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Dank Zwillingen zurück in die Weltspitze

Privates Glück verhilft Peter Swidler zu Comeback / Chess960-Match in Mainz gegen Peter Leko

von FM Hartmut Metz, August 2003

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   Peter Swidler ist einer der originellsten Großmeister im Schach-Zirkus - auf dem Brett wie abseits davon. Hier wie dort sind seine Kommentare einfallsreich und launisch. Als dreifacher russischer Meister schien der St. Petersburger Ende des vergangenen Jahrtausends durchaus das Talent zu besitzen, in die Phalanx der Anand, Kasparow und Kramnik einbrechen zu können. Doch Swidler stürzte ab und kehrte erst in der Juli-Weltrangliste wieder in die Top Ten zurück. Hartmut Metz sprach mit dem 27-Jährigen, der bei den Chess Classic Mainz (13. bis 17. August in der Rheingoldhalle) gegen WM-Finalist Peter Leko (Ungarn) ein Match im Chess960 austrägt.

 

Peter Swidler

Peter Swidler

 

Frage: Herr Swidler, 1999 waren Sie bereits mit 2713 Elo die Nummer acht auf dem Globus. Danach erlebten Sie einen Rückschlag und erholten sich erst jetzt mit der persönlichen Bestleistung von 2723. Woran lag's?

Peter Swidler: Ich brauchte in der Tat eine Weile. So wie es aussieht, gelingt es mir dieses Jahr endlich wieder, anständiges Schach zu spielen. Ich denke, es hilft einem viel. im Leben, abseits des Schachbretts zufrieden zu sein.

 

Frage: Sie beziehen sich auf Ihre Scheidung? Im vergangenen Jahr bekam Ihre zweite Ehefrau kurz vor den Chess Classic Mainz Zwillinge - prompt gewannen Sie das Chess960-Turnier.

Swidler: Ich bevorzuge es, nicht viele Worte über mein Privatleben zu verlieren. Aber ich muss gestehen, Vaterschaft ist ein fantastisches Gefühl. Ich genieße jede Minute dieser Rolle. Leider geht das nur, wenn ich zu Hause bin - und die letzten sechs Monate war das bedauerlicherweise allzu selten der Fall. Aus schachlicher Sicht hatten die vielen Engagements aber natürlich auch ihr Gutes.

 

Frage: Mit dem Open-Sieg beim Chess960 begann Ihr Comeback. Hat die Schachvariante mit Auslosung der Grundstellung Ihren Geist inspiriert, unkonventioneller zu denken?

Swidler: Das wäre zu viel gesagt. Ich denke, mein Comeback begann mit der Geburt meiner Kinder. Inwieweit Chess960 mein Denken beeinflusste, kann ich nicht sagen. Bisher spielte ich zu wenig Chess960, um ernsthafte Schlüsse daraus ziehen zu können. Sicher kann es aber helfen, Intuition und taktische Wachsamkeit zu stärken, weil man sich nicht mehr auf sein Wissen verlassen kann. In jeder Partie musst du dabei improvisieren.

 

Frage: Um die Improvisationskunst zu reduzieren, streben die meisten Spieler gewohnte Stellungsbilder an.

Swidler: Ja, normale Stellungen kommen nahezu in jeder Begegnung zu Stande - spätestens im Endspiel. Was ich im Vorjahr zu umgehen versuchte, waren symmetrische Stellungen mit Schwarz, um so viel Spaß wie möglich zu haben. Aber das erklärt vielleicht auch, warum am ersten Tag all meine fünf Partien von Weiß gewonnen wurden ...

 

Frage: Welcher Unterschied ist Ihrer Ansicht nach am gravierendsten zwischen beiden Schacharten?

Swidler: Natürlich fehlt die Eröffnungstheorie. Einige der Startaufstellungen sind viel besser für Weiß - aber manche scheinen mir auch völlig ausgeglichen zu sein. Deshalb gehört eine Portion Auslosungsglück dazu, welche Position man zu Beginn bekommt.

 

Frage: Sie gelten als einer der einfallsreichsten Großmeister. Kommt Ihnen dieser Vorzug im Chess960 besonders zugute?

Swidler: Bisher habe ich in nur einem Chess960-Turnier gut gespielt, so dass es zu früh für die Behauptung ist, ich hätte gegenüber irgendjemandem riesige Vorteile. Aber ich liebe es in der Tat, am Brett kreativ zu sein - und Chess960 bietet mir viele Gelegenheiten dafür.

 

Frage: Peter Leko schlug im ersten inoffiziellen WM-Match in Mainz Michael Adams. Welches Resultat erwarten Sie im Chess960-Duell mit dem ungarischen Weltranglistenvierten?

Swidler: Ich hoffe auf ein enges, interessantes Match. Peter muss als Favorit gelten: Er ist in der Form seines Lebens und ein sehr kreativer Spieler, der sich auf neue Herausforderungen freut. Er ist nicht umsonst mehrfacher Janus-Weltmeister (Anmerkung: Eine weitere Schachvariante, bei der das Brett 8x10 Felder umfasst und zwei Figuren, die wie Springer und Läufer ziehen dürfen, der Janus, die Möglichkeiten erweitern).

 

Frage: Trauen Sie sich zu, in die Top 5 oder gar Top 3 vorzustoßen?

Swidler: Ich stecke mir keine konkreten Ziele - besonders derzeit nicht, wenn keiner weiß, wie es in der Schachwelt weitergeht. Ich versuche mein Spiel zu verbessern und warte ab, wie weit ich damit komme.

 

Frage: Ihr neuer Mannschaftskamerad beim Bundesligisten Baden-Oos, Alexej Schirow, liegt einen Platz vor Ihnen. Bis auf Platz vier hängen alle dicht beisammen. Welche Unterschiede sehen Sie zwischen ihm, Peter Leko und Ihnen? Oder gar zu den großen Drei, Anand, Kramnik und Kasparow?

Swidler: Der Hauptunterschied besteht in der Konstanz, würde ich sagen. Ich habe gegen alle eine passable Bilanz, aber ich muss mehr Schwankungen als sie hinnehmen. Die Stile zu vergleichen, scheint mir unmöglich. Du kannst nicht in die Top Ten gelangen, ohne ein universeller Spieler zu sein. Alexej wird als stärkster Angreifer seiner Generation gehandelt - in manchen Jahren hätte er jedoch mehr Punkte gesammelt, wenn er ein exzellenter Endspiel-Kenner wäre. Die Klischees sind alle relativ.

 

Frage: Im vergangenen Jahr fehlten Baden-Oos hinter der Spitze Anand, Swidler und Michal Krasenkow ein paar Killer, um Meister Lübeck und Köln-Porz anzugreifen. Ist Ihr deutscher Verein nun mit Schirow und dem Spanier Francisco Vallejo Pons stark genug für den Titel?

Swidler: Wir hatten mit Spitzenspieler Viswanathan Anand nur einen Killer. Unser Problem bestand jedoch in den Brettern weiter hinten. Mit Alexej und Francisco besitzen wir eine längere Bank. Auch die jungen Burschen wie Fabian Döttling, Andreas Schenk und andere haben nun mehr Erfahrung als im Aufstiegsjahr. Den Titel zu holen, ist nicht leicht - aber wenn wir die Schlüsselspiele gewinnen, warum nicht?

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