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"Da muss Blut fließen"

WM-Herausforderer Peter Leko "bereit zum letzten Schritt: den Sieg über Kramnik"

Text und Fotos von FM Hartmut Metz, September 2004

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   Bereits mit zwölf Jahren kündigte der Ungar Peter Leko an, einmal Schach-Weltmeister zu werden. Nun ist der einst jüngste Großmeister aller Zeiten 25 und erhält in Brissago (Schweiz) vom 25. September bis 18. Oktober die Chance, auf den Schach-Thron zu steigen. Im Centro Dannemann heißt der Gegner in den 14 Partien Wladimir Kramnik. Der Weltmeister hatte 2000 seinen russischen Landsmann Garri Kasparow bezwungen, der sieben Jahre zuvor den WM-Titel vom Schach-Weltverband FIDE abgespalten und in Eigenregie vermarktet hatte. Vor dem Duell am Lago Maggiore unterhielt sich Hartmut Metz mit Herausforderer Peter Leko, der wegen seiner zahlreichen Verbindungen nach Dortmund - dort lernte er seine Ehefrau Sofie kennen - perfekt deutsch spricht.

 

Peter Leko

Der Herausforderer: Peter Leko

 

Frage: Herr Leko, Sie sind seit vielen Jahren Veganer. Ohne tierische Produkte fehlt manchem Vitamin B12, was zu Herzklopfen, Müdigkeit und Nervenstörungen führen kann. Schlechte Voraussetzungen, um Weltmeister zu werden.

Leko (lacht): Wenn es meine Fans beruhigt: Ich habe meine Ernährungsweise zuletzt umgestellt. Ich bin kein so strenger Vegetarier mehr, esse neuerdings Fisch und im Grunde genommen alles außer Fleisch. Deshalb befinde ich mich nervlich auf dem richtigen Weg.

 

Frage: Die meisten Weltmeister waren Egomanen. Sind Sie nicht zu nett für den Titel?

Leko: Es stimmt schon, ich muss aggressiv sein, um zu gewinnen.

 

Frage: Nachdem Sie und Wladimir Kramnik in Dortmund ihre jeweils zehn Turnierpartien alle remisierten, lästern viele Schachfans, Sie seien chancenlos auf den Titel angesichts der zu erwartenden 14 Remis in Brissago.

Leko (lacht): Diese Lästerzungen werden ziemlich überrascht sein, wie die Weltmeisterschaft verläuft. Das 7:7 würde in der Tat Kramnik reichen. Man darf jedoch nicht vergessen, dass er unter denselben Bedingungen Kasparow schlug, weshalb sie nun sein gutes Recht als Weltmeister sind. Aber auch Kramnik galt als Außenseiter und verlor keine einzige Partie gegen den Favoriten. Natürlich ist Kramnik ein fantastischer Spieler, die Statistik zeigt allerdings: So unangenehm er für Kasparow war, so bin ich es für Kramnik. Ich brauche also nur meine positive Bilanz gegen ihn auszubauen.

 

Wladimir Kramnik

Gibt ihm Peter Leko zu denken? Weltmeister Wladimir Kramnik.

 

Frage: Gerade Ihre direkten Partien endeten meist nach wenigen Zügen spannungsarm friedlich. Erinnern Sie sich überhaupt noch an das letzte entschiedene Duell gegen Kramnik?

Leko: Ich habe ihn bereits 1995 in Belgrad, bei einer unserer ersten Begegnungen, geschlagen. Drei Jahre später in Tilburg bezwang ich ihn mit Schwarz ebenfalls. Lediglich im spanischen Linares gelang ihm im Frühjahr ein Sieg über mich. Das war eine Superpartie, in der ich sehr gute Chancen ausließ, und die anschließend zur besten des Turniers gewählt wurde. Ansonsten haben wir in der Tat häufig remisiert. Es waren aber auch brillante Partien darunter wie in Monaco mit einem phänomenalen Schluss. Dieses Duell im Blindschach war ein Spiel auf absolut höchstem Niveau.

 










Leko,P (2605) - Kramnik,V (2735) [B64]
Belgrade Investbank (8), 1995

1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 6.Lg5 e6 7.Dd2 Le7 8.0-0-0 0-0 9.f4 h6 10.Lh4 Db6 11.Sxc6 bxc6 12.e5 dxe5 13.fxe5 Se4 14.Sxe4 Lxh4 15.Df4 Le7 16.Ld3 Tb8 17.b3 Dc7 18.Kb1 c5 19.Sf6+ Kh8 20.De4 g6 21.h4 Lb7 22.Df4 Kg7 23.Sg4 Th8 24.Tdf1 Tbf8 25.Sf6 Dd8 26.Dg3 h5 27.Dg5 Th7 28.Tf4 Kh8 29.Thf1 Lxf6 30.Txf6 Tg8 31.g3 De7 32.Df4 Tgg7 33.Tf2 Ld5 34.Kb2 Lc6 35.Lc4 Lb7 36.Td2 Tg8 37.Td6 De8 38.Df2 Le4 39.Dxc5 De7 40.Dd4 Lf5 41.Td7 De8 42.Dxa7 Tf8 43.a4 Kg8 44.a5 Dc8 45.a6 Dc6 46.Dc7 Dg2 47.Lxe6 Lxe6 48.Txe6 1-0

 

 










Kramnik,V (2780) - Leko,P (2665) [E60]
Tilburg Fontys (6), 29.10.1998

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.f3 e5 4.dxe5 Sh5 5.Sh3 Sc6 6.Lg5 Le7 7.Lxe7 Dxe7 8.Sc3 Dxe5 9.g4 Sg7 10.f4 De7 11.Sd5 Dd8 12.Dd3 0-0 13.Dc3 Se8 14.g5 Se7 15.Sf6+ Sxf6 16.gxf6 Sf5 17.e4 Te8 18.Sg5 c5 19.0-0-0 Sd4 20.e5 d6 21.Sf3 Lg4 22.Sxd4 Lxd1 23.Sb5 dxe5 24.fxe5 La4 25.Sd6 Te6 26.Lg2 Txd6 27.exd6 Dxd6 28.Lxb7 Te8 29.b3 Df4+ 30.Kb2 Te3 31.Td1 h5 32.Da5 Te2+ 33.Ka3 Df2 34.Dd8+ Le8 35.Td2 Txd2 36.Dxe8+ Kh7 37.Dxf7+ Kh6 38.Ka4 Txa2+ 39.Kb5 De3 40.Ld5 Dxb3+ 41.Kc6 Ta6+ 42.Kd7 Dh3+ 43.Le6 Dd3+ 44.Ke8 Dd6 45.De7 Dxe6 0-1

 

 










Leko,P (2722) - Kramnik,V (2777) [B33]
21st Super GM Linares ESP (11), 02.03.2004

1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 e5 6.Sdb5 d6 7.Lg5 a6 8.Sa3 b5 9.Lxf6 gxf6 10.Sd5 f5 11.Ld3 Le6 12.0-0 Lxd5 13.exd5 Se7 14.Dh5 e4 15.Le2 Lg7 16.c3 Tc8 17.Sc2 Tc5 18.Se3 f4 19.Sf5 0-0 20.a4 Sxf5 21.Dxf5 De7 22.axb5 axb5 23.Dxf4 Txd5 24.Tfd1 Te5 25.De3 f5 26.Db6 f4 27.Dxd6 Dg5 28.f3 e3 29.Ta7 Kh8 30.Dd7 Tg8 31.Dh3 Dg6 32.Tad7 Th5 33.T7d6 Lf6 34.Txf6 Dc2 35.Dxh5 Dxe2 36.g4 Df2+ 0-1

 

 










Kramnik (2777) - Leko (2722)
Amber 2004 Blindfold Monaco (3), 20.15.0023

1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 e5 6.Sdb5 d6 7.Lg5 a6 8.Sa3 b5 9.Lxf6 gxf6 10.Sd5 f5 11.Ld3 Le6 12.0-0 Lxd5 13.exd5 Se7 14.Te1 Lg7 15.c3 Dc8 16.Sc2 0-0 17.a4 e4 18.Lf1 bxa4 19.Se3 Db7 20.Sc4 Dxd5 21.Dxd5 Sxd5 22.Ted1 Sc7 23.Txd6 a3 24.Sxa3 Tfd8 25.Sc4 f4 26.Tc6 Se6 27.Te1 a5 28.Txe4 Td1 29.Td6 Tb1 30.Td5 a4 31.g3 Lxc3 32.Sb6 a3 33.Sxa8 axb2 34.Tb5 Ta1 35.Tc4 Sd4 36.Tb8+ Kg7 37.Txc3 Se2+ 38.Kg2 Sxc3 39.Txb2 Txa8 40.Tb3 Se4 41.Tb4 f3+ 42.Kxf3 Sd2+ 43.Kg2 Sxf1 44.Kxf1 h5 45.Kg2 Kg6 46.Kh3 Ta2 47.Tf4 f6 48.Kh4 Tb2 49.h3 Ta2 50.f3 Tf2 51.g4 hxg4 52.Txg4+ Kh6 53.Kg3 Ta2 54.h4 Ta5 55.Tf4 Kg6 56.Kg4 Tb5 57.Ta4 Tc5 58.Ta6 Tb5 59.f4 Tc5 60.f5+ Txf5 61.h5+ Txh5 62.Txf6+ Kxf6 63.Kxh5 1/2-1/2

 

Frage: Also sind nicht alle Vergleiche zwischen Ihnen blutarm.

Leko: Partien während eines Turniers und ein Zweikampf sind zweierlei Paar Stiefel. In einem Turnier entscheidet sich Platz eins nicht dadurch, dass Leko Kramnik schlägt oder Leko Kasparow beziehungsweise Anand. Oft denkt man, lieber da Kräfte sparen und dann die Außenseiter schlagen. Bei einem Match hilft solch eine Taktik nicht - da muss Blut fließen.

 

Frage: Kramnik hält Sie für seinen schwerstmöglichen Gegner. Ist das nur eine Alibi-Behauptung, um den Wert des WM-Kampfs zu steigern?

Leko: Wie gesagt: Ich habe +1 gegen ihn und bisher erst eine Partie in meinem Leben gegen Kramnik verloren. Und das war in Linares, als ich unbedingt gewinnen wollte, er mich jedoch mit einem famosen Konter noch ausknockte. Das sind die Tatsachen. Mich interessiert jedoch keine Statistik, sondern allein der Gewinn der Weltmeisterschaft.

 

Frage: Was zeichnet Kramniks Schach aus?

Leko: Er hat natürlich unglaubliches Schachverständnis, große Erfahrung und ist fantastisch vorbereitet. Sein Stil ist universell, er spielt sehr solide. Das hat er gegen Kasparow bewiesen. Kramnik besitzt vielleicht sogar das größte Schachverständnis von allen. Er verliert vielleicht eine Partie pro Jahr - und meist nur dann, wenn er selbst einmal überzieht. Ihn zu schlagen, ist sehr, sehr schwer, fast unmöglich. Aber völlig Unmögliches gibt es nicht im Sport, das will ich beweisen. Es stellt für mich eine Herausforderung dar, Kramnik zu schlagen.

 

Frage: Wo liegen seine Schwächen?

Leko: Die hat er natürlich auch. Aber über die möchte ich nicht reden - die will ich schließlich ausnutzen. Gleiches versucht er bei mir. Er hat meine Schwächen, die ebenso da sind, sicher genauso studiert - nun besteht die Aufgabe darin, die Schwächen möglichst einen Monat zu vertuschen (grinst)!

 

Peter Leko

Mit seinem Sieg in Essen begann Peter Lekos Erfolgsserie.

 

Frage: Sie fielen nach der Qualifikation für das WM-Finale in der Weltrangliste auf Platz zehn zurück, inzwischen stehen Sie wieder auf Position fünf. Gab es ein Motivationsloch?

Leko: Die vergangenen zwei Jahre waren eigentlich meine besten. Es begann mit den Siegen beim Weltpokal in Dubai und in Essen, danach gewann ich souverän die WM-Qualifikation in Dortmund und wir wurden mit der ungarischen Nationalmannschaft Zweiter bei der Schach-Olympiade. Anschließend siegte ich in Linares vor Kasparow, Anand, Kramnik und Ponomarjow. Ich fühlte mich daher Mitte 2003 in Glanzform und in Siegeseuphorie für das Match. Danach wurde ich bitter enttäuscht, weil die WM mangels Sponsoren immer wieder verschoben wurde. Das belastete mich doch ziemlich. Dir bietet sich eine einmalige Chance, du glaubst, sie am Schopfe packen zu können - und es passiert nichts. Die Wahrheit für mein Abrutschen in der Weltrangliste ist jedoch vor allem: Ich verlor in Dortmund 20 Elo-Punkte, weil ich in ein paar Partien Pech hatte. Bei allen anderen Wettbewerben spielte ich danach nahezu perfekt. In Wijk aan Zee und Linares wurde ich Zweiter, in Moskau war ich bester Akteur der armenischen Auswahl gegen den Rest der Welt und schlug Vishy Anand. Und jetzt in Dortmund nahm ich mir, ehrlich gesagt, nicht viel vor. Ich wusste zwar, dass ich dort Praxis sammeln muss, aber richtig motivieren konnte ich mich so kurz vor der WM nicht. Ich opferte quasi Dortmund, um ein noch höheres Ziel zu erreichen. Gelingt mir dies, dann hat sich das Opfer in Dortmund gelohnt.

 

Frage: Als Sie vor über zehn Jahren jüngster Großmeister aller Zeiten wurden, war der WM-Titel immer Ihr Ziel. Gab es auch Zweifel daran?

Leko: Als ich das mit zwölf hinausposaunte, da schien alles so leicht. Ich galt als eines der größten Talente aller Zeiten und war stets bereit, hart zu arbeiten. Was sollte mich also bremsen, fragte ich mich in meinem kindlichen Glauben. Mit der Zeit verstand ich dann erst, wie schwer es ist, ganz nach oben zu kommen und sah, dass andere auch etwas können. Irgendwann begriff ich, dass ich mich von Etappe zu Etappe hangeln muss und nicht nur auf das große Ziel fixiert sein darf. Mit der deutschen Taktik, wie wir sie in Ungarn nennen, Schritt für Schritt, ging es danach voran. Ich wollte in die Top Ten, das gelang mit 19. Anschließend wollte ich mich etablieren und dann in die Top Sechs. Seit 2002 zähle ich mich zu den Top 4, die bei den stärksten Turnieren vorne liegen. Und jetzt bin ich bereit für den letzten Schritt: den Sieg über Kramnik.

 

Frage: Kramnik wie Sie werden von einem Manager betreut: dem Dortmunder Carsten Hensel. Sorgt das für Probleme, dass ein Freund, der Sie seit zehn Jahren fördert, auch zum Rivalen halten muss?

Leko: Nein, das interessiert mich momentan überhaupt nicht. Es war sogar ein Vorteil, dass Carsten beide betreut. So sind die Interessen aller leichter unter einen Hut zu bekommen. Er musste eine schwierige Phase überstehen und alles Erdenkliche tun, um einen Sponsor für die WM zu finden. Die Probleme, etwas auf die Beine zu stellen, sind auch auf der Seite der FIDE zu sehen.

 

Frage: Sie gelten als der beste Sportler in der Weltspitze, liebäugelten auch mit einer Karriere als Profi-Fußballer. Wie wichtig ist körperliche Fitness im Schach?

Leko: Ohne geht es nicht. Jeder Topspieler macht etwas für seinen Körper. Anders kann man es nicht aushalten, zehn, zwölf Stunden monoton am Schachbrett Ideen zu entwickeln und zu trainieren. Ich selbst spiele noch immer sehr gerne Fußball - in dem halben Jahr vor der WM erlegte ich mir allerdings eine Zwangspause auf, um mich nicht wie 2003 zu verletzen. Damals konnte ich eineinhalb Monate kaum gehen. Meine Frau wollte mich nur noch über ihre Leiche aufs Fußballfeld lassen ... Mein Herz ist bei jeder Sportart voll dabei, ich kann keinen Alibi-Fußball spielen. So bleibt eben ein gewisses Restrisiko. Folglich schaltete ich um auf Fitnessstudio, Tischtennis, Squash, Tennis und Bowling, das ich gerne spiele. All das betreibe ich natürlich sehr intensiv.

 

Frage: Wie sieht Ihr Tagesablauf vor der WM aus? Was und wie viel trainiert der Herausforderer?

Leko: Nach Dortmund ging ich gleich ins Trainingslager und arbeitete täglich zehn, zwölf Stunden mit meinem Team. Über die Details möchte ich keine Worte verlieren. In den letzten Tagen vor dem Match reduziere ich das Pensum, um voller Energie in die erste Partie zu gehen.

 

Robert Hübner, Wladimir Kramnik

Wladimir Kramnik schlug im Centro Dannemann bereits die deutsche Nationalmannschaft.

 

Frage: Ihr Kontrahent Kramnik raucht und hat deshalb kein Problem mit dem Zigarren-Hersteller Dannemann als Sponsor der WM. Stört Sie als Gesundheitsapostel der Geldgeber?

Leko: Überhaupt nicht. Ich habe seit meinem zwölften Lebensjahr einen sehr bewussten Lebenswandel, doch jeder mag es anders - und ich sehe keinen Grund, jemanden bezüglich seiner Gewohnheiten zu beeinflussen. Ich freue mich vor allem, dass wir einen Sponsor fanden. Das ist für mich das absolut Wichtigste, um meinem Ziel Weltmeister näher zu kommen.

 

Frage: Angenommen, Sie gewinnen eine Partie und erobern den WM-Titel: Wie geht es danach weiter? Gibt es einen neuen Zyklus? Kommt das Vereinigungsmatch gegen Garri Kasparow?

Leko: Oh, momentan belastet diese Frage Kramnik sicher mehr als mich. Ich bin froh, dass ich mir dazu noch keine Gedanken machen oder aus dem Fenster lehnen muss.

 

Frage: Sie sind nicht darauf eingegangen: Das WM-Match von Rustam Kasimdschanow, mehr oder minder Zufalls-Weltmeister der FIDE, ist doch vom ersten Zug an gelaufen. Alles andere als ein Kantersieg von Kasparow wäre eine Sensation.

Leko: Erst einmal muss das Match angekündigt werden - und nicht nur das, sondern auch tatsächlich stattfinden. In den vergangenen Jahren war immer alles angeblich klar und nichts passierte. Ich hoffe, dass das Match zu Stande kommt. Kasparow wäre dann natürlich der Favorit.

 

Frage: Ein Freund sagte, "Kasparow verwaltet nur noch seine Elo-Zahl", um mit dieser in der Weltrangliste vorne zu bleiben. Der Weltranglistenerste spielt fast keine Turniere mehr und büßt daher auch kaum Punkte in dem starren Ratingsystem ein.

Leko: Wenn ich mich richtig erinnere, datiert sein letzter großer Turniersieg in Astana vom Mai 2001. In Linares blieb ihm die beiden letzten Male ebenso Platz eins verwehrt. Vieles deutet darauf hin, dass er noch einer der Besten ist - aber man kann ihn nicht mehr als die Nummer eins sehen. In letzter Zeit spielt Anand fantastisch. Okay, wir haben uns schon seit zehn Jahren daran gewöhnt. Momentan zeigt Anand aber sehr konstante Leistungen. Im Schnellschach ist er unschlagbar, im klassischen Schach kann ich das aber nicht behaupten. Da freue ich mich stets auf Duelle mit ihm.

 

Frage: Ist der Inder Anand, der von Turniersieg zu Turniersieg eilt, also der weltbeste Großmeister?

Leko: Nein, das würde ich nicht sagen. Ich habe gegen ihn in Wijk aan Zee, Moskau und zweimal in Dortmund gespielt und war in keiner Partie in Schwierigkeiten. In Moskau schlug ich Vishy und kontrollierte ihn auch gut in den anderen Begegnungen. Vishys Vorteil besteht meiner Ansicht nach darin, dass er die ein bisschen schwächeren Großmeister viel häufiger schlägt als die anderen. Deswegen beherrscht er solche Turniere wie Wijk aan Zee perfekt. Ich kann mir gar nichts anderes vorstellen, als dass er dort mindestens +4 macht. Für die anderen ist es ganz schwierig, das ebenso zu erreichen.

 

Viswanathan Anand

Im Schnellschach unschlagbar, aber laut Leko im klassischen Schach nicht stärker: Viswanathan Anand.

 

Frage: Der logische Schluss: Die meisten sind der Ansicht, Anand sei derzeit der Beste. Sie sagen, Sie seien stärker. Das bedeutet: Leko ist die wahre Nummer eins ...

Leko: Nein, ich versuchte nur zu erklären, dass es derzeit keine absolute Nummer eins gibt. Jeder hat unangenehme Gegner. Vishy hat Dortmund auch nur im Blitzen gewonnen. Auf jeden Fall ist er aber einer der Besten, keine Frage.

 

Frage: Beschäftigen Sie neben der WM-Vorbereitung die Vorgänge um den in Japan inhaftierten Bobby Fischer? Sie haben mit ihm häufig trainiert, als er sich in Ungarn versteckte.

Leko: Wir hatten damals ein wirklich gutes Verhältnis. Ich verfolge über die Medien, was mit ihm geschieht. Der Kontakt ging jedoch vor vier, fünf Jahren verloren. Ich drücke ihm die Daumen, dass sich die Situation in Japan in seinem Sinne löst.

 

Frage: Fischer verschwand nach seinem WM-Sieg 1972 von der Bildfläche und verlor seinen Titel kampflos an den Russen Anatoli Karpow. Drehen Sie nach Ihrem WM-Sieg auch durch und treten ab?

Leko (lacht): Erst einmal muss ich den Titel holen, dann kann ich darüber nachdenken. Aber ich glaube, diese Gefahr droht mir nicht. Ich bin erst 25 und habe noch viel Freude am Schach. Ich fühle noch einiges Potenzial in mir für weitere Fortschritte.


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