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25 Jahre "kühner" Metz-Angriff

Vergesslichkeit gepaart mit "Das neue Königsgambit" schafft neues System

von FM Hartmut Metz, 23. Februar 2012

 

"Mit dem Metz-Angriff 4.De2!? Steht dem Weißen eine ausgefallene Möglichkeit offen, welche gänzlich andere Stellungen als die arrivierten Varianten hervorbringt. Tatsächlich bin ich ein wenig überrascht, dass der Metz-Angriff nicht häufiger gespielt wird, da er zudem recht stark zu sein scheint … Für diejenigen, die kühn auf noch recht jungfräulichen Pfaden wandeln wollen, gebe ich eine kurze Zusammenstellung", schreibt Thomas Johansson in seinem Werk Das Königsgambit für den erfindungsreichen Angriffsspieler (The King's Gambit for the creative aggressor), das 1998 im Schachverlag Kania in einer deutsch-englischen Version erschien (Preis: rund 12,50 Euro).

Das letzte sehr gute deutschsprachige Buch über das Königsgambit ordnet nicht nur den Wert der Variante nach 1.e4 e5 2.f4 d5 3.exd5 c6 4.De2 ein - Johanssons Ausführungen entsprechen auch zum Teil den Empfindungen, die ich während der Stammpartie hatte: Merkwürdige Stellungen kamen aufs Brett, wie ein Patzer zog ich die Dame übers Brett - sechsmal in 13 Eröffnungszügen! Und trotzdem stand Weiß danach grandios! Was war am 22. Februar 1987 im Verbandsliga-Duell mit Jörg Schlenker geschehen? Der Donaueschinger galt als starker Spieler, der seine Kontrahenten vor allem mit originellen, mutigen Varianten aus dem Konzept brachte - doch diesmal übertraf ihn sein Gegner. Inspiriert hatte ihn "Das neue Königsgambit - Ein Angriffsprogramm für Weiß". Darin zeigte Stefan Bücker, der Theoriegott aller Liebhaber krummer Varianten (ich schreibe nur "Der Geier", den auch Schlenker mochte), inspirierende Wege im Königsgambit auf. Unter anderem übten er und seine Kameraden die "Nordwalder-Variante" (2...Df6) bis zum Exzess. Das 96-seitige Bändchen aus dem Franckh-Kosmos-Verlag erwies sich als Fundgrube - dummerweise war es aber auch so vielschichtig und verwirrend, dass ein kleines Kuppenheimer Hirn nicht alles im Hinterstübchen abspeichern konnte, was Bücker 1986 aufgeschrieben hatte.

"Da war doch ein Damenzug", dürfte es noch die Gehirnwindungen im Mannschaftskampf durchzuckt haben, als Schlenker das Nimzowitsch-Gegengambit anstrebte. Also rasch tapfer 4.De2 gezogen, um den bewanderten Kontrahenten zu verblüffen - aber danach verließen sie ihn. Jetzt musste Herr Metz alleine spielen und verbesserte erstaunlicherweise das Spiel von Alexander Aljechin, der 1911 in Karlsbad gegen Hans Johner den Kürzeren gezogen hatte. Immerhin gelang das dank der irgendwo doch abgespeicherten Manöver überraschend gut. Schlenker, der mich zwei Jahre zuvor noch fürchterlich verprügelt hatte, wurde in der Folge zu einem meiner Lieblingsgegner. Seine Versuche - wie auch einiger Nachfolger - scheiterten alle, den "Metz-Angriff" zu widerlegen. So wurde die Variante schmeichelhafterweise dank eines Fernschach-Thematurniers ab 1992 genannt. In dem Thematurnier "Metz Attack", das der Brite Fred Fraser veranlasste, spielte ich natürlich auch mit, belegte aber in der Finalrunde nicht den ersten Platz. Durchaus verständlich, weil ich mich mit Schwarz gegen den riesigen Metz-Angriff enorm schwer tat … 4,5/5 mit Weiß stimmten allerdings mehr als versöhnlich! Zudem brachte die Finalrunde 1996 die Theorie zu der unorthodoxen Variante voran.

In der Datenbank (pgn-Datei) befinden sich 46 mehr oder weniger relevante Partien. Dabei fand die Variante auch "Fans" in GM- und IM-Kreisen mit Bogdan Grabarczyk, Marc Narciso Dublan und Jarko Penttinen. Alte Schachfreunde von mir wie Roland Kleinschroth und Jürgen Brustkern, die das Königsgambit genauso wenig scheuen, sollen ebenso genannt werden. Die Statistik sieht auch sehr gut aus mit fast 70 Prozent der Punkte für Weiß. Die Performance von 2404 Elo gegen einen Elo-Schnitt von 2220 überzeugt ebenfalls. Allerdings verzerrt diese, weil zum einen die Elo-Zahlen der Spieler aus den 80er und 90er Jahren fehlen. Zum anderen fanden einige schwach gespielte Partien keinen Eingang in die kleine Datenbank. Sie verletzten die "Grundprinzipien" des Metz-Angriffs, sprich die Dame wurde zu selten gezogen …

Am besten gefällt mir bis heute die Stammpartie von 1987. Sie wirkt wie aus einem Guss. Gekrönt hätte diese noch ein grandioses Läufer-Matt nach vorherigem Damen- und Turmopfer. Das übersah ich, muss ich zu meiner Schande gestehen - lieber wählte ich ein profanes und damit "sichereres" Matt in sechs statt vier Zügen. Das hielt aber anscheinend einen Partienerfasser nicht davon ab, den "Lapsus" zu beseitigen und die Partie in die Megabase mit dem Läufermatt einzupflegen. Unverdienter, aber später Ruhm … Hier das Duell von vor 25 Jahren gegen Jörg Schlenker.











Metz,H - Schlenker,J [C31]
Donaueschingen-Kuppenheim, Brett 1, VL (7), 22.02.1987

1.e4 e5 2.f4 d5 3.exd5 c6 In dieser Stellung hatte ich wie gewöhnlich die Theorie vergessen. Im Geiste des zuvor durchgeackerten innovativen Büchleins "Das neue Königsgambit" von Stefan Bücker ersann ich etwas Unorthodoxes. 4.De2 4...cxd5 5.fxe5 Sc6 6.Sf3! Die Neuerung, deren Idee erst mit dem nächsten Zug offenbar wird. [ In der Partie Aljechin - Johner, Karlsbad 1911 geschah schwächer: 6.c3 d4 7.Sf3 Sge7 8.d3 Sg6 9.De4 Lc5 10.Sbd2 0-0 11.Sb3 f5 12.De2 Lb6 13.Lg5 Dd7 14.Dd2 f4 15.cxd4 Sxd4 16.Sbxd4 Lxd4 17.Db4 Le3 18.d4 Dg4 19.Lh4 Sxh4 20.Lc4+ Le6 21.Lxe6+ Dxe6 22.Sxh4 Dg4 23.Sf3 Dxg2 24.Tf1 Tac8 25.Sd2 Tfd8 26.Sc4 f3 27.Txf3 Dxf3 28.Sd6 Df2+ 29.Kd1 Df1+ 30.De1 Dd3+ 31.Dd2 Dxd2# ] 6...Lg4 7.Df2! Mit dem erneuten Damenzug nimmt Weiß die Dame aus der Fesselung, droht d4 und gibt dem Läufer den Weg frei. 7...Lxf3 8.Dxf3 Sd4? [ 8...Sxe5 9.Lb5+ Sc6 10.0-0 Sf6 ( 10...Db6+ 11.d4 Dxb5 12.Dxf7+ Kd8 13.Dxf8+ ) 11.d4+/- gibt Weiß ebenfalls das deutlich überlegene Spiel, wie später zahlreiche Partien in dem Fernschach-Thematurnier "Metz Attack" zeigten.] 9.Dd3!+/- Lc5?! [ 9...Dh4+ 10.g3 De4+ 11.Dxe4 dxe4 12.Kd1 0-0-0 13.Lh3+ Kb8 14.c3 Sf3 15.Lf5 Sxe5 16.Lxe4 Sf6 17.Lg2 Sd3 18.Kc2 Sg4 19.Lf3 Sgf2 20.Tf1 Le7 21.b4 h5 22.Sa3 Lf6 23.Sc4 Sg4 24.Le4 Sxb4+ 25.Kb3 Sd3 26.La3 b5 27.Sa5 Sge5 28.Kc2 Kc7 29.Sb7 Td7 30.Sc5 Sxc5 31.Lxc5 Thd8 32.d4 Sc4 33.Tfb1 a6 34.a4 Le7 35.axb5! Lxc5 36.dxc5 Td2+ 37.Kb3 axb5 38.Ta7+ Kc8 39.Kb4 Te2 40.Lc6 Td1 41.Tb3 Sd2 42.Kxb5!! Sxb3 43.Kb6 Ta1 44.Txf7 Ta6+ 45.Kxa6 Sxc5+ 46.Kb5 1:0, Metz - Happe, 11. Deutsche Junioren-Fernschachmeisteerschaft, Finale 1989. ] 10.c3 Sc6?! 11.Dg3 Kf8 [ 1990 versuchte Schlenker wieder im Mannschaftskampf mit Donaueschingen: 11...d4 12.Dxg7 Dh4+ 13.Kd1 0-0-0 14.Dxh8 Dg4+ 15.Le2 Dxg2 16.Te1 d3 17.Lxd3 Txd3 18.Dxh7 Tf3 19.De4 f5 20.exf6 Sxf6 21.De2 Tf2 22.Dc4 Df3+ 23.Kc2 Df5+ 24.Dd3 Dh5 25.b3 Se5 26.Txe5 Dxe5 27.Dh3+ Sd7 28.Dg3 De4+ 29.Dd3 De1 30.b4 Tf1 31.Sa3 Dd1+ 32.Kb2 Sb6 33.Dc2 Le7 34.Dxd1 Txd1 35.d4 Th1 36.Kb3 Sd5 37.Lb2 Txh2 38.Te1 Th3 39.Te5 Sxb4 40.Txe7 Sc6 41.Te4 Th2 42.Sc4 b5 43.Sd6+ Kc7 44.Sxb5+ Kb6 45.Sd6 Sa5+ 46.Ka3 Th6 47.Sf5 Th3 48.Te2 Tf3 49.Sd6 Kc6 50.Kb4 Kxd6 1:0.] 12.d4 Le7 Der kritischste Moment in der ganzen Partie!! Lange, lange erwog ich irgendwelche Läuferausflüge - bis mir urplötzlich auffiel, dass Lh4 mit Damenfesselung drohte!! Danach hätte ich die Variante wahrscheinlich nie mehr gespielt. So nahm alles ein schönes Ende. 13.Df3 Tc8 14.Sd2 Lg5 15.Ld3 Sh6 16.0-0+- 16...Tc7 17.Sb3 g6 18.Dg3 Lxc1 19.Sxc1 Kg7 20.Se2 Tf8 21.Sf4 Kh8 22.Dh3 Kg7 23.Tf3 Te7 24.Tg3 Sg8 25.Sh5+! Kh8 26.Sf6 Sxf6 27.exf6 Tee8 28.Tf1 h5 [ 28...Dd6? 29.Dh6 Tg8 30.Dxh7+! Kxh7 31.Th3# ] 29.Tf5! Kg8 30.Dxh5 Se7 31.Tf4 Das triviale Ende mit einem Matt in spätestens sechs Zügen. [ In der Megabase hat wohl irgendjemand Gefallen an einem genialen Matt gefunden, das deshalb dort als Ende zu finden ist: 31.Th3!! 31...gxh5 32.Tfxh5 Sg6 33.Th8+!! Sxh8 34.Lh7# Zugegeben: Eine viel schönere Schlussstellung als in der Partie!] 31...Sc8 32.Txg6+ 1-0



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