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Nach drei Zügen Maus in der Falle

Leko und Swidler in Chess960-Simultans ungeschlagen

von FM Hartmut Metz, August 2003

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   Peter Swidler freute sich diebisch bei den Chess Classic Mainz. Eine halbe Stunde schneller als Peter Leko hatte er die Weltpremiere absolviert: das erste Simultan im Chess960 mit jeweils 20 unterschiedlichen Startstellungen. Der Russe blieb nach 2:46 Stunden ebenso ungeschlagen wie der Ungar (3:18). Ihre Bilanz war dabei identisch. 15 Siegen standen 5 Remis gegenüber. Ein Hinweis auf das tags darauf anstehende WM-Finale im Chess960 zwischen den beiden? Zumindest durfte ein spannendes Match über acht Partien zwischen Titelverteidiger Leko und Herausforderer Swidler, der im Vorjahr das Chess960-Open in Mainz gewonnen hatte, erwartet werden.

  

Peter Leko Simultan Chess960

In die Partie gegen Robert Miklos (links) musste Peter Leko schon im dritten Zug rund fünf Minuten investieren

 

   Die Auftaktveranstaltung der Chess Classic machte aber beiden Spaß - obwohl Leko schon "im zweiten Zug in einer Partie auf Verlust stand! Mein Gegner drohte gleich ein Matt", berichtete der WM-Herausforderer von Wladimir Kramnik. In diesem Fall bereitete ihm auch ein "WM" Schwierigkeiten - der Webmaster der beliebten Vereinshomepage www.RochadeKuppenheim.de, Robert Miklos. "In der Partie überlegte ich mindestens eine Viertelstunde", berichtete Leko und ergänzte, dass sie ihn "auch ständig während seiner Rundgänge beschäftigte". Im dritten Zug stand er fast fünf Minuten am Brett und brütete. Mit drei Bauernopfern riss der 23-Jährige das Ruder herum und übernahm die Initiative. Miklos erreichte zwar noch ein Endspiel mit Turm und zwei Bauern gegen Turm und Springer, vergab dort aber die letzten Remischancen. Ungeachtet der Niederlage machte dem Informatik-Student seine erste Chess960-Partie großen Spaß. Als pragmatischer Webmaster freute er sich besonders, dass das Duell "ohne Rochaden ablief. So kann ich die Partie problemlos eingeben". Derzeit muss noch mangels Software bei jeder Rochade ein neues Bruchstück in Partiendatenbanken angefangen werden.

 










Leko,P (2739) - Miklos,R (1858)
CCM03 Chess960 Simultan, 13.08.2003

 

1.d4 f5 2.c4 c5 3.b4 cxb4 4.Lb3 Sb6 5.d5 e6 6.a3 bxa3 7.f3 exd5 8.c5 Sc4 9.Ld4 La5+ 10.Kf2 Sg6 11.Lxc4 dxc4 12.Dxa3 b6 13.Sg3 Dd8 14.Lxg7 Dh4 15.Lxf8 Sxf8 16.Kg1 Le6 17.Sc2 Sg6 18.Tfd1 De7 19.e4 f4 20.Sf5 Lxf5 21.exf5 Se5 22.Td5 Kf7 23.cxb6 Lxb6+ 24.Txb6 Txb6 25.Dxe7+ Kxe7 26.Txe5+ Kd6 27.Te1 Kc5 28.Ta1 a6 29.Ta5+ Tb5 30.Txb5+ axb5 31.f6 Kd6 32.Kf2 Ke6 33.Sd4+ Kxf6 34.Sxb5 Ke5 35.g3 fxg3+ 36.hxg3 Kd5 37.Ke3 1-0

 

   Leichteres Spiel hatte Leko ein paar Bretter weiter, wo ihn die Auslosung begünstigte. In einer Grundstellung mit der Dame auf h1 und dem Läufer auf f1 begann der Weltranglistenvierte mit g4 und zog anschließend seinen Läufer nach g2. Kontrahent Dirk Maus, Chefkoch im Hotel Hilton, kopierte mit Schwarz den Aufbau. Ein Fehler, Maus saß in der Falle: Mit Lxb7 setzte Leko matt!

 

Peter Leko Simultan Chess960

Hilton-Chefkoch Dirk Maus (links) gab rasch den (Koch-)Löffel ab, um nach dem Simultan gegen Peter Leko das Champions-Dinner kredenzen zu können

 










Leko,P (2739) - Maus,D
CCM03 Chess960 Simultan, 13.08.2003

 

1.g4 g5 2.Lg2 Lg7 3.Lxb7# 1-0

 

   Nach zehn Zügen verzog sich langsam der Rauch an allen Brettern. "Erst danach kann man langsam Pläne schmieden", erläuterte Swidler. Zuvor sei es "unmöglich, sich einzelne Stellungen wie in einem normalen Simultan zu merken. Da kann man sich auf ein paar wichtige Partien konzentrieren und damit während der Runden geistig beschäftigen. Beim Chess960 gehst du dagegen ans Brett - und es kommt dir vor, als würdest du die Stellung zum ersten Mal sehen. Man müsste sich schließlich merken, wo alle Figuren stehen". Die Aufgabe sei in einem "normalen Simultan selbst bei 30 anstatt 20 Partien leichter". Der Grund: In den vertrauten Stellungstypen merken sie sich mehrere so genannte Chunks (ganze Figurengruppen), nicht jede einzelne Figur. Swidler freute sich, dass er das Simultan ungeschlagen überstand. "In einigen Partien stand ich auf Verlust", meinte der mehrfache russische Meister. Beispielsweise gegen Jens Beutel. Der Mainzer Oberbürgermeister frohlockte nach seinem vierten Remis in Folge bei den CCM-Simultans (zuvor gegen Garri Kasparow, Wladimir Kramnik und Alexandra Kostenjuk) dennoch: "Jetzt steht dem Weg in die Weltspitze nichts mehr im Wege!" Nach dem Scherz befand Beutel ernsthafter, für den Simultan-Großmeister sei Chess960 "hartes Brot". Aber auch Carsten Hensel fühlte sich geschlaucht. "Das war anstrengend!", sagte der Manager von Leko und Kramnik. Gegen Swidler stand er auf Gewinn, hatte aber Erbarmen und nahm gleich die Qualität, damit der 27-Jährige mit seiner Dame wieder ins Spiel kam. Swidler drehte das Blatt, offerierte dann aber ein Unentschieden zum gerechten Endstand. Remis verteidigten gegen den Russen zudem zwei weitere Schach-Prominente: Alfred Schlya, Präsident des Deutschen Schachbundes, und Dirk Jordan. Er ist Manager von Elisabeth Pähtz und Motor des Dresdner Schachfestivals. Fünfter erfolgreicher Akteur im Bunde war Victor Schleck (Bauer Bollendorf).

 

Peter Swidler Simultan Chess960

WNCA-Präsident Jens Beutel (links) ertrotzte gegen Peter Swidler ebenso ein Remis wie die dahinter sitzenden Alfred Schlya (DSB-Präsident) und Dirk Jordan, Präsident des Dresdner Schachfestivals

 

Peter Leko Simultan Chess960

Die Frankfurt-Westler Hans Mokry und Renate Niebling versuchten vergebens, im Chess960 Peter Swidler in Schach zu halten

 

PK mit Swidler und Leko

Die zwei Simultan-Spieler Peter Swidler und Peter Leko gut gelaunt in der PK

 

   Friedlich endeten Lekos Partien gegen Mike Rosa, Nummer drei des SC Frankfurt-West, Volker Kropp, Beutels Vereinskamerad beim SC Mainz-Mombach, Andreas Haasler (SF Heidesheim), Ken Swenson jr. (SV Nordheim) und Frank Schirrmeister, dem Vertreter von T-Systems CSM. Dagobert Kohlmeyer hatte den Großmeister aus Szeged auf der Pfanne. "Anstatt die Dame abzutauschen, wollte ich für die Galerie spielen. Danach geriet aber ich in einen Mattangriff. Ohne Damen wäre es für mich gewonnen gewesen, bestätigte mir Peter", erzählte der Berliner Schach-Journalist. Leko grinste: "Als ich gegen 'Dago' völlig auf Verlust stand, sagte ich ihm, dass er nie mehr ein Interview von mir bekommt, sollte er mich schlagen. Die Drohung wirkte!" In den ersten zehn Zügen käme es bei einem Chess960-Simultan vor allem darauf an, "nichts einzustellen. In der technischen Phase wird es später dann leichter." Für ihn sei solch eine Vorstellung an 20 Brettern schwerer als "ein normales Simultan an 40 Brettern". Mit einem Lachen ergänzte Leko: "Wenn Organisatoren die Spitzenspieler erschöpfen wollen, müssen sie sie nur zu Chess960-Simultans einladen". Hans-Walter Schmitt wird ihn beim Wort nehmen.


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