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Abspaltung vom Bundesligisten Baden-Oos

Ausgerechnet SC-Ehrenvorsitzender Reiner Jung gründet Schachfreunde Oos

von Hartmut Metz, Juli 2002

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   Reiner Jung notiert geflissentlich die neuen Mitglieder mit dem graublauen Kugelschreiber der Grenke Leasing AG. Eine gewisse Ironie des Schicksals: Die Firma von Wolfgang Grenke brachte Jungs Stammverein, den Schachclub (SC) Baden-Oos, aus den Niederungen der Amateurklassen durch vier Aufstiege in Folge in die erste Bundesliga. Doch darin sah Jung nicht die Krönung seines "Lebenswerks". Es folgte der Zwist mit dem vieljährigen Vereinskameraden Grenke und seinen Helfern - sowie die Gründung eines neuen Vereins durch den Ehrenvorsitzenden Jung.

   Bundesligist SC Baden-Oos wurde am 29. Mai gespalten: Von den 103 Mitgliedern schließen sich 21 zu einem neuen Verein, den Schachfreunden (SF) Oos, zusammen. Jung durfte bei der Gründungsversammlung eine stattliche Zahl an Interessenten begrüßen. Es handelte es sich hierbei um weite Teile des "harten Kerns" des Klubs, bevor mit den Geldern von Wolfgang Grenke der Durchmarsch von der Landesliga ins deutsche Oberhaus begann. Pikant hierbei: Der nach 16 Jahren als Baden-Ooser Präsident zum Ehrenvorsitzenden des SC gekürte Reiner Jung ist nun Chef der Schachfreunde Oos. Zudem schließt sich das noch einzige lebende Baden-Ooser Gründungsmitglied aus dem Jahre 1947, Rudolf Jung, dem neuen Verein an. "Passives Mitglied bleibe ich aber beim Schachclub", betonte der 71-Jährige. Reiner Jung wollte dies bei sich - ebenso wie eine eventuelle Niederlegung seines Ehrenvorsitzes - von den Reaktionen seines Nachfolgers beim SC, Jürgen Gersinska, abhängig machen. "Vor der Mitgliederversammlung beim Schachclub äußere ich mich nicht zu dem Thema", verkündete Jung.

   Schwelt der interne Streit schon seit über einem Jahr beim SC, lief es sportlich bestens: Herren wie Damen stiegen mit Rekordvorsprung in die erste Liga auf. Beide werden auch im Oberhaus keine kleinen Brötchen backen: Für das Herren-Oktett verpflichtete Sponsor Wolfgang Grenke Ex-Weltmeister Viswanathan Anand, den deutschen Nationalspieler Rustem Dautov (bisher Spitzenspieler bei Godesberg), die Nummer vier von Bundesliga-Aussteiger Castrop-Rauxel, Großmeister Fabian Döttling, und den mehrfachen Internet-Weltmeister Roland Schmaltz, der bisher für Zweitligist Eppingen ans Brett ging. Zusammen mit den Weltklassespielern Peter Swidler, Michal Krasenkow und Robert Hübner sowie den Großmeistern Philipp Schlosser und Ludger Keitlinghaus plus IM Andreas Schenk ergibt dies ein schlagkräftiges Team, das nominell nur schlechter als Meister Lübeck und Vizemeister Köln-Porz ist. "Mit einem Platz unter den ersten Fünf sind wir zufrieden, die Konkurrenz zählte uns aber bei der Bundesliga-Tagung schon zu den Top 3", berichtete Teamchef Thilo Gubler, der bis zum Vorjahr den damaligen Bundesliga-Absteiger Baiertal-Schatthausen gemanagt hatte. Noch mehr in der Favoritenrolle im Kampf um den Titel befinden sich die Ooser Damen um die deutsche Nummer eins, Ketino Kachiani-Gersinska, denen wohl nur Turm Emsdetten Paroli bieten kann. Meister Dresden ist im Vergleich der Ratingzahlen mit der Großmeister-Riege aus der Kurstadt weit unterlegen.

 

Schachfreunde Oos

Die Stützen der Schachfreunde Oos mit dem Vorsitzenden Reiner Jung (stehend, Zweiter von rechts) und SC-Gründungsmitglied Rudolf Jung (vorne, rechts)

 

   Während im Vorfeld der Neugründung wie auch jetzt danach im Hintergrund von "Kriegsszenarien" zwischen den Parteien die Rede war, geben sich beide Seiten offiziell moderat: "Die Neugründung trifft uns nicht sehr", behauptet Gersinska und verweist darauf, "dass die Mitglieder der Schachfreunde bei uns ohnehin nicht am Spielabend teilnahmen." Der SC-Ehrenvorsitzende Jung bemängelt hingegen die fehlende Identifikation der zahllosen angeheuerten Spieler mit dem Verein. Bei seinen letzten sechs Besuchen des Trainingsabends fanden sich nur einmal neun Spieler ein, einmal seien es fünf und viermal karge drei Teilnehmer gewesen. Selbst bei vermeintlichen Höhepunkten wie einem Trainingsabend mit Rustem Dautov verlieren sich nicht einmal eine Handvoll Baden-Ooser im Vereinsdomizil Karpow-Schachzentrum. Die Gründe für den Abschied von dem sportlich äußerst erfolgreichen Schachclub wollen Jung&Co. gleich beseitigen: "Fehlende Kameradschaft, früher war Geselligkeit groß geschrieben und der Spielabend Freitag ist schlecht", beklagte SC-Gründer Rudolf Jung. "Unsere Zielsetzung ist eine andere. Wir vermissen ein aktives Vereinsleben", ergänzt der 41-jährige Reiner Jung. Ab September bauen die Schachfreunde wieder donnerstags ihre Bretter im Katholischen Gemeindezentrum auf. Am Spielbetrieb des Verbandes will der neue Schachklub mit mindestens einer Mannschaft in der Kreisklasse teilnehmen. Bis dato stehen dafür 16 Aktive zur Verfügung. Eine Fusion mit dem auseinander fallenden Verbandsliga-Absteiger Lichtental lehnt der neue Verein ab, obwohl dies auch Vorteile bei der Klasseneinteilung gebracht hätte. "Die restlichen Mitglieder können aber gerne bei uns eintreten", betont Reiner Jung. Die Schachfreunde Oos müssen in der nächsten Saison nicht in der untersten Liga, der Kreisklasse III, starten. "Der Bezirk bemüht sich um eine sportliche Lösung", hatte der kommissarische Bezirksvorsitzende Volker Neuwald einen Platz in der Kreisklasse I in Aussicht gestellt. Am Schluss wurde es immerhin die Kreisklasse II. Gegenstimmen gab es hierbei keine, auch nicht vom SC-Vorsitzenden Jürgen Gersinska. Bei neun Enthaltungen stimmte der Bezirkstag dem "Aufstieg" zu.

   Weitere Posten bei den Schachfreunden übernahmen Rainer Schechinger (stellvertretender Vorsitzender und Pressereferent), Erich Braun (Schatzmeister) sowie Udo Heizmann und Rüdiger Völker (Kassenprüfer). Reiner Jung fungiert zudem als Turnierleiter. Der Jahresbeitrag wurde auf 30 Euro festgesetzt. Ein spielstarker Akteur unterstützt den Klub mit einer passiven Mitgliedschaft: SC-Bundesligaspieler und Großmeister Philipp Schlosser. "Es soll ein friedliches Miteinander der Klubs geben. Für die unterschiedlichen Präferenzen beider Vereine habe ich Verständnis", erläuterte Profi Schlosser seine Doppel-Mitgliedschaft - dass das "positive Verhältnis" ein frommer Wunsch bleiben wird, musste er bald erfahren, als gleich von SC-Seite harsche Kritik über ihn hereinbrach. Schachclub-Chef Jürgen Gersinska weiß schließlich nur zu gut: "Eine Konkurrenzsituation wird zwangsläufig entstehen. Vor allem im Jugendbereich." Auch hier hatte sich Reiner Jung als "Mädchen für alles" einst rührig beim SC bemüht.

   Der SC Baden-Oos konterte bei seiner Vereinssitzung am 19. Juli und entzog bei einer Enthaltung dem Störenfried Reiner Jung den Ehrenvorsitz.


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