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Zwei gute Bretter sind zu wenig

Deutsche Spitzenspielerin Ketino Kachiani-Gersinska bietet Welt- und Vizeweltmeisterin Paroli

von Hartmut Metz, November 2000

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Ketino Kachiani-Gersinska

Ketino Kachiani-Gersinska bei der Schacholympiade in Istanbul

   Großmeisterin Ketino Kachiani-Gersinska hat bei der Schach-Olympiade in Istanbul überragend gespielt. Die für Damen-Regionalligist SC Baden-Oos ans Brett gehende Muggensturmerin holte 9,5:4,5 Punkte und führte die deutsche Nationalmannschaft auf Platz acht unter 86 Ländern. Unter anderem remisierte die 29-Jährige gegen Weltmeisterin Xie Jun (China) und schlug Vizeweltmeisterin Alisa Galliamowa (Russland) in einer Mammutpartie über 100 Züge. Hartmut Metz unterhielt sich mit Ketino Kachiani-Gersinska über diesen Erfolg sowie die Ende November anstehende Weltmeisterschaft in Neu Delhi (Indien) und Teheran (Iran).

Frage: Die deutschen Schachspieler sorgten in Istanbul mit dem Gewinn der Silbermedaille für eine Sensation. Hat das auch Ihr Team beflügelt?

Ketino Kachiani-Gersinska: Das war eine einmalige Leistung, die die Herren gebracht haben. Die Erfolge sorgten für eine exzellente Stimmung, auch bei den Damen. Wir drückten stets kräftig die Daumen. Mit unserem achten Platz sind wir sehr zufrieden. Das ist die beste Platzierung, seit ich für Deutschland spiele.

Frage: Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus? Sie starteten sehr holprig mit Niederlagen gegen die USA und Spanien. Anschließend kamen Sie jedoch dermaßen in Schwung, dass selbst Welt- und Vizeweltmeisterin keine übermächtigen Gegnerinnen mehr darstellten.

Kachiani-Gersinska: Am Anfang lief es ein bisschen unglücklich. Ich wollte weder gegen die USA noch Spanien ein Remis. Ich sagte mir: „Wer nicht kämpft, gewinnt nicht." So überzog ich gegen die USA die Stellung und verlor. Die Spanierin war sehr gut vorbereitet und schlug mich mit einer Eröffnungsempfehlung von Anatoli Karpow, die ich nicht kannte. Danach war ihre Position dermaßen überlegen, dass sie nicht mehr viel machen musste, um zu gewinnen. Das war schade, weil sie nicht besonders stark ist - aber anschließend kam ich auf Touren. Mir gelang mein bisher bestes Resultat bei einer Olympiade. Nur bei der Europameisterschaft schnitt ich noch besser ab.

Frage: Ihr Kampfgeist zahlte sich danach aus.

Kachiani-Gersinska: Ja. Bis auf ein kurzes Remis gönnte ich mir keine Pause.

Frage: Durften Sie auch nicht. Hinter Ihnen und der 15-jährigen Erfurterin Elisabeth Pähtz klaffte ein Leistungsloch. Sowohl Anke Koglin als auch Bettina Trabert konnten als Nummer drei nicht überzeugen.

Kachiani-Gersinska: Ich habe mich richtig gefreut, dass das zweite Brett plötzlich auch so mitzieht - wenn dann noch das dritte hinzugekommen wäre, hätten wir sogar eine Medaille geholt (lacht). Anke und Bettina, die gesundheitliche Probleme hatte, kämpften wacker. Vielleicht spielten bei ihnen doch die Nerven zu sehr mit, wenn es gegen die Großen wie China ging. Zu zweit ist es eben schwer in einem Dreierteam.

Frage: Mit einer dritten Frau Ihres Kalibers oder vom Format von Talent Elisabeth Pähtz, die 8,5:3,5 Punkte holte, lägen selbst die besten Mannschaften in Reichweite.

Kachiani-Gersinska: Stimmt schon. Gegen Gesamtsieger China hatte ich trotz Schwarz mit Weltmeisterin Xie Jun keine Probleme. Elisabeth stand sogar sehr gut, akzeptierte aber eine Remisofferte, um ihre Norm für den Großmeisterinnen-Titel abzusichern. Die Chinesinnen bieten immer Remis an, wenn sie schlecht stehen. Für ein junges Mädchen ist die Entscheidung dann schwer, es ist aufgeregt. Wegen der Erfüllung der Norm kann ich Elisabeths Entscheidung verstehen, das nächste Mal soll und wird sie aber in günstiger Position weiterkämpfen. Anke verlor leider schnell. Auch gegen die drittplatzierten Russinnen war mehr als das 1,5:1,5 möglich.

Frage: Als einzige Weltklassespielerin bestritten Sie alle 14 Partien, ohne die Ersatzleute zu beanspruchen.

Kachiani-Gersinska: Ich merkte, dass die Mannschaft ohne mich Probleme hat. Anke und Bettina sind sehr gute Schachspielerinnen, gegen die richtig Guten können sie aber leider kein Remis halten. Und da ich mich nicht müde fühlte, spielte ich eben durch.

Frage: Bei den Einzel-Weltmeisterschaften haben Sie sich bisher nicht mit Ruhm bekleckert. Was wäre denn in Neu Delhi von Ihnen zu erwarten, könnten Sie die Form in die nächsten fünf Wochen hinüberretten?

Kachiani-Gersinska: Prinzipiell gefällt mir das K.o.-System. Wenn es gut läuft, fein. Wenn nicht, fliegt man raus, spart Zeit und Kräfte und fährt heim.

Frage: Dann anders gefragt: Für wann haben Sie den Rückflug aus Indien gebucht?

Kachiani-Gersinska: Keine Ahnung. Darum kümmert sich mein Mann Jürgen. Es besteht aber alle paar Tage die Möglichkeit zurückzufliegen.

Frage: Offiziell will der Weltverband FIDE acht Millionen Mark Preisgeld auszahlen. Sofern er sie tatsächlich besitzt, was mancher Qualifizierte bezweifelt, wie viel bekäme die neue Weltmeisterin?

Kachiani-Gersinska: Angeblich rund eine Million Mark. Ich weiß es jedoch nicht genau.

Frage: Glauben Sie, dass sich wieder die Titelverteidiger Xie Jun und bei den Herren der Russe Alexander Chalifman die höchsten Börsen sichern?

Kachiani-Gersinska: Xie Jun kann bei den Damen gewinnen, aber beim K.o.-System spielen die Nerven, Psychologie und Glück eine Rolle, weshalb es einige Aspirantinnen gibt. Bei den Herren kann ich mir nicht vorstellen, dass Chalifman nochmals ein Außenseitersieg gelingt.


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