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Sponsoring und kein Mäzenatentum

Interview mit Wolfgang Grenke, dem Geldgeber des Bundesligisten SC Baden-Oos

von FM Hartmut Metz, Oktober 2002

mehr Schachtexte von Hartmut Metz

 

   Die Schach-Bundesliga ist ein Zuschussgeschäft. Einnahmen durch die wenigen Zuschauer vor Ort sind keine zu erzielen. Wohl und Wehe der Vereine hängt oft von einzelnen Mäzenen ab. Ein neuer Platzhirsch aus Baden-Baden versucht nun den Arrivierten aus Lübeck und Köln-Porz den Meistertitel streitig zu machen - dank Wolfgang Grenke. Multimillionär Grenke sorgte mit seiner finanziellen Unterstützung dafür, dass sein Stammverein binnen vier Jahren von der Landesliga ins Oberhaus durchstartete. Außerdem katapultierte sich die neu gegründete Damenmannschaft in Starbesetzung mit zwei Aufstiegen in die erste Bundesliga. Hartmut Metz sprach vor dem Bundesliga-Auftakt mit dem einstigen mittelbadischen Meisterspieler, der ebenso wie seine drei Söhne für den SC Baden-Oos ans Brett geht.

 

Wolfgang Grenke

Wolfgang Grenke

 

Frage : Herr Grenke, welches Gefühl übermannte Sie, nachdem Herren wie Damen der Durchmarsch in die Bundesliga gelang?

Wolfgang Grenke: Ich bin natürlich froh. Wir hatten uns ursprünglich etwas mehr Zeit vorgenommen, um dieses Ziel zu erreichen. Dass der Durchmarsch ohne Pause gelang, ist schön.

Frage : Die Ziele werden nun noch höher gesteckt?

Grenke : Logischerweise will man immer das Optimum erreichen. Vor fünf Jahren traten wir mit dem Ziel an, jungen Spielern aus Baden die Möglichkeit zu geben, in einer erstklassigen Mannschaft zu spielen. Diese Etappe für die Region haben wir geschafft. Sportlich sieht es anders aus.

Frage : Das bedeutet?

Grenke : Bei den Damen fällt eine Prognose leichter, weil das Gefälle in der Bundesliga größer als bei den Herren ist. In der Frauen-Bundesliga sollten wir deshalb unter die ersten Drei kommen. Bei den Herren ist das etwas schwieriger. Es gibt dort mehr Überraschungen. Unser Herrenteam ist weniger homogen: Wir haben sehr starke Spitzenspieler und ein gutes Mittelfeld. Hinten wird es für unsere jungen badischen Spieler schwer, dafür zu sorgen, dass wir ganz vorne mitspielen. Die Konkurrenten sind an den hinteren Brettern von ihrer Wertungszahl doch deutlich überlegen.

Frage : Auch wenn sich Baden-Oos beim 3:3 gegen nur vier Spielerinnen von Meister Dresden nicht mit Ruhm bekleckerte, wäre alles andere als mindestens Platz zwei eine herbe Enttäuschung. Nur Turm Emsdetten, das auch mit lediglich 3:1 Punkten startete, scheint gegenhalten zu können.

Grenke : Herbe Enttäuschung würde ich nicht sagen. Dazu ist Schach manchmal zu schwierig. Das sahen wir auch im Europapokal, wo eine Spielerin außer Form war. Ich erinnere mich auch an meine eigene Zeit als Verbandsligaakteur. Damals stiegen wir von der Bereichsklasse über die Landesliga auf. So lange es nach vorne ging, waren auch stärkere Gegner zu packen. Als dann der Bruch kam, ging selbst gegen schwächere Spieler nichts mehr.

Frage : Wobei im Europapokal nur vier Spielerinnen antraten, in der Bundesliga bilden aber sechs ein Team. Das minimiert die Auswirkungen von einzelnen schwachen Leistungen wie jene von Tamara Klink in Antalya-Side.

Grenke : Sicher, es sieht so aus, als ob Emsdetten, Dresden und wir am Schluss vorne stehen.

Frage : Bei den Herren wird allen Experten zufolge Baden-Oos mindestens Dritter.

Grenke : Ich würde sagen, Fünfter wäre ein Erfolg. Wir haben hinten junge, weniger erfahrene Leute in der Mannschaft. Sicher, vorne spielen erfahrene, renommierte Großmeister. Aber die stehen zuweilen wegen internationaler Turniere nicht zur Verfügung. Mit den guten, durchaus bundesligatauglichen Akteuren dahinter können wir mit den Topmannschaften kaum mithalten.

Frage : Sie pflichten damit Manager Torben Denker von Meister Lübeck bei, der sein Team und Dauerrivale Porz noch für einen Tick stärker an den hinteren Brettern hält.

Grenke : Wir wollten Spielern aus Baden wie Fabian Döttling, Andreas Schenk und Roland Schmaltz die Gelegenheit geben, in einer erfolgreichen Bundesligamannschaft anzutreten. An den vorderen Brettern hätten sie es schwer, ein positives Ergebnis zu erreichen, weshalb wir Spitzenleute verpflichteten.

Frage : Wenn's lediglich zu Platz drei reicht, rüstet der SC nächstes Jahr trotzdem nicht weiter auf?

Grenke : Es wird nicht so sein, dass wir hier um jeden Preis eine Mannschaft zusammenkaufen. Selbst bei den Spielern, die nicht in der Region wohnen, achteten wir darauf, dass sie menschlich zu uns passen. Ich will aber nicht ausschließen, dass wir uns gelegentlich weiter verstärken. Innerhalb der EU ist der Markt aber abgegrast. Die Topleute sind bereits an andere deutsche Spitzenteams gebunden und werden dort kaum weggehen.

Frage : Joel Lautier, den Gatten Ihrer Großmeisterin Almira Skriptschenko-Lautier, wollten Sie holen. Der Weltranglisten-23. entschied sich jedoch für Lübeck. Bereitete es Ihnen Verdruss, dass der Meister Oos den Franzosen wegschnappte? Oder sehen Sie es als Auszeichnung, dass ein renommierter Klub den Emporkömmling bereits als Rivalen ernst nimmt?

Grenke : Ich kenne die Motive nicht, die Lübeck dazu bewogen, finanziell erheblich mehr auf den Tisch zu legen als wir. Wir können unseren jungen Spielern nicht zumuten, dass sie nur einen Bruchteil von dem verdienen, was nicht viel bessere Großmeister bekommen. Hierbei lege ich auf eine gewisse Homogenität Wert.

Frage : Der indische Ex-Weltmeister Viswanathan Anand, der beim Bundesliga-Auftakt wegen des Weltcups in Hyderabad fehlt, kostet aber eine Stange Geld.

Grenke : In Relation gesetzt zur Spielstärke ist der Abstand zum Einkommen unserer jungen Spieler in diesem Fall geringer als bei anderen Alternativen.

Frage : Sechsstelliges kostet eine gute Bundesliga-Mannschaft allemal. Topteams investieren etwa 200.000 Euro pro Saison. Wie hoch liegt der Etat für Damen wie Herren?

Grenke : Wir fördern auch das Karpow-Schachzentrum und einige andere Events. Alles zusammengenommen liegt der Betrag im unteren sechsstelligen Bereich. Wir sind damit preisgünstiger als Porz und Lübeck - obwohl wir mit Anand und Peter Swidler zwei WM-Halbfinalisten haben und mit Rustem Dautov und Robert Hübner zwei Akteure aus der erfolgreichen deutschen Nationalmannschaft. Aus der badischen Spitze fehlt uns nur Rainer Buhmann, der für Stuttgart ans Brett geht.

Frage : Das Stuttgarter Modell "Beruf und Schach anstatt Berufsschach" - sprich die Spieler werden bei der Firma Hertercom angestellt, arbeiten dort und bekommen ein sicheres Salär, woran es Schachprofis ansonsten mangelt - ist wegen des Einbruchs in der Telekommunikationsbranche gescheitert. Für die Stuttgarter SF steht womöglich aus finanziellen Gründen die letzte Bundesliga-Saison an. Sie haben das Modell bei Ihnen zu Gunsten des Mäzenatentums aufgegeben.

Grenke : Die Krise in Stuttgart ist wirtschaftsbedingt. In anderen Zeiten ging es dort besser, wir bei Grenke Leasing sind stabiler und weniger krisenanfällig. Insofern brauchen sich bei uns die Leute keine Sorgen zu machen. Ganz entfernt sind wir von diesem Modell auch nicht. Mit Robert Hübner, Michael Schwarz und dem bei Weblease tätigen Ludger Keitlinghaus arbeiten drei der 14 Bundesligaspieler für uns. Aber man muss auch ganz klar sagen: Um bei Grenke Leasing zu arbeiten, reicht es nicht aus, Schach spielen zu können.

Frage : Nach dem rasanten Aufstieg kam es mit der Abspaltung und Neugründung der Schachfreunde Oos zu einer Zerreißprobe, war das ...

Grenke : Da muss ich entschieden widersprechen. Das hatte nichts mit einer Zerreißprobe zu tun. Drei inaktive und fünf, sechs aktive Spieler taten sich zusammen und wollten einen neuen Verein gründen. Das dürfen sie ruhig tun und ist auch legitim. Wenn sie sich so wohler fühlen, ist das prima. Im Übrigen wurde der Weggang dieser Spieler durch Zugänge von aktiven wie passiven Spielern mehr als ausgeglichen. Die Mitgliederzahl des SC Baden-Oos hat einen neuen Rekordstand erreicht.

Frage : Welche Vorteile beschert Ihnen das Mäzenatentum beim SC Baden-Oos? Image?

Grenke : Da will ich unterscheiden: Was Grenke Leasing macht, ist kein Mäzenatentum, sondern Sponsoring. Das heißt, wir sind davon überzeugt, dass das Geld, das wir ausgeben, uns mehr bringt, als es uns kostet. Wir legten beispielsweise unseren letzten Geschäftsbericht sehr stark auf das Thema Schach aus. In der Finanzwelt werben viele Kreditinstitute und Fonds mit Schachmotiven. Im Gegensatz zu diesen ist es bei uns so, dass wir das Schach selbst leben. Ich bin übrigens erst gestern in London bei einer Investoren-Konferenz auf unser Schach-Engagement angesprochen worden. Es zieht also Kreise. Man muss das Sponsoring auch dauerhaft sehen, damit es Nutzen bringt. Nur dann ist es auch glaubwürdig. Für uns hat Schach die Assoziationen nachzudenken, strategische und taktische Momente zu beachten und Langfristigkeit. Deshalb bin ich auch kein so guter Blitzspieler und mag lieber lange Partien. Ich werde auch ansonsten in der Geschäftswelt immer wieder auf unser Schach-Sponsoring angesprochen, selbst wenn manche Unternehmer nur die Grundregeln des königlichen Spiels kennen.

Frage : Viele Mäzene - mit Ausnahme der Bundesliga-Urgesteine Wilfried Hilgert (Porz) und dem Solinger Herbert Scheidt - verlieren irgendwann die Lust an der Unterstützung. Wie lange wollen Sie am Ball, besser am Brett, bleiben?

Grenke : Diese Entscheidung treffe ich nicht allein, sondern der Firmenvorstand.

Frage : Wenn aber der Mehrheitsaktionär dafür stimmt, können die anderen schwerlich dagegen etwas unternehmen ...

Grenke : Sagen wir so: Man muss es trotzdem wirtschaftlich begründen. Wenn diese Wirtschaftlichkeit fehlte, müssten wir Nein sagen. Im Moment sehe ich das nicht. Der größte Nutzen entwickelt sich meiner Meinung nach langfristig.


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