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Lieber Schach als Tanzen

Interview mit Maia Lomineishvili (Georgien)

von Dagobert Kohlmeyer, Dezember 2000


Maia Lomineishvili

Maia Lomineishvili

 

   Der Beginn ihrer Schachkarriere war kurios. Maia wurde als Fünfjährige in Tbilissi von ihrem Großvater in eine Tanzschule gebracht. In der Mittagspause fragte sie der dortige Lehrer, ob sie schon Schach spielen könne. „Nein", lautete die Antwort. Daraufhin brachte er ihr die ersten Züge bei. Schnell fand die kleine Maia am königlichen Spiel Gefallen und widmete ihm fortan ihre ganze Freizeit. Mit dem Tanzen fing sie gar nicht erst an, das war nicht ihre Leidenschaft. Eine richtige Entscheidung, wie sich herausstellen sollte, denn Maia Lomineishvili ist heute schon Schachweltmeisterin - zumindest bei den Studentinnen. Die heute 23-jährige Großmeisterin gewann den Titel mit 7,5 Punkten aus 9 Partien im September 2000 in Warna. Weitere Meriten dürfen nach ihrer Meinung gern folgen. Die angehende Journalistin wurde beim internationalen Turnier in Tunis von ihrem Freund und Betreuer Wolfgang Gerstner begleitet, mit dem sie gemeinsam bei den Karlsruher Schachfreunden spielt. Er fieberte jeden Tag im Turniersaal mit und hatte nicht unwesentlichen Anteil an ihrem geteilten 2.- 5. Rang im Gesamtklassement. Die freundliche Maia gab dem Reporter das folgende Interview.

Wie kam es zur Einladung nach Tunis?

Ich lernte Slim Bouaziz beim Open in Capella Grande kennen. Dort hat er mich angesprochen und von seinem Traditionsturnier erzählt. Ich bin der Einladung nach Tunesien gern gefolgt.

Seit wann bist Du Großmeisterin bei den Frauen?

Seit 1996. Damals erfüllte ich meine letzte Norm bei einem (männlichen) Rundenturnier in Moskau. Ich bin GM bei den Frauen und IM bei den Männern.

Wann spielt Maia, die Zweite, im georgischen Frauenteam?

Wir haben ja sehr starke Großmeisterinnen in unserem Land. Vielleicht klappt es bei der nächsten Olympiade.

Wer ist Dein schachliches Vorbild?

Ich habe kein spezielles. Ob Kasparow, Kramnik oder jemand anders, jeder hat seine Vorzüge.

Welche Eigenschaften und Fähigkeiten sollte ein guter Spieler besitzen?

Die wichtigste Voraussetzung sind starke Nerven. Und er muß kämpfen können wie Spartakus sowie hart arbeiten.

Wie viele Stunden bringst Du selbst am Tag für Schach auf?

Vier bis fünf Stunden, manchmal auch länger.

Was macht das Studium?

Ich bin ich schon bei der "magistratura". Das Thema meiner Doktorarbeit ist die Psycholgie im Schach.

Ich sah, wie du in Tunis Fragebögen in englischer Sprache an die anderen Turnierteilnehmer verteilt hast. Was steht darin?

Es geht um psychologische Aspekte des Wettkampfschachs. Zum Beispiel werden Männer gefragt, ob es ihnen etwas ausmacht, gegen Frauen zu spielen und umgekehrt. Ich werde die Erhebung noch vervollkommnen.

Was für ein Echo gab es darauf?

Die ausländischen Teilnehmer haben alle meine Fragen sehr schnell beantwortet, die Tunesier ließen sich Zeit damit.

Vielleicht ein Verständigungsproblem?

Ja, das ist möglich.

Ich möchte Dich selbst mit der letzten deiner Fragen konfrontieren. Was ist für dich wichtiger, die Schachlaufbahn oder die Familie?

Im Moment betreibe ich vorrangig meine Schachkarriere. Aber zu gegebener Zeit wird die Familie den Vorzug bekommen. Dann wird die Reihenfolge so lauten: 1. Famile, 2. Schach.

Wie kam es zu Deinen Kontakten mit Deutschland?

Das lief über Ketino Kachiani. Ihr Trainer Gogi Matscharashwili war zu Hause in Georgien auch meiner. Keti lud ihn nach Deutschland ein, um mit ihm zu arbeiten. Er hat dabei Kontakte geknüpft und mich nach Kuppenheim vermittelt. Von da bin ich später zu den Karlsruher Schachfreunden gewechselt.

Dort hast du auch Wolfgang Gerstner kennengelernt?

Ja, das war 1998.

Möchtest du ganz in Deutschland bleiben?

Mein Aufenthalt ergibt sich aus dem Bundesliga-Spielplan. Von Oktober bis April bin ich hier. Dann geht es nach Hause. Ich möchte ja mein Studium beenden.

Nimmst Du Wolfgang dann mit nach Tbilissi?

Nein. Er muß doch arbeiten.

Noch einmal zu den Idolen. Wen hältst Du für den besten Schachspieler aller Zeiten?

Früher verehrte ich Aljechin sehr. ln der heutigen Zeit bewunderte ich vor allem Kasparow. Als Schachgenie, weniger als Persönlichkeit. Kramnik verkörpert mehr das klassische Schach.


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