mit Ehefrau Aruna und Hans-Walter Schmitt beim Ordix Open zu kiebitzen.

 

   In der letzten Begegnung ging der Wahl-Spanier aber nochmals aufs Ganze. Unbedingt wollte er seinen Mannschaftskameraden beim SC Baden-Oos bezwingen. Dabei machte der 32-Jährige erstmals richtig seinem Kampfnamen "Hexer von Riga" alle Ehre. "Da Alexander Morosewitsch im Publikum saß, wollte ich ihn nicht langweilen und spielte wie er", scherzte Schirow mit Blick auf die wild verwickelte Partie und die Eröffnung. "Ich besaß Initiative, aber ich sah leider keinen Gewinn", bedauerte Schirow. Mit erneut lediglich ein paar Sekunden auf der Uhr musste sich der Weltranglistenzehnte mit einem Dauerschach bescheiden, nachdem er zuvor den schwarzen König vom Damen- zum Königsflügel gejagt hatte. Während der abschließenden Treibjagd, in der sein König im Mittelpunkt stand, glaubte sich Anand verloren. Die von dem Inder angegebene Variante hielt Schirow indes nicht für ausreichend. Trotz des Remis strahlte der Herausforderer erstmals nach einer Partie. Der "Hexer" war doch noch ein bisschen glücklich geworden in Mainz.

 

Alexej Schirow

Wenigstens am Schluss ein bisschen glücklich: Alexej Schirow.

 










Schirow,A (2725) - Anand,V (2782) [C25]
Chess Classic Mainz GER (8), 08.08.2004

1.e4 e5 2.Sc3!? Zu Ehren von Zuschauer Alexander Morosewitsch gezogen, wie Schirow später betonte. 2...Sc6 3.g3 Lc5 4.Lg2 d6 5.d3 h5 6.h3 a6 7.Le3 Lxe3 8.fxe3 Le6 9.Sf3 Sce7 10.d4 Sg6 11.De2 De7 12.0-0-0 Sf6 13.Sg5 0-0-0 14.Thf1 h4 15.g4 Kb8 16.Kb1 Tdf8 17.Sf3 Sh7 18.Sd2 Sg5 19.Sb3 Lxb3 20.axb3 c6 21.b4 Dc7 22.b3 Db6 23.Dc4 Tc8 24.Kb2 f6 25.Ta1 Thd8 26.Ta4 Td7 27.Dd3 Tdc7 28.Tf2 Se7 29.Td2 c5 30.dxc5 dxc5 31.b5 Sf7 32.Dc4 Sd6 33.Txd6!? [ 33.De6 Td8 34.bxa6 bxa6 35.Td1 c4 36.Tda1 Ta7~~ ] 33...Dxd6 34.bxa6 Td7 35.Lf1 Tcd8 36.axb7 Txb7 37.Ta6 Tb6 38.Txb6+ Dxb6 39.Df7 Sc6 40.Dxg7 Sb4 41.Lc4 Td2 42.Df8+ Td8 43.Df7 Td2 44.Sd5 Txc2+ 45.Kb1 Dd6?! Diagramm [ 45...Sxd5! 46.Kxc2 Sxe3+ 47.Kc3 Sxc4 48.Dxc4= ] 46.De8+ Kb7 47.Db5+? [ 47.La6+!! hätte spektakulär gewonnen. 47...Ka7 48.Lc8!! Sxd5 49.exd5! Te2 50.Df7+ Kb6 51.Db7+ Ka5 52.Kc1!! Der Zug wirkt auf den ersten Blick sinnlos, indes 52...Txe3 ( 52...Ta2 53.Da7+ Kb4 54.Dxa2 ) 53.Da7+ Kb5 54.Ld7+ Kb4 55.Da4+ Kc3 56.Dc4# ] 47...Ka7 48.Da4+ Kb8 49.La6 Sxd5 50.exd5 Th2 51.Db5+ Kc7 52.Db7+ Kd8 53.Dc8+ Ke7 54.Lb5 Kf7 55.Le8+ Kg8 56.Lh5+ Df8 57.De6+ Kg7 58.d6 Dg8 59.De7+ Kh8 60.Dxf6+ Dg7 61.Dd8+ [ 61.De6! Stellt Schwarz noch vor Probleme, ist der Remispfad doch schmal. 61...e4! 62.De8+ Kh7 63.Dxe4+ Kh8 64.De8+ Kh7 65.De7 Kg8 66.Dd8+ Kh7 67.Dc7 Kg8 68.Dxg7+ Kxg7 69.d7 Td2 70.Le8 Kf6 71.Kc1 Td5 72.Kc2 Ke7 und Schwarz ist bar aller Sorgen.] 61...Dg8 62.Df6+ Dg7 63.Dd8+ Dg8 1/2-1/2

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