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Wie geschaffen für den US-Zirkus

Alexander Schabalow Co-Sieger auf Curaçao / 2003 alle vier Major-Tuniere der Vereinigten Staaten gewonnen

von FM Hartmut Metz, November 2003

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Alexander Schabalow in Curaçao

Nicht nur auf Schach fixiert: Alexander Schabalow gönnte sich auf Curaçao neben täglichem Tennis und Strand auch mehrere Boot-Trips. Foto: Metz

 

   Alexander Schabalow war drauf und dran, sein Leben als Schachprofi zu beenden. Dann brach der US-Amerikaner doch sein Informatik-Studium ab - und spielt in diesem Jahr erfolgreicher denn je. 2003 gewann der Großmeister aus Pittsburgh die vier wichtigsten amerikanischen Turniere. Der US-Titel bescherte dem gebürtigen Rigaer, der 1992 nach Amerika auswanderte, allein 30.000 Dollar: 25.000 Dollar für Platz eins, dazu weitere 5.000 Dollar für den Spieler mit dem größten Kampfgeist. Während alle anderen Führenden kurze Remisen vereinbarten, zog es Schabalow vor, auf Sieg zu spielen. Sein aggressiver Stil ist wie geschaffen für die Open-Turniere in den USA, bei denen das Motto "the winner takes it all" lautet. Hartmut Metz sprach beim Curaçao International Gateway Tournament in Willemstad mit Alexander Schabalow. In der Hauptstadt der Niederländischen Antillen lag der 36-jährige US-Champion ausnahmsweise nicht alleine in Front, gilt aber mit 6,5/9 als Co-Sieger.

 

Frage: Herr Schabalow, Sie räumten 2003 alle wichtigen Titel in den USA ab. Wieso sind Sie plötzlich so dominierend?

Alexander Schabalow: Das geht jedem von Zeit zu Zeit so: Es geht mal aufwärts, dann wieder abwärts. Den Grund für meine Erfolgsserie kenne ich eigentlich selbst gar nicht. Ich halte es daher mit Peter Swidler, der nach seinem Sieg bei den russischen Meisterschaften gefragt wurde, warum er plötzlich so auftrumpfe. Er sagte: "Wenn ich anfange, das zu analysieren und weiter so zu verfahren - bin ich vermutlich nicht mehr in der Lage, das Ganze zu wiederholen." Ich weiß es also auch nicht, warum es läuft, und will darüber gar nicht zu sehr grübeln. Zuletzt ruinierte ich meine Elo durch einige schlechtere Turniere auf 2597.

 

Frage: Mit 4/4 waren Sie hier auf Curaçao optimal gestartet. Auch in der fünften Runde standen Sie gegen Robert Hübner auf Gewinn. Der Deutsche hatte schon überlegt, ob er aufgeben solle. Nach dem Remis gerieten Sie ins Schlingern.

Schabalow: Nach fünf Partien habe ich auf die letzte Runde gewartet, um die wieder zu leicht zu gewinnen (grinst). Im Ernst: Carlos Gallegos lief in meine Vorbereitung. Die Variante hatte ich ein paar Wochen vorher in Denver sehr genau in Augenschein genommen. Daher wusste ich alles und brauchte keine halbe Stunde Bedenkzeit bis zur Gewinnstellung. Dieser Sieg fiel mir leicht. Zuvor ließ ich einige Chancen aus. Das Duell gegen Jan Timman verlief sehr spannend. Das Turmendspiel hätte ich gewinnen können. Auslosungspech kam hinzu, als ich in der vorletzten Runde auf Ehlwest traf (Anmerkung: Die beiden Kumpanen wollten sich nicht gegenseitig wehtun und remisierten entgegen Schabalows Naturell rasch).

 

Alexander Schabalow

Immer munter nach vorne: Alexander Schabalow wandelt auf den Spuren seines Lehrmeisters Michail Tal. Foto: Metz

 

Frage: In Ihrer Partie gegen den topgesetzten Julio Granda Zuniga ging es besonders drunter und drüber. Eigentlich typisch für Ihren Stil.

Schabalow: Vorbereiten konnte ich mich nicht, weil Julio etwas spielte, was erst sechsmal in der Turnierpraxis vorkam. Ich fühlte mich in der Eröffnung wohl, obwohl ich zwei Bauern weniger hatte. Es wurde früh ziemlich kompliziert. In einem Moment stand ich dann vor der Wahl, in ein Remis abzuwickeln oder risikoreich auf Sieg zu spielen. Angesichts der knappen Zeit des Peruaners nach der Eröffnungsphase wagte ich das natürlich. Ich bluffte und strebte eine schlechte Stellung an - und es klappte.

 

Frage: Als ich Ihrem Landsmann John Bick nach unserer Partie erzählte, dass ich einen Mehrbauer besaß und gute Chancen, bemerkte dieser wenig erstaunt: "Schabalow hat immer mindestens einen Bauern weniger." Ihr Stil erinnert an die "Hexer von Riga", Ex-Weltmeister Michail Tal und Alexej Schirow.

Schabalow: Das ist nicht ganz verwunderlich, jeder aus Riga will wie Tal spielen. Außerdem war er der Trainer von Schirow und mir.

 

Frage: Ihr kompromissloses Spiel kommt dem amerikanischen Open-System, bei dem der Gewinner den Löwenanteil des Preisgeldes kassiert, sicher entgegen.

Schabalow: Ja, gewiss. Er ist wie geschaffen für dieses System, weil nur der erste Platz viel Geld verspricht. Nach elf Jahren im amerikanischen Schach-Zirkus kann man nicht anders spielen, wenn man davon leben will.

 

Frage: Dieses Jahr sind Sie demnach richtig reich geworden durch die vier Siege bei den US-Major-Turnieren. So brauchen Sie sich im Gegensatz zu anderen kein Zubrot als Trainer zu verdienen?

Schabalow: Dieses Jahr kann ich mich in der Tat nicht über meine Einkünfte beklagen. Bei den US-Meisterschaften gewann ich 30.000 Dollar, beim Chicago Open 10.000, bei den US-Open in Los Angeles 8.000 und dazu kamen 5.000 in Denver. Macht allein bei den vier Siegen zusammen 53.000 Dollar. Auch beim World Open schnitt ich ganz gut ab. Deswegen brauche ich auch kein Training zu geben. So ist es besser (lacht). Der Markt ist derzeit für Schachtraining aber recht gut, vor allem in New York. Sollte ich aber wieder schlechter abschneiden, werde ich wohl auch Schachstunden geben.

 

Frage: Wie bewerten Sie die derzeitige Situation im US-Schach?

Schabalow: Wie überall taugt der Verband nichts. Aber es herrscht ein sehr reges Turnierleben. Das ganze Jahr über gibt es viele Open-Turniere. Die Preisgelder sind sehr gut, die höchsten in der Welt. Dafür sind im Gegenzug die Konditionen für Großmeister schlecht. Man muss die Kosten selbst tragen - aber wenn man damit klar kommt und seine Ausgaben niedrig hält, kann es ein einträgliches Geschäft sein.

 

Frage: Hat die ins Leben gerufene Seattle Chess Foundation für Fortschritte im US-Schach gesorgt?

Schabalow: Dank der Seattle Chess Foundation gab es bei den US-Meisterschaften 25.000 Dollar für den Sieger zu gewinnen. Das ist schon ein riesiger Sprung. Ansonsten konnte die Stiftung aber noch nicht mehr erreichen. Das könnte sich jedoch ändern, wenn die Wirtschaft wieder anzieht. Ich entdecke einerseits Signale, die auf ein gestiegenes Interesse am Schach hinweisen. Zunehmend mehr Kinder erlernen das Spiel an der Schule. Andererseits gibt es auch viele Großmeister, die Schach aufgeben und einem normalen Acht-Stunden-Job nachgehen.

 

Frage: Sie selbst sollen sich ebenso mit dem Gedanken getragen haben, das Profileben an den Nagel zu hängen.

Schabalow: Es gab den Moment: Ich ging zur Uni und wollte mich dort zum Computer-Fachmann ausbilden lassen. Doch das war dann doch zu hart für mich ... Nach eineinhalb Jahren brach ich das Studium ab. Ich konnte nicht auch noch nebenher Schach spielen. Beides zusammen geht nicht.

 

Frage: Dabei sind Sie doch Strapazen gewohnt: Außer Schach spielen Sie hier auf Curaçao auch bei brütender Hitze Tennis.

Schabalow: Ja, ich spiele jeden Tag mit Jaan Ehlwest und anderen Turnierteilnehmern, auch wenn es um 10 Uhr eigentlich wegen der Hitze nicht möglich ist. Wir schwitzen und sind danach völlig ausgepowert. Ich mag das. Wir spielen Doppel mit Ard van Beek und Aris Ozolins.

 

Frage: Ard van Beek erzählte mir, Sie hätten eine prächtige Vorhand.

Schabalow: Ich bin zufrieden. Ich nehme Tennis ernst und habe auch schon Stunden genommen. Ich liebe es und spiele in Pittsburgh in einer Stadtliga.

 

Die neun Partien aus Curaçao zum online Nachspielen:

 










Shabalov,A (2597) - Neumann,H (2164) [E11]
Curaçao Open Willemstad AHO (1), 25.10.2003

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 Lb4+ 4.Sbd2 b6 5.a3 Le7 6.e4 Lb7 7.Dc2 d6 8.Ld3 Sbd7 9.0-0 e5 10.b4 exd4 11.Sxd4 Sg4 12.Lb2 Lf6 13.Le2 Sge5 14.Sf5 g5 15.Tad1 Sg6 16.c5 bxc5 17.Lb5 1-0

 

 










Metz,H (2325) - Shabalov,A (2597) [B33]
Curaçao Open Willemstad AHO (2), 26.10.2003

1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 e5 6.Sdb5 d6 7.Sd5 Sxd5 8.exd5 Sb8 9.c4 Le7 10.Le2 0-0 11.0-0 a6 12.Da4 Lf5 13.Da3 Lg6 14.Le3 b6 15.f4 Sd7 16.Sxd6 exf4 17.Lxf4 Sf6 18.Tad1 Tc8 19.Kh1 Dd7 20.c5 Txc5 21.Sc4 Txd5 22.Dxa6 De6 23.Sxb6 Txd1 24.Txd1 Se4 25.Tf1 Td8 26.Sa4 Dd7 27.Sc3 Lf6 28.Sd1 h5 29.Db5 Dxb5 30.Lxb5 Txd1 31.Txd1 Sf2+ 32.Kg1 Sxd1 33.b4 Le4 34.a4 Sc3 35.Lc4 Ld4+ 36.Kf1 Sxa4 37.g4 hxg4 38.h4 0-1

 

 










Shabalov,A (2597) - Van der Weide,K (2427) [B61]
Curaçao Open Willemstad AHO (3), 27.10.2003

1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 6.Lg5 Ld7 7.Dd2 Tc8 8.f4 Sxd4 9.Dxd4 Da5 10.e5 Txc3 11.bxc3 Sd5 12.exd6 f6 13.Lc4 Sxc3 14.0-0 fxg5 15.Tae1 Db6 16.Dxb6 axb6 17.Tf3 Se4 18.Txe4 Lc6 19.Lb5 Lxb5 20.dxe7 1-0

 

 










Shabalov,A (2597) - Granda Zuniga,J (2623) [D20]
Curaçao Open Willemstad AHO (4), 28.10.2003

1.d4 d5 2.c4 dxc4 3.e4 e5 4.Sf3 Lb4+ 5.Sbd2 c3 6.bxc3 Lxc3 7.Tb1 exd4 8.Lc4 Sh6 9.0-0 0-0 10.e5 Lf5 11.Txb7 Sc6 12.Sb3 Te8 13.Tb5 Sg4 14.Sg5 Sgxe5 15.Ld5 Sb4 16.Lxa8 Dxa8 17.Sxd4 Ld3 18.Dh5 Lxd4 19.Txb4 c5 20.Tb3 Lg6 21.Dh4 Dd5 22.Sh3 Lc2 23.Sf4 Dc4 24.Th3 Dxa2 25.Le3 a5 26.Lxd4 cxd4 27.Sh5 Dc4 28.Sxg7 Kxg7 29.f4 Dc5 30.Dh6+ Kg8 31.f5 d3+ 32.Kh1 Sg4 33.Dg5+ Kf8 34.Dxg4 d2 35.Txh7 Dxf5 36.Th8+ Ke7 37.Txe8+ 1-0

 

 










Huebner,R (2604) - Shabalov,A (2597) [D46]
Curaçao Open Willemstad AHO (5), 29.10.2003

1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 Sf6 4.Sf3 c6 5.e3 Sbd7 6.Dc2 Ld6 7.Le2 0-0 8.0-0 dxc4 9.Lxc4 b5 10.Le2 Dc7 11.Ld2 Lb7 12.Tac1 a6 13.b4 Tfe8 14.h3 Tac8 15.Db1 e5 16.Ld3 exd4 17.exd4 Lf4 18.Lxf4 Dxf4 19.Se2 Dd6 20.a3 Ta8 21.Tfe1 a5 22.Sc3 Txe1+ 23.Txe1 axb4 24.axb4 Sf8 25.Td1 Se6 26.Le4 Sf4 27.Se5 Te8 28.Lf3 Te7 29.Sg4 h5 30.Se3 g6 31.h4 Lc8 32.d5 De5 33.Dc2 Lg4 34.Lxg4 hxg4 35.Kf1 S4xd5 36.Scxd5 cxd5 37.Dc5 g3 38.Dd4 De6 39.Ta1 Te8 40.Ta3 gxf2 41.Kxf2 Dc6 42.Ta2 Te4 43.Dc5 De8 44.Db6 Tf4+ 45.Kg1 d4 46.Sf1 Sd5 47.Db7 De4 48.Dc8+ Kg7 49.Ta8 Txf1+ 50.Kxf1 Se3+ 51.Ke1 Sc4+ 52.Kf1 Se3+ 1/2-1/2

 

 










Gulko,B (2597) - Shabalov,A (2597) [D13]
Curaçao Open Willemstad AHO (6), 31.10.2003

1.d4 d5 2.c4 c6 3.cxd5 cxd5 4.Sf3 Sc6 5.Sc3 Sf6 6.Lf4 a6 7.Tc1 Se4 8.e3 Sxc3 9.bxc3 g6 10.Ld3 Lg7 11.0-0 0-0 12.e4 Le6 13.Dd2 dxe4 14.Lxe4 Lc4 15.Tfe1 Da5 16.Tc2 Tfe8 17.Lxc6 bxc6 18.Se5 Lxe5 19.Txe5 Da4 20.Tb2 Ld5 21.h3 a5 22.De3 Da3 23.Tb7 e6 24.Lh6 f6 25.Tg7+ Kh8 26.Df4 Df8 27.Txg6 1-0

 

 










Shabalov,A (2597) - Timman,J (2578) [B46]
Curaçao Open Willemstad AHO (7), 01.11.2003

1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sc3 a6 6.Le3 Sf6 7.Dd2 Lb4 8.f3 Dc7 9.a3 Le7 10.g4 b5 11.g5 Sh5 12.Sxc6 dxc6 13.f4 Lb7 14.Df2 c5 15.Le2 g6 16.0-0 0-0-0 17.f5 Ld6 18.Lg4 Kb8 19.fxe6 fxe6 20.Lxe6 Thf8 21.Dh4 Lf4 22.Lxf4 Sxf4 23.Lg4 b4 24.Sd5 Sxd5 25.exd5 Txf1+ 26.Txf1 Txd5 27.Lf3 Td4 28.De1 Lxf3 29.Txf3 Dd7 30.De5+ Kb7 31.Dxc5 Te4 32.Kf2 Dd2+ 33.Kg3 De1+ 34.Df2 bxa3 35.Tb3+ Kc7 36.Dxe1 Txe1 37.Txa3 Tg1+ 38.Kf4 Tg2 39.Th3 Txc2 40.Txh7+ Kd6 41.b3 a5 42.h4 Tf2+ 43.Ke4 Th2 44.Th6 Ke7 45.Txg6 Txh4+ 46.Kf5 Kf7 47.Tb6 Td4 48.Tb7+ Kg8 49.Kg6 Td6+ 50.Kh5 Ta6 1/2-1/2

 

 










Shabalov,A (2597) - Ehlvest,J (2602) [C92]
Curaçao Open Willemstad AHO (8), 02.11.2003

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 0-0 8.h3 d6 9.c3 Te8 10.d4 Lb7 11.a4 h6 12.Sbd2 Lf8 1/2-1/2

 

 










Gallegos,C (2460) - Shabalov,A (2597) [B30]
Curaçao Open Willemstad AHO (9), 03.11.2003

1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d3 Sf6 4.Sbd2 d5 5.De2 e6 6.g3 Le7 7.Lg2 0-0 8.0-0 a5 9.Te1 a4 10.a3 b5 11.e5 Sd7 12.Sf1 b4 13.h4 La6 14.axb4 cxb4 15.Txa4 Sc5 16.Txa6 Sxa6 17.d4 Db6 18.Dd3 Sc7 19.Lg5 Db5 20.Dd2 Ta2 21.b3 Db6 22.Lxe7 Sxe7 23.Se3 Sb5 24.Dxb4 Sc6 25.Dc5 Dxc5 26.dxc5 Sc3 27.Lf1 Tfa8 28.Ld3 Ta1 29.Txa1 Txa1+ 30.Kg2 Ta5 31.h5 h6 32.Kf1 Kf8 33.Ke1 d4 34.Sd1 Ta1 35.Le2 Tc1 36.Kd2 Sxe2 37.Se1 Txd1+ 38.Kxd1 Sc3+ 39.Kc1 Sxe5 40.Kb2 Sd1+ 41.Ka3 Sxf2 42.b4 Se4 0-1

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