Anand und Adams die großen FavoritenInterview mit Peter Swidler vor der Fide-WMvon Hartmut Metz, November 2001 |
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Peter Swidler
Die Erfolgsliste von Peter Swidler klingt imposant: Dreifacher Landesmeister der Schach-Großmacht Russland, seit 1994 gewann der Weltranglisten-17. viermal mit der Nationalmannschaft die Olympiade, dazu den WM-Titel 1997. Als größte Einzel-Turniersiege wertet der 25-Jährige die ersten Plätze in Tilburg 1997, Dortmund 1998 und Biel 2000. Swidler gilt nicht nur als exzellenter Spieler, der das Pech hat, in Russland im Schatten von Braingames-Weltmeister Wladimir Kramnik sowie dessen Vorgängern Garri Kasparow und Anatoli Karpow zu stehen, sondern auch als eloquenter Gesprächspartner und Autor. Vor der Fide-WM in Moskau unterhielt sich Hartmut Metz mit dem ehemaligen Weltranglisten-Siebten aus St. Petersburg, der seit dieser Saison für Zweitligist SC Baden-Oos ans Brett geht.
Metz: Herr Swidler, bei den beiden letzten Weltmeisterschaften im K.o.-Modus schieden Sie jeweils im Viertelfinale gegen den Engländer Mickey Adams aus. Ist er wieder Ihr Schicksal oder rechnen Sie sich diesmal mehr aus?
Peter Swidler: Natürlich würde ich gerne Weltmeister werden, wer will das nicht? Meine Chancen auf den Titel sind aber nicht riesengroß. Ich spiele zu wenig konstant. Ich denke deshalb nur von Runde zu Runde.
Metz: Wer sind Ihrer Ansicht nach die Favoriten? Kann der Inder Viswanathan Anand seinen Titel verteidigen?
Swidler: Auf der Hand liegende Favoriten sind für mich Vishy und Michael Adams. Etwa zehn andere - angeführt von Alexej Schirow und Alexander Morosewitsch - dürfen sich Hoffnungen machen. Vishy Anand hat auf jeden Fall gute Chancen, seinen Titel zu verteidigen - wenn man den Druck außer Acht lässt, der auf ihm lastet.
Metz: Was trauen Sie Ex-Weltmeister Anatoli Karpow zu? Erstaunt Sie seine Entscheidung, dass er nach seinem Privatkrieg mit der Fide plötzlich doch bei der WM mitspielt und das gleichzeitig in Moskau stattfindende Botwinnik-Gedenkturnier mit Kramnik und Kasparow absagte?
Swidler: Karpows Entscheidung muss der Mann selbst begründen. Ich wurde davon ziemlich überrascht. Und ich glaube nicht, dass seine Chancen besonders hoch sind - aber er wird sicher ganz ordentlich abschneiden. Vielleicht sogar bis zum Halbfinale ...
Metz: Der titelsüchtige Karpow soll mit seiner Kehrtwende seine Aussichten vergrößern, Präsident der Fide zu werden.
Swidler: Ich habe keine Ahnung von den politischen Scharmützeln der Fide. Ich hörte diese Gerüchte ebenso - aber sie beschäftigen mich nicht sonderlich. Ich versuche mich auf mein Schach zu konzentrieren.
Metz: Bedauern Sie es, dass Kramnik und Kasparow nicht bei der Fide-WM mitspielen? Oder sehen Sie es eher aus einer pragmatischen Warte heraus: Gut, dass zwei Topleute fehlen, erhöht schon meine Chancen auf eine Stange Preisgeld, das rund 4,8 Millionen Mark beträgt?
Swidler: Es ist weit wichtiger, die Zusammenhänge langfristig zu sehen und sich nicht von kurzfristigen Motiven leiten zu lassen. Ich finde deren Abwesenheit auf jeden Fall bedauerlich. Wir alle brauchen eine Titelvereinigung.
Metz: Wen halten Sie für den derzeit Besten oder wahren Weltmeister?
Swidler: Aus meiner Sicht würde ich Kasparow als stärksten Turnierspieler bezeichnen. Weltmeister gibt es zwei, so lange sich die Fide und Braingames nicht einigen. Sich allzu viele Gedanken darüber zu machen, wer nun der wahre Weltmeister sein soll, ist Zeitverschwendung. Selbst nach der reinen Spielstärke zu differenzieren, empfinde ich als müßig. Ich will mich nicht für die Behauptung festnageln lassen, Kasparow oder Kramnik sei stärker. Und außerdem sollte Anand nicht vergessen werden, nur weil er mal ein schlechtes Turnier gespielt hat.
Metz: Noch ein Wort zur deutlich verkürzten Bedenkzeit, die die Fide bei der WM durchdrückt.
Swidler: Diesbezüglich äußerte ich mich schon mehrfach eindeutig: Ich bin kein Fan der neuen Zeitkontrolle. Das Hauptargument der Fide, Schach müsse telegener gemacht werden, halte ich bei einer Zeitverkürzung von sieben auf fünf Stunden für Humbug. Da lügt man sich doch selbst in die eigene Tasche. Ich sehe durch diesen Schritt die Qualität der Partien bedroht. Klassisches Turnierschach wie Schnellschach bestehen gut nebeneinander - warum also solch einen blödsinnigen Zwitter einführen?
Metz: Deutschland hat momentan keinen Großmeister mehr, der im Kampf um die Weltmeisterschaft eine Rolle spielt. Beim Zweitliga-Aufstiegsfavoriten SC Baden-Oos spielen Sie seit dieser Saison mit Robert Hübner zusammen. Was halten Sie vom immer noch bekanntesten deutschen Schachspieler, der vor etwas mehr als 20 Jahren bis ins Herausforderer-Finale der WM gegen Viktor Kortschnoi gelangte?
Swidler: Robert ist ein großer Spieler, gewiss einer der besten, die der Westen nach dem Zweiten Weltkrieg hervorbrachte. Jetzt spielt er nicht mehr so viel - aber wenn doch, ist er für jeden immer noch ein gefährlicher Gegner! Ich finde es klasse, ihn in unserer Mannschaft zu haben.
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