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Weder Wodka noch Doping bringen Gehirnwindungen auf Trab

Laut Dr. Helmut Pfleger überwiegen bei allen Mittelchen negative Begleiterscheinungen

von Hartmut Metz, Dezember 2001

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   „Wodka ist kein Doping für einen Schachspieler!" Diese Losung gab Kirsan Iljumschinow bei der WM-Eröffnungsfeier in Moskau aus. Der Toast des Präsidenten des Schach-Weltverbands (FIDE) kreiste fortan als geflügeltes Wort so häufig durch den Saal wie die randvoll gefüllten Gläser unter den Gästen. Die schwermütige russische Seele freundete sich lieber mit dem neuen Trinkspruch an als mit den Dopingproben, die bei der Weltmeisterschaft erstmals durchgeführt werden.

   Das königliche Spiel will unbedingt olympisch werden. Zarte Bande mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) knüpfte Iljumschinow bereits 1998, als das WM-Finale zwischen Titelverteidiger Anatoli Karpow (Russland) und dem Inder Viswanathan Anand im Olympischen Museum in Lausanne ausgetragen wurde. IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch zeigte sich begeistert und verfolgte täglich die Partien. Der mächtige Spanier erhob den Denksport sogleich in Sydney zum Demonstrationswettbewerb. Anand und Alexej Schirow (Spanien), die sich kaum ein Vierteljahr später wieder im WM-Finale gegenübersaßen, trennten sich 1:1. Nach dem Abschied von Samaranch glitt die Diskussion zwar dahingehend ab, dass Schach wegen der überbordenden Sommer-Wettbewerbe in die Winterspiele integriert werden sollen - erstrebenswert bleibt das Ziel für die FIDE dennoch.

   Wer bei Olympia dabei sein will, muss sich den Doping-Richtlinien des IOC unterwerfen - so unsinnig sie auch für das Schach sein mögen. Vor der heutigen letzten Partie liegen im WM-Halbfinale Titelverteidiger Anand und Wassili Iwantschuk nach drei Remis gleichauf, während der 18-jährige Geheimtipp Ruslan Ponomariow (beide Ukraine) gegen Peter Swidler (Russland) 2:1 führt. So steht es auch im Endspiel der Frauen zwischen der Chinesin Zhu Chen (China) und der 17-jährigen Russin Alexandra Kostenjuk. Dass dabei einer der Protagonisten des Dopings überführt wird, hält Großmeister Helmut Pfleger für ausgeschlossen. Der 58-jährige Münchner Mediziner wies nach, dass im Schach "sowohl dämpfende als auch stimulierende Substanzen unliebsame Nebenwirkungen haben".

   Pfleger erinnert sich an einen Selbstversuch, um die eigenen Emotionen zu zügeln: "1979 nahm ich bei einem Weltklasse-Turnier in München vor meiner Partie mit Ex-Weltmeister Boris Spasski einen Beta-Blocker. Das hatte katastrophale Folgen: Pulsfrequenz und Blutdruck sanken in den Keller. Mit großem Gleichmut spielte ich einen ziemlichen Käse und verlor sang- und klanglos." Bei Stimulanzien sieht der Großmeister wiederum die Gefahr, dass "bei langen Partien gerade in der Abklingphase des Amphetamins besondere Wachheit erforderlich wäre, dann aber die deprimierende Wirkung des Amphetamins einsetzt".

   Der bei vielen Schachspielern beliebte Kaffee sorge nur in Ausnahmefällen für überhöhte Koffeinwerte, berichtet der TV-Kommentator von Schach- wie naturwissenschaftlichen Sendungen. "Bei Stoffwechselstörungen können schon zwei Tassen Kaffee für eine positive Probe genügen, generell gilt aber: Der Koffein-Wert, bei dem Doping vorliegt, wurde so hoch gewählt, dass er bei normalen Lebensgewohnheiten nicht erreicht wird. Bei größeren Mengen von Kaffee überwiegen zudem die negativen Kreislaufwirkungen, außerdem setzen Störungen des klaren Denkens ein."

   Letzteres gilt auch bei Wodka. Ein reicher Schnösel lud einst Emanuel Lasker und Géza Maroczy zu einem Dinner ein. Als Aperitif ließ er ein Schachspiel kredenzen, bei dem die Figuren durch kleine und große Flaschen mit hochprozentigen Alkoholika ersetzt waren. Jede geschlagene Flasche sollte vor dem nächsten Zug geleert werden. Um die Unlust der beiden Koryphäen zu überwinden, setzte der spleenige Millionär 1.000 Dollar für den Sieger aus. Lasker bekam die weißen Steine zugelost und wurde seinem Ruf als gewitzter Psychologe gerecht:










Emanuel Lasker - Géza Maroczy
Hochprozentiges Schach

 

Nach den Bauernzügen 1.e4 e5 brachte der Weltmeister seine Dame ungewöhnlich früh im zweiten Zug nach h5 in Stellung: 2.Dh5! Unbedarft zog Maroczy 2...Sc6, wonach Laskers Dame kurzerhand auf f7 mit einem Schachgebot einschlug: 3.Dxf7+! Kxf7 Während Lasker den kleinen Likör rasch gekippt hatte, musste der Ungar die Kognakflasche schlucken. Laskers riskantes Damenopfer zahlte sich alsbald aus.

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Wodka ist in der Tat kein Doping für Schachspieler.

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