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Kasparow in Hochform

Ex-Weltmeister siegt in Wijk aan Zee

von Hartmut Metz, 3. Februar 2001

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   Garri Kasparow war wieder in Hochform: Beim Turnier im niederländischen Wijk aan Zee pöbelte er, benahm sich kindisch - und spielte exzellentes Schach. Nichts mehr von einem verzagenden Weltranglistenersten, der im WM-Match gegen Wladimir Kramnik in London keine der 15 Partien gewinnen konnte. Mit 9:4 Punkten sicherte er sich vor der versammelten Weltelite - die stärksten neun Großmeister spielten an der niederländischen Küste - souverän den Hattrick nach 1999 und 2000. Aggressiv wie eh und je zerschmetterte er fünf Gegner, die restlichen acht waren mehr oder minder froh, dem 37-jährigen Russen ein Remis abgeluchst zu haben.

   Lediglich in den Prestige-Duellen gegen Kramnik und den offiziellen Weltmeister des Weltverbandes FIDE, Viswanathan Anand, lief es nicht nach Plan. Kramnik entwischte aus verlorener Stellung heraus ins Unentschieden. Der Inder verpasste es nach beiderseits ausgelassenen Chancen, Kasparow den K.o. zu versetzen. Dann hätte der zweitplatzierte Anand (8,5) den Endstand umgekehrt, obwohl er im Gegensatz zu Kasparow Auslosungspech hatte und sowohl gegen den Ex-Champion wie im Vergleich der Weltmeister die schwarzen Steine führen musste. Auch in letzterer Begegnung besaßen beide Gewinnchancen, ohne sie zu nutzen. Weil Kramnik überdies eine seiner raren Niederlagen - die zweite in zwölf Monaten - gegen seinen russischen Landsmann Alexander Morosewitsch kassierte, wurde er nur Dritter.

   Der neue Weltranglistenzweite, dessen „wildes" WM-Match vom Oktober nach massiven Protesten nun doch in die Elo-Ratingzahl einfließt, nahm die Enttäuschung ebenso wie der diesmal uninspiriert agierende Anand mit stoischer Gelassenheit auf. Kramnik bewies gar Größe und schenkte dem ernstlich erkrankten Peter Leko nach nur fünfminütiger Spielzeit ein Remis, was ihn die letzten Chancen auf den Turniersieg kostete. Außerdem drückte er Alexej Schirow vor der Partie die Hand. Ein Verhalten, das Kasparow „zum ersten Mal in meiner Karriere" nicht für erforderlich hielt. Den Bruch der Tradition begründete der Moskauer mit den Vorwürfen Schirows. Der Lette mit spanischem Pass war nach seinem Zweikampf-Sieg über Kramnik um den WM-Kampf betrogen worden und hatte sich danach entsprechend abfällig in den Medien darüber geäußert. Eine Entschuldigung, die Kasparow einforderte, erachtete Schirow als überflüssig.

   Ausgerechnet das Hass-Duell brachte die Kehrtwende zugunsten Kasparows. Mit dem Sieg holte er den mit einem Punkt Vorsprung führenden FIDE-Vizeweltmeister ein und überflügelte diesen dank des leichteren Restprogramms auf der Zielgeraden. Den Erfolg über Schirow widmete er seinem an diesem Tag vor 30 Jahren verstorbenen Vater. Das Gedenken hielt das „Ungeheuer aus Baku" jedoch nicht davon ab, gleich nach der Partie seinen Großmeister-Kollegen Ian Rogers zu attackieren. „Du musst dich heute ziemlich unglücklich fühlen", raunzte er den Australier an. Der Journalist erkundigte sich unbedarft nach dem Grund. „So wie du über mich schreibst, freust du dich über jede Niederlage von mir", schnaubte Kasparow. Wenigstens hatte das Publikum an diesem Tag „richtig" entschieden. Es sprach dem Ex-Weltmeister den Preis für die beste Partie zu. Die frohe Kunde überbrachten die Organisatoren sogleich mit Bedacht - ansonsten hätte Kasparow die Pressekonferenz einmal mehr aus diesem nichtigen Grund platzen lassen.









Stellung nach:

W: Kasparow S: Schirow

1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 3.Sxe5 d6 4.Sf3 Sxe4 5.d4 d5 6.Ld3 Ld6 7.0-0 0-0 8.c4 c6 9.Dc2 Sa6 10.a3 Lg4 11.Se5 Lh5 12.cxd5 cxd5 13.Sc3 Die Neuerung. 13...Sxc3 14.bxc3 Kh8 15.f4 Lxe5? Kasparow plädiert stattdessen für 15...f6 16.Sf3 Dd7 17.Sh4 g6 und Schwarz könne noch in schlechterer Stellung kämpfen. 16.fxe5 Lg6 17.a4! Dd7 18.La3 Tfe8 19.Lxg6 fxg6 20.Db3 b6 21.Ld6 Sc7 22.Tf3 Tac8 23.Taf1 h6 24.Dc2 Dg4 25.Tg3 Dh5 Nichts ändert 25...De4 26.Dxe4 dxe4 27.Lxc7 Txc7 28.Te1 und nach dem Nehmen auf e4 ist das Endspiel hoffnungslos für Schwarz. 26.Th3 Dg5 27.Tg3 Dh5 28.Lxc7 Nachdem der Läufer lange genug die Koordination der schwarzen Figuren empfindlich gestört hat, wickelt Kasparow in ein gewonnenes Endspiel ab. 28...Txc7 29.Txg6 Dh4 Im Falle von 29...Txc3 spielt Weiß zunächst 30.Txh6+, ehe er auf c3 zugreift. Auch 29...Tec8 30.Tg3 gestaltet die Lage kaum erträglicher. 30.h3 Dxd4+ 31.cxd4 Txc2 32.Tf7 Der Rest ist einfach: Kasparow erobert den d-Bauern und drückt die Zentralbauern durch. 32...Tg8 33.Td6 Tc4 34.Txd5 Txa4 35.Tdd7 Ta1+ 36.Kf2 Ta2+ 37.Kf3 Kh7 38.e6 Kg6 39.d5 Tc8 40.Tc7 Te8 41.g4 a5 42.Txg7+ Kf6 43.Tgf7+ Ke5 44.Tf5+ Kd4 45.e7

1:0

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