Startseite Rochade Kuppenheim

Lübecker SV verteidigt Pokal

Nunn und Speelman sorgen für 2,5:1,5-Sieg im Finale über Baden-Oos

von Hartmut Metz, März 2002

mehr Schachtexte von Hartmut Metz

 

   Noch wachsen die Bäume für die Baden-Ooser Schachspieler nicht in den Himmel. Der angehende Bundesligist verlor im Kurhaus das Endspiel des deutschen Pokals mit 1,5:2,5. Es bedurfte aber schon des amtierenden deutschen Meisters und Cup-Verteidigers Lübecker SV, um den Zweitliga-Titelanwärter zu stoppen. Platz drei ging an die Stuttgarter SF, die den USC Magdeburg mit 2,5:1,5 niederrangen.

 

Ludger Keitlinghaus

Ludger Keitlinghaus

 

   Ludger Keitlinghaus, der am vierten Brett ein Remis gegen den Dänen Lars Bo Hansen verteidigte, hielt die Niederlage seines Teams für "verdient". Der Sieg von Spitzenspieler Peter Swidler über den Russen Wladimir Epischin sei nicht zwingend gewesen. Nach der Führung hätte Baden-Oos ein 2:2 gereicht. Doch das zweite Remis wollte sich nicht einstellen. "John Nunn besitzt außerordentliches Schachverständnis und hat mich einfach überspielt. Das war alles", suchte der ehemalige Weltranglistenzehnte Michal Krasenkow nicht nach Ausflüchten für seine Niederlage gegen den in Schachkreisen populären Engländer.

   Dessen Landsmann Jonathan Speelman hatte überdies am zweiten Brett Robert Hübner im Würgegriff. Frühzeitig wähnte sich der Baden-Ooser im Duell der ehemaligen WM-Kandidaten verloren. "Er hätte sich zäher verteidigen können", urteilte Speelman. Sein Mannschaftskamerad Hansen hatte jedoch wenig Zweifel an dessen Sieg. "Boris Spasski gewann 1966 ein fast identisches Endspiel gegen Bobby Fischer", erinnerte sich der 33-Jährige an eine zwei Lenze vor seiner Geburt gespielte Partie.

   Im Halbfinale am Samstag hatte Titelverteidiger Lübeck gegen den Wunschgegner aller, den aus der Bundesliga zurückgezogenen USC Magdeburg, fast mehr Mühe als Baden-Oos. Letztlich setzten sich die Hansestädter aber doch deutlich mit 3,5:0,5 durch. Die Gastgeber im Kurhaus befanden sich gegen Stuttgart alsbald auf der Siegerstraße. Michail Golubew raufte sich am Spitzenbrett schon nach 14 Zügen die Haare. Gegen Peter Swidler folgte der ukrainische Großmeister einer Variante, die er selbst in seinem Eröffnungsbuch über die so genannte Drachen-Variante dem Leser besonders ans Herz legte. Sein russischer Kontrahent widerlegte diese jedoch am Brett und hinterließ mit einem neuen Zug einen Kopf schüttelnden Golubew. "Ich lese keine Schachbücher mehr", bemerkte der Weltranglisten-17. Swidler maliziös nach seinem leichten Sieg.

   Im Analyseraum, in dem die Ooser Weltklassespielerinnen Ketino Kachiani-Gersinska und Jekaterina Kowalewskaja die Kämpfe besprachen, widmete sich Swidler ob seiner "langweiligen Partie" lieber einer spannenden Begegnung des Einzel-Wettbewerbs.

   In besagtem Halbfinal-Duell hatte sich der Hamburger Hannes Langrock gegen Harald Darius - er spielt für das berühmte Schachdorf Ströbeck, in dem sogar eine Schach-Partei im Gemeinderat sitzt - durchgesetzt. Im Endspiel bezwang Langrock dann auch den Berliner Favoriten Ulf von Herman nach einem Remis im Blitz mit 2:1 durch. "Meine motorischen Fähigkeiten waren besser, ich spielte nicht besser", kommentierte der 18-Jährige den glücklichen Sieg dank zweier Zeitüberschreitungen seines überlegenen Gegners.

   Da Hübner den sich abzeichnenden Erfolg Swidlers absah, einigte er sich mit den schwarzen Steinen gegen Rainer Buhmann nach zweieinhalb Stunden auf ein Remis. Weil Siege am ersten Brett bei einem 2:2 höher bewertet werden, entschied Ludger Keitlinghaus das Duell mit einem weiteren Remis. Obwohl er gegen Matthias Duppel überlegen stand, verhielt sich der Kurstädter mannschaftsdienlich und gab ein Dauerschach. Eine packende Partie spielte einmal mehr Michal Krasenkow, doch sein Kontrahent Dimitrij Bunzmann verteidigte nach einem spektakulären Springeropfer des Polen umsichtig das Remis.


Der Vorbericht:

Zweitligist vor dem Meister favorisiert

Pokal-Endrunde im Baden-Badener Kurhaus mit SC Baden-Oos, Titelverteidiger Lübecker SV, Stuttgarter SF und USC Magdeburg

 

   Meister Lübecker SV und zwei weitere Erstligisten mit den Stuttgarter SF und dem USC Magdeburg greifen nach dem deutschen Schach-Pokal. Im Baden-Badener Kurhaus ist jedoch der einzige Zweitligist, der den Sprung ins Halbfinale schaffte, favorisiert. "Wir hoffen, dass wir am Schluss vorne sind", räumt der Teamchef des SC Baden-Oos, Thilo Gubler, unumwunden ein.

   Dass die Herren der Schöpfung den Ooser Damen, die im Vorjahr den deutschen Cup an heimischer Stätte gewannen, nacheifern können, belegt die Statistik: Die Kurstädter liegen im Durchschnitt der Weltranglisten-Punkte über 2600 Elo. So viel bringt kein Konkurrent auf die Waage. Am Samstag (ab 14 Uhr) und Sonntag (Finale und Spiel um Platz drei ab 9 Uhr) sitzen in der Belétage WM-Halbfinalist Peter Swidler, der Pole Michal Krasenkow und der deutsche Ausnahmekönner Robert Hübner für die Gastgeber an den Brettern. Vierter Großmeister im Bunde dürfte Ludger Keitlinghaus oder Philipp Schlosser sein.

   Um den Kontrahenten die Vorbereitung zu erschweren, pokert Titelverteidiger Lübeck bei seiner Aufstellung. Klar ist nur, dass die Top-Ten-Riege mit dem Weltranglistenvierten Michael Adams, Jewgeni Barejew und Alexej Schirow nicht antreten kann. Adams und Schirow sind bis Sonntag im "Wimbledon des Schachs", im spanischen Linares, beschäftigt, und der Russe Barejew steht nicht auf der Pokal-Rangliste der Hansestädter. Dennoch hat Torben Denker das neuerliche Double für seinen Klub keineswegs abgeschrieben. "Wir wollen den Titel verteidigen und haben noch genügend starke Großmeister im Kader", bemerkt der Lübecker und verweist darauf, dass sein Quartett im Vorjahr auch ohne die Asse Rekordmeister Köln-Porz im Endspiel mit 2,5:1,5 bezwang.

   Die Domstädter fehlen heuer in der Endrunde. Dafür sorgten die Stuttgarter SF mit einer Sensation im Viertelfinale. Der Erfolg kam auch deshalb unerwartet, weil der schwäbische Bundesligist einen Aufstellungsfehler gemacht hatte. So ging das vierte Brett kampflos verloren, aber Jörg Hickl sorgte mit seinem Sieg am Spitzenbrett über Deutschlands Nummer eins, Christopher Lutz, dafür, dass den drei Stuttgartern ein 2:2 zum Einzug in die Endrunde genügte. Bei der Halbfinal-Auslosung am Samstag um 13.45 Uhr lautet das Wunschlos der drei Anwärter auf den Pokalsieg USC Magdeburg. Der Bundesligist hat sich mangels Finanzen aus dem Oberhaus zurückgezogen und ist deshalb nominell deutlich schwächer.

    Bereits am Freitag (18 Uhr) tragen die acht Qualifikanten für den deutschen Einzelpokal das Viertelfinale aus. Nomineller Favorit ist der Berliner FM Ulf von Hermann (SK König Tegel/DWZ 2342) vor IM Alexander Maier (SV Ilmünster/2321) aus Bayern und dem Brandenburger Vertreter FM Karsten Schulz (VBSF Cottbus/2301). Zudem qualifizierten sich Hannes Langrock (Hamburger SK/2294), Thomas Füllgrabe (SV Welper 1922/2272), Harald Darius (2209) aus dem berühmten Schachdorf Ströbeck, Malte Meyer (Delmenhorster SK) und der Württemberger Achim Engelhart (Sabt. TG Biberach).

   Die sicherlich spannenden Wettkämpfe an traditionsreicher Stätte - im Kurhaus fand anno 1870 das erste Superturnier der Schach-Geschichte statt, und 1925 trafen sich erneut zahlreiche Koryphäen - werden im Internet von www.Schach.com live übertragen.


zur Meko