"Vishy ist einfach der Beste!"Anand gewinnt zum siebten Mal die Chess ClassicText und Fotos von FM Hartmut Metz, August 2004 |
Viswanathan Anand hat zum fünften Mal in Folge die Chess Classic gewonnen. In der Mainzer Rheingoldhalle stand der Sieg des weltbesten Schachspielers über Alexej Schirow bereits vorzeitig fest. Dank eines Remis lag der Inder uneinholbar nach Partie sieben mit 4,5:2,5 in Front und setzte sich nach einem spektakulären Schlussrunden-Unentschieden souverän wie selten zuvor mit 5:3 durch. In den Annalen der Chess Classic, die von 1994 bis 2000 in Frankfurt ausgetragen wurden, steht der 34-Jährige nun mit insgesamt sieben Turniersiegen auf einsamer Flur. Das erste Turnier vor elf Jahren hatte Schirow gewonnen.
Hartes Programm vor dem Match: Gegen die zum Teil sehr starken Gegner verlor Alexej Schirow vier seiner 40 Simultanpartien und remisierte elf.
Im diesjährigen Zweikampf war sein Bundesliga-Vereinskamerad Alexej Schirow relativ chancenlos. Unbeabsichtigt erhob Organisator Hans-Walter Schmitt Anand zum Überirdischen, als er ihm das siebte schwarze Jackett für den Sieger überstreifte. Eigentlich wollte Schmitt seinen Freund mit dem sechsfachen Tour-de-France-Gewinner, dem Rad-Heros Lance Armstrong, vergleichen. Doch der Chef des Chess Classic Mainz (CCM) verhaspelte sich und machte daraus gleich den "Neil Armstrong des Schachs". Anand musste breit grinsen ob der Gleichstellung mit dem ersten Astronauten auf dem Mond. Geradezu ins Schwärmen geriet Hans-Walter Schmitt auch bei der Bilanz aller Wettbewerbe: "Unglaublich, alle Rekorde gebrochen!", jubilierte der Turnierorganisator. Im Chess960 Open - dort wird vor Partiebeginn die Grundstellung der Figuren unter 960 verschiedenen Positionen ausgelost - wuchs die Teilnehmerzahl um rund 50 Prozent. Der Ungar Zoltan Almasi setzte sich mit 9,5:1,5 Punkten durch und wird im nächsten Jahr Peter Swidler herausfordern. Der Russe verteidigte seinen WM-Titel im Chess960 erst im letzten Duell gegen Levon Aronjan. Der Armenier hatte mit 2:1 und 3:2 geführt, zog dann aber doch noch mit 3,5:4,5 den Kürzeren. Am Samstag und Sonntag platzte die Rheingoldhalle aus allen Nähten. 542 Spieler nahmen am Ordix Open teil, darunter 156 Titelträger. Von den Top 100 weilten 31 Großmeister in Mainz. Die 3.300 Euro für den Sieger kassierte erneut Alexander Grischuk mit 9,5:1,5 Punkten. Der Russe blieb wie im Vorjahr ungeschlagen und hofft nun darauf, 2005 die größte "Herausforderung", den Zweikampf mit CCM-König Anand, annehmen zu dürfen.
Viswanathan Anand (links) war mit dem Niveau der Partien gegen Alexej Schirow zufrieden.
Der gewohnt bescheidene Anand lobte seinen Kontrahenten Schirow, der im Prinzip bis auf die mitreißende achte Partie chancenlos blieb. "Vom Niveau her möchte ich das Duell mit dem offenen Schlagabtausch des Vorjahres mit Judit Polgar vergleichen. Das Match stand auf einem deutlich höheren Niveau als das gegen Weltmeister Wladimir Kramnik, in dem wir ständig patzten." Der Weltranglistenzehnte Schirow hatte indes eine einleuchtendere Erklärung für das 5:3 seines Mannschaftskameraden beim Bundesligisten SC Baden-Oos. Zur Begründung der Anand-Erfolgsserie wandelte der Wahl-Spanier einen Hit von Tina Turnier leicht ab: "Vishy is simply the best!"
Alexej Schirow schüttelte unzufrieden den Kopf. Das Remis mit Weiß war nicht nach seinem Geschmack. Doch mit nur noch 40 Sekunden auf der Uhr fügte sich der Wahl-Spanier gegen Viswanathan Anand ins Remis. Nach dem Turmschach auf a3 musste Schirow den Turm tauschen, da ansonsten er und nicht der Inder matt gegangen wäre, wenn Weiß Kh2?? zieht. Ein spannender Auftakt! Alexej Schirow beklagte jedoch die vergebene Chance im ersten Duell. Stand zunächst der Inder mit Schwarz besser, kam sein 32-jähriger Kontrahent durch die riskanten Bauernzüge g4 und h4, "die vielleicht verlieren", auf. Als Anand dann das Turmschach auf a3 gab, wollte Schirow nicht f3! anstatt Tg3 riskieren. "Das hätte aber gewonnen", befand der Spanier in der Pressekonferenz. "Ich habe Dg4 übersehen, wonach ich schlechter stand. Alexej fand Gegenspiel", räumte Anand ein.
1.e4 ist doch stärker! Alexej Schirow nahm den Damenbauern-Zug von Carmen Kass zurück und spielte den Königsbauern nach vorne.
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Schirow,A (2725) - Anand,V (2782) [C10]
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Weit einseitiger verlief die zweite Partie des Abends: Viswanathan Anand ging mit leichter Hand in Führung. Lg4 geißelten beide Spieler in dem Marschall-Gambit als Fehler. Der Titelverteidiger opferte die Qualität, löste sich aus der Umklammerung und erhielt zusätzlich einen zweiten Bauern. Das Endspiel mit Turm, Läufer und fünf Bauern gegen zwei Türme und drei Bauern gewann Anand problemlos, da auch noch der schwarze König am Königsflügel eingeklemmt war. Deshalb musste Schirow vor einem weißen Turmzug auf die Grundreihe nebst Th8 matt auf der Hut sein.
"Schon wieder ein Fall von schlechter Vorbereitung", lamentierte Alexej Schirow nach dem zweiten Tag bei den Chess Classic Mainz. Der Spanier verteidigte aber zweimal zäh ein Remis und bleibt mit dem Rückstand von 1,5:2,5 zur Halbzeit im Rennen um den Gesamtsieg. In beiden Partien musste Kontrahent Viswanathan Anand zunächst kein Hirnschmalz aufwenden. Er spulte lediglich seine Vorbereitung herunter. Mit Weiß brachte der Titelverteidiger im 14. Zug eine Neuerung. "An dieser Stelle wurde schon Df3 von mir selbst und Sf5 von Peter Swidler gezogen", erläuterte Schirow. Nach dem eher schwachen 23 c5 und der starken Entgegnung 24.c4 von Anand wähnte sich der "Hexer von Riga" in einer ungemütlichen Lage, zumal der "Tiger von Madras" zehn gegenüber nur drei Minuten auf der Uhr besaß. Anschließend verteidigte sich der Herausforderer gut und rettete den halben Punkt.
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Anand,V (2782) - Schirow,A (2725) [C88]
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Übten kräftig Spanisch: Der Spanier Alexej Schirow (links) gegen den in Spanien lebenden Viswanathan Anand.
Fast ähnlich verlief das vierte Duell. "Die Variante spielte Anfang des Jahres Zoltan Gymesi als Erster. In Biel hielt Ruslan Ponomarjow damit Remis gegen Alexander Morosewitsch", erläuterte Anand. Apropos Ponomarjow: Als dieser verspätet die Spielhalle betrat, um das Match zu verfolgen, musste er lauthals lachen, als er die Stellung auf dem großen Monitor sah. Bis zum 23. Zug kamen Anands Antworten in dem wilden Spanier wie aus der Pistole geschossen. 24.Tad1 von Schirow stellt vermutlich eine Neuerung dar - und zwar eine von zweifelhafter Natur, glaubt man beiden Großmeistern. "Wenn ich gleich im 28. Zug Lf8 spiele, wäre Weiß in Schwierigkeiten geraten", analysierte Anand in der Pressekonferenz.
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Schirow,A (2725) - Anand,V (2782) [C80]
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Viswanathan Anand hat seinen Vorsprung bei den Chess Classic Mainz auf 4:2 ausgebaut. Die fünfte Partie remisierte zwar Alexej Schirow, in der sechsten zog er jedoch zum zweiten Mal den Kürzeren. Wie gewohnt mochte es Anand nicht, von einer vorzeitigen Titelverteidigung zu sprechen. Vorsichtig erklärte der 34-Jährige: "Warten wir es bis morgen ab." Alexej Schirow war der Pressekonferenz ferngeblieben. Ihm schlug die Niederlage zu sehr auf den Magen. "Ich habe die Züge verwechselt", klagte der Spanier, ehe er entschwand. Anand präzisierte: "Alexej unterlief ein Fingerfehler. Gegen Iwantschuk hat er 14...Se6 anstatt Lf8 gezogen. Nach dem Läuferzug war es nach meinem Lg5 sofort aus. Mein Computer zeigte bei der Vorbereitung in dieser Stellung nur erbauliche Varianten." Drohungen wie Sh6+ und auch Lxf6 hätten in allen Fällen den schwarzen König bloßgelegt. Schirow opferte deswegen die Qualität und hoffte, den weißen Läufer auf a8 einkerkern zu können - doch Anand widerlegte das mit leichter Hand. Den angebotenen Damentausch auf d4 durfte Schwarz nicht akzeptieren, danach bedurfte es lediglich noch des Turmzugs nach e1. Nach einem Bauernverlust gab der Herausforderer auf.
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Schirow,A (2725) - Anand,V (2782) [C80]
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Nur die ersten Züge zog Alexej Schirow (rechts) so flott wie Viswanathan Anand.
In der fünften Begegnung gewann Schirow einen Bauern. Obwohl im Endspiel zudem ein weißer Bauer auf e6 auftauchte, hatte Anand keine Sorgen, die Partie zu verlieren. Peter Swidler, der offenbar während seiner Chess960-Partien genügend Zeit hat, das zweite Duell auf der Bühne zu verfolgen, meinte gar, dass Schwarz besser stünde. "Mit dem Turm auf der zweiten Reihe, dem aktiven Springer und dem Läufer auf b4, der das Feld e7 kontrolliert, hatte ich mindestens ausreichende Kompensation", bestätigte der "Tiger von Madras". Da Schirow wieder nur noch wenige Sekunden auf der Uhr besaß, begnügte er sich daher gerne mit einer Zugwiederholung nach Kf8 mit Sh7+ und nach Kg8 zurück mit dem Springer auf g5. Es müsste mit dem Teufel zugehen, damit der "Hexer von Riga" das Match am letzten Tag noch drehen kann.
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Anand,V (2782) - Schirow,A (2725) [C88]
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In der Mainzer Rheingoldhalle stand der Sieg des weltbesten Schachspielers über Alexej Schirow bereits nach der siebten von acht Partien fest. Dank eines Remis lag Viswanathan Anand uneinholbar mit 4,5:2,5 in Front und gewann nach einem spektakulären Schlussrunden-Unentschieden letztlich souverän mit 5:3. Mit Weiß riskierte Anand zunächst nichts. "Ich konnte in der ersten Partie nur den Fingerfehler korrigieren", meinte Schirow, "ich stand aber auch diesmal schlechter und profitierte davon, dass Vishy mit dem Remis den Gesamtsieg abzusichern gedachte."
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Anand,V (2782) - Schirow,A (2725) [C88]
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Viswanathan Anand hatte genügend Muse, mit Ehefrau Aruna und Hans-Walter Schmitt beim Ordix Open zu kiebitzen.
In der letzten Begegnung ging der Wahl-Spanier aber nochmals aufs Ganze. Unbedingt wollte er seinen Mannschaftskameraden beim SC Baden-Oos bezwingen. Dabei machte der 32-Jährige erstmals richtig seinem Kampfnamen "Hexer von Riga" alle Ehre. "Da Alexander Morosewitsch im Publikum saß, wollte ich ihn nicht langweilen und spielte wie er", scherzte Schirow mit Blick auf die wild verwickelte Partie und die Eröffnung. "Ich besaß Initiative, aber ich sah leider keinen Gewinn", bedauerte Schirow. Mit erneut lediglich ein paar Sekunden auf der Uhr musste sich der Weltranglistenzehnte mit einem Dauerschach bescheiden, nachdem er zuvor den schwarzen König vom Damen- zum Königsflügel gejagt hatte. Während der abschließenden Treibjagd, in der sein König im Mittelpunkt stand, glaubte sich Anand verloren. Die von dem Inder angegebene Variante hielt Schirow indes nicht für ausreichend. Trotz des Remis strahlte der Herausforderer erstmals nach einer Partie. Der "Hexer" war doch noch ein bisschen glücklich geworden in Mainz.
Wenigstens am Schluss ein bisschen glücklich: Alexej Schirow.
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Schirow,A (2725) - Anand,V (2782) [C25]
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