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Deutsche Großmeister zu nett und vielseitig für die Weltspitze

Schach-Weltmeister Wladimir Kramnik spielt gegen Nationalmannschaft

von FM Hartmut Metz, Januar 2004

mehr Schachtexte von Hartmut Metz

 

Wladimir Kramnik

Wladimir Kramnik

 

   Vier gegen einen: Schach-Weltmeister Wladimir Kramnik misst sich am Donnerstag (16 Uhr) am Lago Maggiore mit der kompletten deutschen Nationalmannschaft. Die war 2000 immerhin die zweitbeste auf dem Globus. Das Uhrenhandikap-Simultan für den 28-jährigen Russen ist bei den Dannemann Classico im schweizerischen Brissago eine besondere Herausforderung. Sitzt Kramnik an einem Brett, können im ungünstigsten Fall auch die Uhren an den drei anderen ticken. Somit sind schnelle und gute Entscheidungen gegen die vier deutschen Großmeister Robert Hübner, Christopher Lutz, Rustem Dautov und Klaus Bischoff gefordert. Mit Weltmeister Kramnik sprach Hartmut Metz.

 

Frage: Herr Kramnik, sollten Sie nicht gegen Peter Leko um die Weltmeisterschaft spielen, anstatt sich am Donnerstag gegen die deutsche Nationalmannschaft zu plagen?

Kramnik: Eins nach dem anderen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir 2004 endlich Sponsoren für das WM-Match finden. Ich halte mich derweil mit einigen Turnieren und dem Duell gegen die Deutschen in Form.

 

Frage: Beim Weltklasseturnier im niederländischen Wijk aan Zee lief es für Sie aber bis Sonntag mit einem Platz im Mittelfeld alles andere als gut. Wie wollen Sie da gegen ein deutsches Quartett bestehen?

Kramnik: Ich rechne mit einem knappen Ausgang. Vor vier Jahren gewann ich ein ähnliches Match gegen die schweizerische Nationalmannschaft mit 4:2. Die war aber nicht so stark wie jetzt die deutsche, weshalb ich damals an sechs Brettern spielen konnte. Mit einem 2,5:1,5-Sieg wäre ich hochzufrieden. Ein 2:2 würde mich auch nicht unglücklich machen. Natürlich will ich nicht verlieren, auch wenn mir die vier deutschen Großmeister alle sympathisch sind.

 

Frage: Spitzenspieler Christopher Lutz hatten sie schon in Ihrem Sekundantenteam.

Kramnik: Ja, bei meinem 4:4 gegen das Programm Fritz in Bahrain fungierte Christopher als mein Trainer. Er spielt auf hohem Niveau, hat ein tiefes Verständnis. Das merkte ich bei unserer Zusammenarbeit.

 

Frage: Trotzdem hat es ihm nie ganz gereicht, um in die absolute Weltspitze vorzustoßen. Nach großen Erfolgen 1992 hatte man Lutz den Sprung in die Top Ten zugetraut. Woran mangelt es dem Kölner?

Kramnik (schmunzelt): Ich denke, er ist ein zu guter Mensch, freundlich, nett und weich. Er kämpft weniger hart als manch anderer Gegner. Zudem ist er nicht nur auf Schach fixiert wie viele Großmeister, sondern arbeitet auch wissenschaftlich mit Computern. Für die Top Ten muss man Schach leben, Tag und Nacht nichts anderes denken und machen.

 

Frage: Das heißt, Sie sind ein übler Bursche, der deswegen Weltmeister ist?

Kramnik (lacht): Ich hoffe nicht und glaube, dass ich einen positiven Charakter besitze. Ich arbeite eben anders wie Christopher täglich am Brett. Für mich ist Schach die Hauptsache.

 

Frage: Wie sieht Ihre Taktik gegen Rustem Dautov, den Trainer von Ex-Weltmeister Viswanathan Anand, aus?

Kramnik: Er ist der einzige deutsche Topspieler, mit dem ich noch nie die Klingen kreuzte. Er spielt vorbildlich positionell, ganz die russische Schule. Wenig verwunderlich, dass ihn Anand als Coach verpflichtete. Nur taktisch hat Rustem Schwächen. Ich werde wohl versuchen, das auszunutzen.

 

Frage: Ihr dritter Kontrahent, der 55-jährige Robert Hübner, hat es wohl deshalb nie in seinen Glanzzeiten zum Weltmeister gebracht, weil er zu kritisch ist, speziell mit sich selbst. Zudem hat er zu viele andere Interessen.

Kramnik: In der Tat, für ihn gilt wie für Christopher, dass er zu nett ist. Er gilt auch als Sprachforscher als Koryphäe. Das ist sein Problem. Ich hab's einfacher: Ich kann nur Schach gut (grinst). Wenn der Rest katastrophal ausfällt, macht's das einfacher, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren (lacht). Robert war mehr Amateur als Profi und spielt inzwischen nicht mehr viel, aber einst zählte er zu den besten drei Großmeistern der Welt. Ich erinnere mich an 1992, als ich als Kind in Dortmund zuschaute, wie er dort Weltmeister Garri Kasparow eindrucksvoll schlug. Ich respektiere ihn, er wird für immer einen Ehrenplatz in der Schach-Geschichte innehalten.

 

Frage: Und Ihr vierter Gegner im Centro Dannemann, Klaus Bischoff?

Kramnik: Er kennt mich wahrscheinlich besser als jeder andere. Bei meinem Lieblingsturnier in Dortmund arbeitet er jedes Jahr als Kommentator und hat sich deshalb ständig mit meinen Partien beschäftigt.

 

Frage: Ein frühes Unentschieden in einer der vier Partien wäre für Sie von Vorteil. Sie könnten sich dann mehr auf das verbleibende Trio konzentrieren. Die Taktik hat sich bewährt, als Kasparow 1991 das deutsche Quartett mit Matthias Wahls, Eric Lobron, Gerald Hertneck und Vlastimil Hort in Baden-Baden mit 3:1 schlug.

Kramnik: Nein, ich will kein frühes Remis. Sollte ich irgendwo leichten Vorteil in diesem Simultan haben, will ich diesen auch nutzen. Zudem bezweifele ich, dass die Deutschen Interesse an frühen Unentschieden haben. Auch wenn Kasparow von dem frühen Unentschieden profitierte, verzeichnete er damals ein sehr gutes Resultat. Meine Aufgabe ist aber noch schwieriger.

 

Frage: In der Vergangenheit wurde häufig Ihr Spielstil kritisiert. Er sei zu klinisch steril, zu wenig auf Risiko ausgelegt. Eben kein Kasparow, der die Gegner anspringt und vernichten will.

Kramnik: Die unterschiedlichen Stile machen Schach interessant. Oft wird der Grundstein dafür schon in der Kindheit gelegt. Mein erstes Schachbuch war eines von Anatoli Karpow. Ich bin nicht stolz auf meinen positionellen Stil, aber ich brauche mich dafür auch nicht zu schämen. Wenn man damit Weltmeister wird, muss er zumindest beachtet werden. Es gab ebenso Phasen, in denen ich aggressiver zu Werke ging. Kasparow ist ein genialer Spieler, keine Frage, aber ein ganz anderer Charakter als ich: Ich sehe die Schönheit des Schachs und nehme es sportlich. Er fühlt sich als Leithammel, der im Mittelpunkt der Scheinwerfer steht. Ich kann auch andere Meinungen als meine akzeptieren und mag viele meiner Profi-Kollegen.

Internet: www.dannemann.com

 


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