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Grischuk im Ordix Open vorne

Lobron Dritter hinter Sokolov / Organisator Schmitt jubiliert angesichts neuer Rekorde

von FM Hartmut Metz, August 2003

mehr Schachtexte von Hartmut Metz

 

   Beim größten Schnellschach-Turnier der Welt hat Organisator Hans-Walter Schmitt überglücklich verbreitet: "Alle zehn Rekorde gebrochen!" Bei der zehnten Auflage des Ordix Open meldeten sich erstmals 500 Teilnehmer an, knapp ein Dutzend mehr als im Vorjahr. Auch die Qualität war einmalig wie beachtlich mit 129 Titelträgern. Jeder Vierte trug damit einen Meister-Titel des Weltverbandes FIDE! Die Durchschnittswertungszahl lag bei 2128! Unglaublich bei einem Turnier mit 500 Spielern. Im Kampf um den Löwenanteil der rund 24.000 Euro Preisgeld setzte sich Favorit Alexander Grischuk durch. Der Weltranglistensechste aus Moskau schlug in der elften Runde Jewgeni Agrest (Schweden) und verbuchte als einziger 9,5 Zähler. Dafür kassierte der 19-Jährige mit über 4.000 Euro den Löwenanteil der 124 Preise. Platz zwei ging an Ivan Sokolov. Wie der unter niederländischer Flagge spielende Bosnier kam der Wiesbadener Großmeister Eric Lobron auf 9:2 Punkte, nachdem sich beide rasch auf ein Remis geeinigt hatten (mehr dazu unten, wo beide Medaillengewinner Stellung beziehen). Seit Jahren der größte Erfolg des "Göttlichen", wie der Spitzname des Wiesbadeners lautet. Bei den Chess Classic läuft Lobron stets zu großer Form auf. Ein Ordix Open gewann er mit dem Rekordergebnis von 10/11. Außerdem führt der derzeit vereinslose Großmeister die ewige Tabelle der Chess Classic an - wenig verwunderlich bei zehn Open-Teilnahmen!

 

Chess Classic Mainz 2003: Ordix Sieger

Hans-Walter Schmitt (von links), Ordix-Vertreterin Helma Jenniches, die drei Gewinner Alexander Grischuk, Ivan Sokolov und Eric Lobron sowie CCM-Schatzmeister Jürgen Wienecke

 

Chess Classic Mainz 2003: Kombinationssieger

Die zehn Besten der Kombinationssieger, angeführt von Levon Aronjan, Andrej Wolokitin und Artur Jussupow

 

   Vierter nach Fortschrittswertung wurde der Ungar Joszef Pinter vor Wladimir Epischin (Russland) und dem stärksten U18-Teilnehmer, Andrej Wolokitin (Ukraine/auch alle 9). Die zehn Spieler mit 8,5 Zählern führt Pechvogel Agrest an, der nach verpatzter Eröffnung chancenlos gegen Grischuk unterging und noch zurückfiel. Einziger IM, der den Satz in die 20 Preisränge schaffte, war Gerlef Meins. Der Bundesligaspieler des SV Werder Bremen verteidigte in der letzten Runde ein Remis gegen den Kasachen Darmen Sadwakasow. Nächstbester IM (jedoch GM in spe bis zur nächsten Titelverleihung der FIDE) war der Baden-Ooser Fabian Döttling. "Ich spielte mit acht Punkten wohl eine Performance von über 2700 Elo und bin trotzdem nur 27.", stellte der 23-Jährige erstaunt fest. Noch mehr gewundert haben dürften sich Asse wie die Ex-Europameister Pawel Tregubow (23.) und Emil Sutowski (34.), die ebenfalls auf acht Zähler kamen. Schlechter erging es dem ehemaligen WM-Halbfinalisten und Weltranglisten-28. Liviu-Dieter Nisipeanu (41.) und Zoltan Almasi (49./beide 7,5). Manchmal entschieden Sekunden über Wohl und Wehe: So hatte im Duell der ehemaligen Top-Ten-Mitglieder Igor Glek Wladimir Epischin überspielt. Der Wismarer verteidigte sich allerdings in schier aussichtsloser Lage zäh - und bot ein Remis an. Der Katernberger Glek lehnte ab und gab nach einem verfehlten Schach mit Damentausch das sofort verlorene Bauernendspiel kopfschüttelnd auf. Oder Chess960-Sieger Levon Aronjan hatte am Schluss noch drei Sekunden auf der Uhr, als bei Alexander Husman die Null zu sehen war. Ein besonders wertvoller Punkt, garantierte ihm der Sieg doch weitere 1.500 Euro für die Kombinationswertung aus Ordix Open und Chess960-Open. Mit 17,5 Punkten ging Aronjan vor Wolokitin (17) und Artur Jussupow (16,5) ins Ziel. Die Leistung des Letzteren verdient umso mehr Beachtung, war er doch wie Lobron als abendlicher Kommentator der Zweikämpfe einer Doppelbelastung ausgesetzt, sofern Christopher Lutz als dritte Kraft nicht gerade einsprang.

 

Gerlef Meins

Gerlef Meins schaffte als einziger IM den Sprung in die Top 20

 

Inna Gaponenko

Beste Spielerin und Gewinnerin der Ratinggruppe bis 2400 Elo: Inna Gaponenko

 

Joszef Pinter

Der Ungar Joszef Pinter trumpfte wie in früheren Tagen auf

 

Alexej Drejew

Stets Sieganwärter, aber nie ganz vorne beim Ordix Open: der russische Weltklassespieler Alexej Drejew

 

Andrej Wolokitin

Andrej Wolokitin war nicht nur bester Jugendlicher. Der 17-jährige Ukrainer kam vor allem als Sechster des Ordix Open und Zweiter in der Kombinationswertung ins große Geld

 

   Die wichtigsten Sonderwertungen gewannen (Doppelpreise wurden nicht vergeben, sondern nur der höher dotierte Geldpreis ausbezahlt): Damen: 1. Inna Gaponenko (Ukraine), 2. Jovanka Houska (Hofheim), 3. Natalia Kiselewa (Gescher), 4. Elvira Berend (St. Ingbert) alle 7,5, 5. Isabel Werner (Karlsruhe) 7; Senioren: 1. Anatoli Dontschenko (Hungen-Lich) 7, 2. Boris Khanukow (Wuppertal), 3. Jefim Rotstein (Köln-Brück), 4. Sinisa Joksic (Jugoslawien) alle 6,5, 5. Eduard Bachmatow (Uerdingen) 6; U18: 1. Andrej Wolokitin (Katernberg) 9, 2. Maximilian Meinhardt (Ludwigshafen) 7,5, 3. Pawel Zolotarew (Worms) 6,5; U16: 1. David Baramidze (Dortmund-Brackel) 7,5, 2. Thomas Blome (Groß-Zimmern) 6. 3. Cyril Monsieux (Frankreich) 5,5; U14: 1. Markus Mandery (Mutterstadt), 2. Ekaterina Jussupow (Krumbach) beide 5, 3. Peter Skovgaard (Dänemark) 4,5; U12: Aleksij Sawtschenko (Gerresheim), 6, 2. Jürgen Mazarov (Bochum) 4, 3. Alexander Jussupow (Weißenhorn) 3,5. Die Sieger der Ratingpreise, bis 2400: 1. Gaponenko 7,5, 2. Stanislwa Korotkevych (Köln-Porz), 3. Houska, 4. Kiselewa, 5. Elvira Berend alle 7,5; bis 2200: 1. Michail Kolkin (Ukraine), 2. Roger Lorenz (SC Bonn-Beuel), 3. Sergio Corso (Italien) alle 7; bis 2000: 1. Wladimir Spies (Bad Berleburg) 6,5, 2. Michael Norberg (Worms), 3. Andre Hellenkamp (Mainz 1928) beide 6; bis 1750: 1. Marco Siebarth (Stadtilm), 2. Sven Lehnert (PSC Hannover), 3. Thomas Staub (Matt im Park Frankfurt) je 5,5.

 

Die Spitzenbegegnungen (die ersten fünf Bretter pro Runde) des Opens online Nachspielen:

Runden 1-3  Runden 4-6   Runden 7-9   Runden 10,11

 

 

Lothar Vogt

Lothar Vogt zieht es immer wegen des Ambientes nach Mainz

 

   Für alle, die ohne Preis blieben, formulierte der Leipziger Großmeister Lothar Vogt (mit sechs Punkten 65. im Chess960-Open und 72. im Ordix Open mit sieben Zählern) ein schönes Schlusswort: "Hier spielt man nicht mit, um Preise zu gewinnen, sondern das Ambiente zu genießen!"

 

 

"Erster Turniersieg seit drei Jahren"

Interview: Ordix-Open-Gewinner Grischuk von seinem "Idol Fischer schwer enttäuscht"

   Alexander Grischuk riss jubelnd die Arme nach oben, nachdem Jewgeni Agrest die letzte Partie aufgegeben hatte. Eric van Reem und Hartmut Metz führten mit dem 19-jährigen Weltranglistensechste ein kurzes Interview.

Frage: Herr Grischuk, wie kam es zur wundersamen Wandlung? Im Chess960 enttäuschten Sie als 37.

Alexander Grischuk: Die ersten zwei Tage waren absolut enttäuschend für mich - vor allem mit Blick auf mein bisheriges Idol Bobby Fischer. Wie konnte er so etwas erfinden? Nachdem ich meine erste Partie im Chess960 verloren hatte, konnte ich mich nicht mehr konzentrieren. Ich spielte, als sei es Dame oder ein Kartenspiel.

 

Frage: Im Chess960 sind auch die Großmeister vorne. Ein Mann Ihrer Klasse sollte also doch besser abschneiden.

Grischuk: Das dachte ich auch. Aber zum einen war dieses Open ziemlich stark besetzt, zum anderen denke ich, dass Aronjan und Swagintsew zwei Klassen besser sind im Chess960 als ich. Nachdem ich abgeschlagen war, konzentrierte ich mich auf die Demobretter und schaute den beiden zu.

 

Frage: Beim Ordix Open lief es dann viel besser ...

Grischuk: Ich sagte allen, dass ich am Anfang auch zum letzten Mal oben auf der Bühne sitze und es mein Ziel sei, noch ein zweites Mal dorthin zu gelangen. Ich spielte dann aber sehr gut. Gegen Elisabeth Pähtz wurde es zeitlich ziemlich knapp mit nur noch einer Minute auf beiden Uhren. Meine Partien gegen Eric Lobron und Alexej Drejew waren sehr gut. Gegen Jewgeni Agrest gewann ich in der letzten Runde sehr leicht, zuvor auch gegen Daniel Fridman. Eigentlich geriet ich nie in Verlustgefahr. Ich freue mich riesig. Das war mein erster Einzel-Turniersieg seit drei Jahren! In der Zeit landete ich fünfmal auf dem zweiten Platz.

 

Alexander Grischuk, Elisabeth Pähtz

Der Sieg über Elisabeth Pähtz läutete für Alexander Grischuk die Wende zum Guten ein

 

Frage: Ihre Partie gegen Ivan Sokolov wirkte haarsträubend, endete letztlich aber friedlich.

Grischuk: Sokolov verteidigte sich brillant. Er fand jeden Verteidigungszug, der die Stellung noch gerade so hielt. Ich lernte immerhin daraus: Gleich in der nächsten Runde verteidigte ich mich nach dem Figurenopfer von Alexej Drejew perfekt.

 

Frage: Ist das Ihr erstes Turnier in Deutschland?

Grischuk: Nein, 1992 spielte ich in Duisburg bei der U10-WM mit (Anmerkung: Damals siegte Luke McShane dank besserer Buchholz-Wertung vor dem achtjährigen Grischuk/beide 8,5 vor Etienne Bacrot und Vallejo Pons).

 

 

"Ein Tag Pause wäre eine gute Idee!"

Stimmen der Ordix-Medaillengewinner

 

Ivan Sokolov

Nicht nur schnell mit den Händen, sondern auch flink mit dem Kopf: Ivan Sokolov

 

Ivan Sokolov: 22 Partien in 4 Tagen ist eine anstrengende Arbeit. Mit 500 Spielern in einem Open bekommt man normalerweise in den ersten Runden drei, vier Patzer, erst danach wird es interessant. Hier bekommt man etwas schwächere Gegner in den ersten zwei Runden - und anschließend wollen einem gleich so starke Großmeister wie Waganjan, Agrest und Vallejo Pons ans Leder. Meine Strategie was einfach: Ich versuchte so viele Partien wie möglich zu gewinnen, um dann einen Gang zurückzuschalten und zuzuschauen, was meine Gegner machen. In der letzten Runde gegen Eric Lobron wollte ich keine Risiken mehr eingehen. Mit einer Niederlage verdirbt man sich das ganze Turnier. Vielleicht hätte ich gegen Waganjan mehr wagen sollen. Meine besten Partien waren die gegen Agrest und Vallejo Pons. Komisch, ich konnte heute beide matt setzen. Das kommt normalerweise nie vor. Das zeigt aber, wie ermüdend dieses Turnier ist. Jetzt kann ich die nächsten Tage kein Schachbrett mehr sehen. Ich denke, es wäre eine gute Idee, einen Ruhetag zwischen das Chess960- und das Ordix Open zu legen.

 

Eric Lobron: Sicherlich bin ich glücklich mit meinem Resultat. Ich habe eine Menge guter Partien gespielt, zum Beispiel die gegen Tschutschelow. Die Partie gegen Vadim Milov war sehr wichtig für mich. In den meisten Partien hatte ich gute Stellungen gegen ihn, konnte aber nie gewinnen. Die Partie hat mich sehr motiviert und mir Kraft für die nächsten Runden gegeben (Anmerkung: Nach dem Sieg schleuderte ihm der Deutsche mit US-Pass erlöst entgegen: "Finally I got you!!"). Ich stimme Ivan Sokolov zu: Chess960 ist sehr anstrengend, man muss vom ersten Zug an überlegen. Ein Tag Pause zwischen den Open wäre eine gute Sache.

 

Eric Lobron

Läuft bei den Chess Classic immer zu Hochform auf: Eric Lobron

 

 

mehr über die Chess Classic Mainz 2003 auf der Seite der Chesstigers


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