Der neue Weltmeister muss das Aufgeben lernenRuslan Ponomarjow jüngster Schach-Champion aller Zeitenvon Hartmut Metz, Januar 2002 |
In nur elf Jahren vom Anfänger auf den Schach-Thron. Mit sieben lernte Ruslan Ponomarjow die Grundzüge des königlichen Spiels, seit Mittwoch ist das im ostukrainischen Gorlowka geborene Wunderkind jüngster Schach-Weltmeister aller Zeiten. Die Bestmarke hatte bis dahin Garri Kasparow gehalten, der 1985 mit 22 den Titel gewann. Just 22 Züge dauerte auch die unspektakuläre letzte Partie in Moskau, in der sich sein Landsmann Wassili Iwantschuk in das Remis zum 4,5:2,5-Endstand fügte.
|
Der jüngste Weltmeister aller Zeiten: Ruslan
Ponomarjow
Als Ponomarjow mit elf ins Blickfeld der Experten geriet, prophezeiten sie dem schmächtigen Buben anhand seiner Partien, er trage den Marschallstab im Tornister. Vor allem die Reife der Spielanlage, die nichts Kindliches in sich barg, sondern streng der Logik Erwachsener folgte, verblüffte die Koryphäen. So gewann das in Kramatorsk lebende Talent bereits mit zwölf die U18-Europameisterschaft und heimste das Jahr darauf den U18-WM-Titel ein. Mit 14 Jahren und 17 Tagen brachte es Ponomarjow 1997 als jüngster Spieler aller Zeiten zu Großmeister-Ehren. Mit 16 führte er die U20-Weltrangliste an. Im Juni teilte der Jurastudent den ersten Platz bei der Europameisterschaft mit Emil Sutovsky (Israel) und führte im Oktober dank einer Glanzleistung die Ukraine zur Mannschafts-Weltmeisterschaft.
Der steile Aufstieg katapultierte ihn Anfang Januar in der Weltrangliste von Platz 20 auf sieben. Mit 2.727 Elo-Punkten steht er nun direkt vor dem bisherigen Aushängeschild seiner Heimat, Iwantschuk (2.717). Ein Ende der "Klettertour" nach oben ist noch lange nicht abzusehen. Der neue Champion des Weltverbandes FIDE, der die nächste WM Ende 2003 in London auszutragen gedenkt und dem Sieger von Moskau 400.000 Dollar überweist, bereitet sich professioneller als mancher Konkurrent vor. Der vor der WM als Geheimtipp gehandelte Ponomarjow hatte eine sechswöchige Spielpause eingelegt, um sich in aller Ruhe vorzubereiten. Zudem achtet der 18-Jährige auf körperliche Fitness, schwimmt und macht Gymnastik. Stundenlange Konzentration am Brett erfordert Kondition. Die besitzt der Schützling des zweifachen ukrainischen Landesmeisters Gennadi Kusmin. Trotzdem nahm er in den sechs K.o.-Runden drei Kilogramm auf unter einen Zentner Lebendgewicht ab.
Der schmalbrüstige, ja beinahe zerbrechlich wirkende Kramatorsker erinnert an den jungen Anatoli Karpow. Auch mit dem Stil des zwölften Schach-Weltmeisters wird die Nummer 17 dieser Reihe gerne verglichen. "Oh ja, wir machen beide technische Schnitzer und lassen unsere Gegner noch entwischen", scherzte Ponomarjow diesbezüglich. Die äußerliche Konstitution täuscht jedoch über deren Zähigkeit hinweg: Beider Stil besteht aus geduldigem Lavieren. Springt ein Kasparow die Gegner wie eine Raubkatze an, erinnert das Vorgehen von Ponomarjow wie Karpow an eine Würgeschlange: Langsam und unscheinbar engen sie ihr Opfer ein, schnüren ihm die Luftzufuhr ab, bis es ermattet darnieder sinkt. Gelingt es Kontrahenten wie Iwantschuk, die Umklammerung zu lösen und selbst die Daumenschrauben anzuziehen, verteidigen sich die Ponomarjows und Karpows dieser Welt jenseits jeglicher schachlicher Schmerzgrenze.
|
Der neue Fide-Weltmeister: Ruslan Ponomarjow
Diese leidvolle Erfahrung musste der spielerisch überlegene, aber nervlich schwächere Iwantschuk machen. Sein Widersacher zog mehrfach den Kopf aus der Schlinge. Die sieben Final-Partien bewertete Ponomarjow deshalb selbstkritisch: "Das war armseliges Niveau ohne richtigen Kampf." Der 32-jährige Iwantschuk meint, sein junger Landsmann müsse noch viel lernen. Vor allem das Aufgeben! Im "Wimbledon des Schach", im spanischen Linares, kämen im Februar ganz schwere Zeiten auf Ponomarjow zu, wenn er im Kreis der versammelten Weltelite wie im WM-Finale agiere. "Ruslan hat bisher noch kein Superturnier gespielt. Deshalb weiß er nicht, dass es sich nicht lohnt, hoffnungslose Stellungen zu verteidigen. Es ist besser aufzugeben und seine Nerven und Kräfte zu schonen." Neben Iwantschuk brennen vor allem der Weltranglistenerste Kasparow, der ebenso wie Braingames-Weltmeister Wladimir Kramnik das FIDE-Championat boykottiert hatte, und der im Halbfinale ausgeschiedene Ex-Weltmeister Viswanathan Anand (Indien) darauf, dem jungen Burschen in Linares diese Lehre zu erteilen.
die Partien des WM-Finales zum Download (pgn)
Die Partien zum online Nachspielen:
|
Ponomariov,R (2727) - Ivanchuk,V (2717) [C11]
|
|
Ivanchuk,V (2717) - Ponomariov,R (2727) [D20]
|
|
Ponomariov,R (2727) - Ivanchuk,V (2717) [B47]
|
|
Ivanchuk,V (2717) - Ponomariov,R (2727) [D20]
|
|
Ponomariov,R (2727) - Ivanchuk,V (2717) [C88]
|
|
Ivanchuk,V (2717) - Ponomariov,R (2727) [C42]
|
|
Ponomariov,R (2727) - Ivanchuk,V (2717) [B04]
|