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Judit Polgar fordert Anand heraus

Chess Classic Mainz: Erste WM im Chess960 zwischen Leko und Swidler

von FM Hartmut Metz, April 2003

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   Die Eckpfeiler der Chess Classic Mainz 2003 stehen: Titelverteidiger Viswanathan Anand wird vom 14. bis 17. August von Judit Polgar herausgefordert. Ein reizvolles Duell der Geschlechter im Mekka des Schnellschachs, nachdem in den Vorjahren die Weltmeister Wladimir Kramnik und Ruslan Ponomarjow knapp gegen den "Tiger von Madras" den Kürzeren gezogen hatten. Auf der einen Seite der weltbeste Schnellschachspieler aus Indien, auf der anderen Seite die alle weiblichen Konkurrentinnen weit überragende Ungarin. Organisator Hans-Walter Schmitt freut sich auf die acht Partien: "Für die Medien gibt's kaum ein spannenderes Match. Die einzige Frau, die im königlichen Spiel mit der Weltspitze mithalten kann und dazu noch attraktives Schach spielt, trifft auf den unbestritten besten Blitzdenker!", jubiliert der Bad Sodener.

   Gegenseitigen Respekt bekunden die Hauptakteure vor den täglich zwei Partien (ab 18.30 Uhr) in der Rheingoldhalle. Schließlich eilte Anand zuletzt von Turniersieg zu Turniersieg. Erst in Linares wurde die Siegesserie des überragenden Bundesligaspielers des SC Baden-Oos gestoppt. Beim Topturnier in Wijk aan Zee (Niederlande) blieb der 33-Jährige ebenso ungeschlagen wie die knapp hinter ihm zweitplatzierte Judit Polgar. Vor ihrem bis dato größten Turniererfolg im Feld der Weltelite hatte die 26-Jährige auch schon bei der Schach-Olympiade mit einem glänzenden Resultat ihr Können bewiesen. Lohn des Erfolgs ist die Rückkehr der Budapesterin in die Top Ten. Anand lobt die beste Schachspielerin aller Zeiten über den grünen Klee: "Sie ist ein sehr starker Großmeister. Ihre letzten Ergebnisse waren brillant! Judit spielt sehr taktisch und agiert am Brett pragmatisch." Judit Polgar, die 1991 mit 15 Jahren und vier Monaten den legendären Rekord von Bobby Fischer als jüngster Herren-Großmeister aller Zeiten brach, reicht die Blumen zurück an den Ex-Weltmeister. "Anand zählt zweifellos zu den besten Schnellschachspielern der Welt. Ich erinnere mich noch gut an 1991, als er selbst seine normalen Turnierschachpartien im Schnellschach-Tempo herunterspulte. Heute ist er natürlich reifer und überlegt länger, was seiner enormen Spielstärke zugute kommt. Vishy ist ein echter Profi, agiert sehr kraftvoll am Brett."

 

Viswanathan Anand

 

Judit Polgar

 

   Die Favoritenbürde lastet auf dem Seriensieger der Chess Classic - auch wenn der Titelverteidiger betont, er müsse "zu 100 Prozent auf der Höhe sein", um die Jüngste der drei legendären Polgar-Schwestern in Schach zu halten. Die Frauenturniere strikt ablehnende Damen-Weltranglistenerste sieht Anand als "Favoriten, aber ich werde ihm einen großen Kampf bieten", verspricht Judit Polgar und verweist auf ihre "zuletzt sehr gute Bilanz gegen Vishy. An meine herrlichen Partien gegen ihn in Wijk aan Zee 2001 und in Dos Hermanas 1999 denke ich gerne zurück". Respekt hat der Inder zweifellos vor dem "leuchtenden Stern im Frauenschach". Ob die aparte Vizeweltmeisterin Alexandra Kostenjuk (Russland) oder seine talentierte Landsmännin vom Subkontinent, Humpy Koneru - "Judit misst sich nur an ihren eigenen Erfolgen, nicht an Konkurrentinnen. Sie ist eines der herausragenden Talente der Gegenwart".

   Die Chess Classic werden offiziell am 13. August vom Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel eröffnet. Das Oberhaupt der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt wird danach sicher wieder an einem der Simultans teilnehmen, die um 16.30 Uhr beginnen. Tags darauf beginnt das "Lieblingskind" von Schmitt: Das Open im Chess960, bei dem vor jeder Partie eine von 960 Startaufstellungen ausgelost wird, soll noch mehr als die 131 Teilnehmer des Vorjahres anziehen. Der 51-Jährige erhob den Wettbewerb zur "offiziellen WM-Qualifikation". Das Debüt hatte Peter Swidler mit 9:2 Punkten gewonnen. Nun spielt er zeitgleich mit dem Duell Anand - Polgar gegen Peter Leko. Der WM-Finalist, der wohl im Juni im klassischen Schach Weltmeister Kramnik herausfordert, bewies schon 2001 seine Künste im Chess960. In einem spannenden Match schlug der Ungar den Weltranglistenvierten Michael Adams mit 4,5:3,5. Nun prallt also vom 14. bis 17. August der Sieger des Zweikampfs in acht Partien auf den Gewinner des sehr starken Open-Turniers, bei dem sich unter den ersten 32 gleich 30 Großmeister platziert hatten. Die Gunst der Stunde will Schmitt nutzen, um mit den Anwesenden einen Chess960-Weltverband zu gründen und den Sieger des Matchs zwischen Leko und Swidler zum Chess960-Weltmeister auszurufen.

   Schach pur garantiert am Samstag und Sonntag (16. und 17. August) zudem das traditionelle Ordix Open. Zu der zehnten Auflage werden wieder rund 500 Spieler erwartet! Zum weltweit am höchsten dotierten Schnellschach-Open pilgern mehrere Dutzend Groß- und Internationale Meister. Im Vorjahr verdienten die Asse zusammen mit dem Preisgeld aus dem Chess960-Wettbewerb etwa 30.000 Euro. Im "Vorprogramm" zu den Zweikämpfen zwischen Viswanathan Anand und Judit Polgar sowie Peter Leko und Peter Swidler werden die Fans wie Teilnehmer gewiss einige Stars von Morgen bewundern können. Ausnahmetalente wie Sergej Karjakin, mit zwölf der jüngste Großmeister aller Zeiten, oder sein ukrainischer Landsmann Andrej Wolokitin sollen auch Einladungen zu den Open erhalten.

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