Stefanowa meidet das RampenlichtDie schöne bulgarische Weltranglistenvierte will kein Glamourgirl wie Alexandra Kostenjuk seinvon FM Hartmut Metz, November 2003 |
Für ihre Fans die hübscheste Schachspielerin auf dem Planeten: die Bulgarin Antoaneta Stefanowa. Foto: Metz
Antoaneta Stefanowa zählt zu den besten Schachspielerinnen auf dem Planeten. Derzeit wird die 24-Jährige auf Platz vier der Weltrangliste geführt. Für ihre zahlreichen Fans ist die Bulgarin die absolute Nummer eins - und zumindest dem Aussehen und ihrem Wesen nach von keiner anderen Schachspielerin zu toppen. Warum Antoaneta Stefanowa dennoch nicht auf den Spuren von Glamourgirl Alexandra Kostenjuk wandeln mag, verriet die Großmeisterin aus Sofia beim Curaçao International Gateway Tournament im Interview mit Hartmut Metz.
Frage: Frau Stefanowa, Sie lagen als Weltranglistenzweite mit 2560 Elo weit vor Ihren Verfolgerinnen. Seitdem geht es jedoch bergab.
Antoaneta Stefanowa: Und es geht weiter abwärts. Es sieht so aus, als ob das gar nicht mehr aufhören will (lacht). Ich setze nur die Tradition der Europameisterinnen fort: Nachdem sie den Titel gewannen, gerieten alle in die Krise (grinst). Ich weiß nicht, ob mich die Leute vor dem Titelgewinn für eine gute Schachspielerin hielten, danach stiegen jedenfalls die Erwartungen gewaltig. Ich komme mit dem Druck seitdem nicht mehr klar. Wenn man darüber nachdenkt, wird es schlechter und schlechter. Die Spirale führt nach unten.
Frage: Sie kümmern sich demnach stark um den Druck von außen?
Stefanowa: Normalerweise eigentlich nicht. Gut, hinzu kam bei mir noch, dass ich ein Studium der Wirtschaftswissenschaften begann und zwei Wohnungen in Bulgarien kaufte. Das beschäftigt mich doch sehr, weshalb ich mich zuletzt nicht so auf Schach konzentrieren konnte, wie es sein sollte. Außerdem habe ich angefangen, Schach zu trainieren. Das war ganz schlecht für mich (lacht)!
Frage: Das heißt, Sie hatten bis dato nie einen Trainer?
Stefanowa: In der Tat, ich arbeitete noch nie mit einem hauptamtlichen Trainer zusammen. Es steigerte mein Wissen. Doch wenn man von einem Niveau auf das andere klettert, bringt einen das ein bisschen durcheinander. Ich sehe nun mehr am Brett, kann es aber nicht gleich einordnen - und gerate folglich in Zeitnot. Hier auf Curaçao gelang mir die Umstellung von der FIDE-Bedenkzeit mit eineinhalb Stunden plus 30 Sekunden pro Zug auf 40 Züge in zwei Stunden nicht. Ich wundere mich immer, wo die zusätzliche halbe Minute bleibt ... Am Anfang meine ich, alle Zeit der Welt zu haben - und am Schluss fehlt sie (grinst). Ich habe die Umstellung mehr schlecht als recht auf die Reihe vollzogen, obwohl ich eigentlich die durch den Wechsel entstehenden Probleme leicht bewältigen sollte.
Frage: Dafür, dass Sie bisher keinen Trainer hatten, sind 2560 Elo enorm.
Stefanowa: Ich bedauere es sehr, dass ich nie einen Coach hatte. Das hätte sicher manches einfacher gemacht und Energie gespart - ich würde vielleicht sogar besser Schach spielen (lacht). Nun versuche ich es eben jetzt, den Denksport ernsthafter zu betreiben. Als Kind konnte mich der Verband nicht unterstützen, obwohl ich 1989 Weltmeisterin wurde. Die Zeiten waren schlecht, es fehlte während der politischen Veränderungen in den 90er Jahren das nötige Geld. Auch alle Klubs in Bulgarien lagen darnieder. Natürlich kümmerte sich mein Vater um mich und tat bei Turnieren sein Bestes. Er kaufte auch alle nötigen Bücher.
Frage: Wie stark spielt Ihr Vater?
Stefanowa: Er ist von Beruf Künstler, er malt. Für einen Amateur ist er ganz gut und besitzt eine Spielstärke von etwa 2100 Elo.
Frage: Wie bewerten Sie die Situation in der Damen-Weltrangliste? Vorne die alle weit überragende Judit Polgar, dahinter nahezu gleichauf mehrere Großmeisterinnen wie Pia Cramling und Almira Skriptschenko ...
Stefanowa: Nicht zu vergessen die Chinesinnen. Der Unterschied zwischen Judit und den anderen ist gewaltig. Es wäre schön, wenn wir mehr Frauen wie sie in der Weltspitze hätten. Im Moment sieht es aber nicht danach aus.
Frage: Sie trauen sich also keine 2600 Elo zu?
Stefanowa: Ich weiß nicht. Ich hatte ohne anständige Arbeit 2560. Deshalb sollte es nicht gänzlich unmöglich sein, dies zu erreichen - auch wenn es momentan nicht danach aussieht und viele trotz jahrelanger Arbeit an diesem Ziel scheiterten. Ich glaube, ich kann es aber schaffen. Ob ich nun Nummer zwei, drei oder fünf bei den Damen bin, halte ich dabei für weniger entscheidend. Das sind nur Zahlen. Wichtig ist, dass man gut Schach spielt.
Frage: Hat sich die Situation für Schachspieler in Bulgarien inzwischen wieder verbessert? Ihr kleines Land brachte Asse wie Sie, Wesselin Topalow und Kiril Georgiew hervor.
Stefanowa: Bulgarien hat eine lange Schach-Tradition. Die Leute achten darauf, was sich im Schach tut. Es war nur schade, dass Topalow die letzten beiden Olympiaden nicht mitspielte, und Kiril Georgiew sich dem mazedonischen Verband anschloss. Das liegt noch immer an der ökonomischen Situation, die sich zwar langsam verbessert, aber schwierig bleibt.
Frage: Ihre Popularität in Bulgarien hat auch Schattenseiten: Sie ärgerten sich maßlos über einen zweiseitigen Zeitungsartikel, der sich grundlos mit der viele Jahre zurückliegenden Scheidung Ihrer Eltern widmete.
Stefanowa: Ja. Das Problem begann damit, dass ich in der beliebtesten Talkshow des Landes zu Gast war. Drei der acht Millionen Einwohner verfolgen sie für gewöhnlich. Wer dazu eingeladen wird, wird automatisch populär. Ich bin nicht sicher, ob ich das überhaupt will. Ich musste dennoch hin, um etwas fürs Schach zu tun. Die wollten sehen, wie ein echter Schachspieler im Original aussieht ... Nun kennt mich jeder - doch vorher war mein Leben angenehmer.
Frage: Sie schätzen die Popularität weniger?
Stefanowa: Wenn sich niemals einer für einen interessieren würde, wäre es selbstverständlich auch schlecht (lacht). Aber im Zentrum des Interesses wie Show-Stars möchte ich nicht stehen. Für die ist das normal. Ich stehe lieber fern des Rampenlichts - ich brauche es auch nicht. Wenn sich jemand für meine Ergebnisse als Schachspieler interessiert, dann ist das okay. Manche Leute überschreiten aber plötzlich Grenzen. Das ist vor allem dann fürchterlich, wenn private Dinge von Menschen um dich herum in den Mittelpunkt gerückt werden.
Frage: Bei der Europameisterschaft im heimischen Plovdiv fiel die Resonanz zunächst auch positiv aus.
Stefanowa: Unsere Mannschaft startete sehr gut. Ich gewann gegen Nino Churtsidze und Alisa Galliamowa, so dass wir Georgien schlugen und gegen Russland remisierten. Zwischendurch setzte ich mein "bescheuertes" Studium fort (lacht) - und verlor dann drei Partien in Folge. Normalerweise bin ich eine zuverlässige Punktesammlerin in Mannschaftswettbewerben und verliere höchst selten. Aber gleich drei Partien, das war zu viel. So fielen wir von Platz eins nach fünf Runden, als uns jeder erzählte, dass wir eine Medaille holen, noch weit zurück. Wir gewannen bis auf die letzte Runde keine einzige Partie mehr.
Frage: In Deutschland kenne ich einige Fans von Ihnen, die Sie für die hübscheste Großmeisterin halten. Die Rolle einer Alexandra Kostenjuk als Schach-Modell kommt für Sie aber nach Ihren bisherigen Aussagen wohl kaum in Betracht?
Stefanowa: Ich finde es gut, dass jemand Publicity für Schach macht. Ich selbst möchte nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mir das gefiele. Ich bevorzuge diesbezüglich ein ruhigeres Leben, auch wenn ich dadurch vielleicht weniger Einladungen zu Turnieren erhalte oder Sponsoren bekomme. Alexandra versteht es jedenfalls, sich gut zu verkaufen. Es wäre löblich, wenn wir mehr Leute dieses Kalibers haben. Meine Freundin Almira Skriptschenko möchte ebenso etwas in diese Richtung unternehmen. Nicht wie Kostenjuk, aber sie plant etwas mit Schach und Schönheit. Fein, wenn sich dann die breite Öffentlichkeit dafür interessiert, obwohl sie nicht versteht, was auf dem Brett passiert.
Frage: Angeblich reißen sich die deutschen Bundesliga-Spitzenklubs Turm Emsdetten und SC Baden-Oos um Sie. Spielen Sie nächste Saison in Deutschland?
Stefanowa: Die Frauen-Bundesliga zählt zu den stärksten der Welt. Daher ist es sportlich natürlich interessant. Aller Voraussicht nach spiele ich im nächsten Jahr für einen der beiden genannten Klubs. Mich stört nur etwas der Austragungsmodus. In vielen anderen Ländern ist es vor allem für Ausländer einfacher, am Ligabetrieb teilzunehmen: Du spielst in einigen Tagen die gesamte Meisterschaft aus. In der Bundesliga werden immer nur zwei Partien an einem Wochenende ausgetragen, so dass viel mehr Reisen anfallen. Trotzdem würde ich auch gerne in der Herren-Bundesliga spielen.
Frage: Bei Baden-Oos wird das kaum möglich sein angesichts einer Besetzung mit Anand, Schirow und Swidler.
Stefanowa: Das ist angesichts all der Stars klar.
Frage: Auch wenn Ihnen hier einer in der Disco auf den Fuß getreten ist und Sie zunächst einen Bruch fürchteten: Wie gefällt Ihnen das Turnier auf Curaçao?
Stefanowa: Abgesehen davon (grinst) gefällt es mir sehr. Ich bin zum zweiten Mal hier und schätze die Atmosphäre. Die Organisatoren bemühen sich um einen und sind alle sehr nett. Mir gefällt besonders, dass der Wettbewerb gut besetzt ist. Auf den ersten Blick sieht es wegen der geringen Teilnehmerzahl von 42 wie ein kleines Turnier aus, tatsächlich ist es jedoch stark besetzt. Mit entsprechender Punktzahl erhält man gute Gegner - in großen Open sieht das vor allem am Anfang anders aus. Als ich bei meiner ersten Teilnahme im Sommer Platz drei belegte, betrug mein Gegner-Durchschnitt rund 2500. Ich finde es deshalb gut, dass es auf diesem kleinen Flecken Organisatoren für zwei Turniere gibt.
Die neun Partien aus Curaçao zum online Nachspielen:
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Straub,P (2128) - Stefanova,A (2497) [C47]
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Stefanova,A (2497) - Ozolins,A (2289) [D00]
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Gallegos,C (2460) - Stefanova,A (2497) [C26]
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Gulko,B (2597) - Stefanova,A (2497) [D37]
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Stefanova,A (2497) - Sanchez Castillo,S (2187) [D10]
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Stefanova,A (2497) - Granda Zuniga,J (2623) [A45]
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Rohl,J (2390) - Stefanova,A (2497) [C47]
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Arnold Essing hätte beim Turnier auf Curaçao gegen Antoaneta Stefanowa sogar mehr als ein Remis erreichen können. Foto: Metz
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Stefanova,A (2497) - Essing,A (2253) [E02]
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Woerdemann,M (2319) - Stefanova,A (2497) [A09]
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