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Entschuldigung bei Gelfand fällig

Israeli schlägt sich bei Schach-WM gegen Anand besser als gedacht

von FM Hartmut Metz, 20. Mai 2012

 

Die ersten fünf Duelle der Schach-WM in Moskau haben wenig spektakuläre Partien gebracht. Alle endeten friedlich. Allein in Runde drei kam Spannung auf. Titelverteidiger Viswanathan Anand hatte Gewinnchancen, doch Boris Gelfand entwischte. Der Herausforderer darf deshalb mit dem Auftakt zufrieden sein. Der Israeli überraschte den Inder vor allem mit den schwarzen Steinen, weil er erstmals in seiner Karriere zur Grünfeld-Indischen-Verteidigung griff. Mühelos glich der gebürtige Weißrusse aus. Der russische Großmeister Sergej Schipow wetterte danach, viele Fans müssten sich jetzt bei Gelfand entschuldigen - im Vorfeld hatte dem Weltranglisten-20. kaum einer Chancen gegen den Spitzenspieler der OSG Baden-Baden gegeben.

Um weiteren vorbereiteten Varianten aus dem Weg zu gehen, reagierte Anand in der nachstehenden dritten Partie. Der "Tiger von Madras" wählte bereits im dritten Zug ein seltenes Abspiel, das Gelfand sicher nicht zu tief in seiner einjährigen Vorbereitung analysiert hatte. Derlei Spielchen wiederholen sich bei WM-Zweikämpfen stets - und wer mehr Pfeile im Köcher hat, gewinnt meist letztlich.











Anand,V (2799) - Gelfand,B (2739) [D70]
Weltmeisterschaft Moskau, 14.05.2012

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.f3 Nachdem Anand in der ersten Partie durch Grünfeld-Indisch überrascht wurde, das Gelfand noch nie angewandt hatte, versucht der Inder nun die Vorbereitung des Herausforderers mit einem seltenen Abspiel zu torpedieren. Schließlich will er mit Weiß nicht ins offene Messer laufen, das in der monatelangen Vorbereitung Gelfands geschärft wurde. [ Zum WM-Auftakt geschah stattdessen: 3.Sc3 d5 4.Sf3 Lg7 5.cxd5 Sxd5 6.e4 Sxc3 7.bxc3 c5 8.Lb5+ Sc6 9.d5 Da5 10.Tb1 a6 11.Lxc6+ bxc6 12.0-0 Dxa2 13.Tb2 Da5 14.d6 Ta7 15.Lg5 exd6 16.Dxd6 Td7 17.Dxc6 Dc7 18.Dxc7 Txc7 19.Lf4 Tb7 20.Tc2 0-0 21.Ld6 Te8 22.Sd2 f5 23.f3 fxe4 24.Sxe4 Lf5 mit Remisschluss.] 3...d5 4.cxd5 Sxd5 5.e4 Mit der einfallsreichen Zugumstellung vermeidet Anand den Abtausch des weißen Springers auf c3. 5...Sb6 6.Sc3 Lg7 7.Le3 0-0 8.Dd2 e5 [ 8...Sc6 wird häufiger angewandt - aber diesmal lässt Gelfand Vorsicht walten und verzichtet auf das Standardabspiel, das nun Anand seinerseits angeschaut haben dürfte. 9.0-0-0 mit ausgeglichener Stellung.] 9.d5 c6 10.h4 cxd5 11.exd5 S8d7 12.h5 Sf6 13.hxg6 fxg6 [ 13...hxg6?! sieht gefährlich für Schwarz aus. 14.Lh6 Sfxd5 15.Lxg7 Kxg7 16.Td1 ( oder Zugumstellung mit gleich 16.Dh6+ Kf6 ) 16...Le6 17.Dh6+ Kf6 18.Se4+ Ke7 19.Dg5+ f6 20.Th7+ Tf7 21.Sxf6! Txh7 22.Sxh7+ Kf7 23.Dh6 Dh8 24.Ld3 Tg8 Der Vorteil für den Anziehenden hält sich in Grenzen, obwohl der schwarze Monarch in Schwierigkeiten zu stecken scheint! 25.Lxg6+ Ke7 26.Se2 Dg7 27.Dh4+ Kd6 28.Le4 Kc7 29.g4 Kb8+/- ] 14.0-0-0 [ Laznicka setzte vor fünf Jahren gegen Areschchenko mit 14.d6 fort. Nach 14...e4! 15.0-0-0 Le6 16.Kb1 Tc8 hat Schwarz dank der besseren Angriffschancen Kompensation für den geopferten Bauern.] 14...Ld7 15.Kb1 Tc8 16.Ka1!? [ Häufiger legte Weiß bisher gleich los mit 16.d6 Le6 17.Sh3 Sbd5 18.Sxd5 Lxd5 19.Lg5 Le6 20.Sf2 e4! 21.Lxf6 Dxf6 22.Sxe4 De5 Die Stellung macht Schwarz keine Sorgen angesichts der erneut besseren Angriffschancen. 23.Te1 Tc6 In "Chess Today" plädiert Michail Golubew für 24.g4!? ( 24.Txh7 Lf5 25.Ld3 Td8 26.Txg7+! ( 26.Teh1?! Tcxd6! 27.Txg7+ Dxg7 28.Lc4+ Kf8 29.Dc1 Td2|^ ) 26...Kxg7 27.Th1 und Weiß habe nichts.) 24...Tb6 25.Sc3 Da5!? 26.Txe6 Lxc3 27.Txg6+! hxg6 28.Lc4+ Tf7 29.Th8+ Kxh8 30.Dh6+ Kg8 31.Dxg6+ Kh8 32.Dh6+= ergibt laut dem Ukrainer auch nur ein Dauerschach.] 16...e4!? Die Neuerung, die vom schwächeren [ 16...Sa4 17.Sge2 e4 18.Ld4 aus der Partie Hillarp Persson - Aberg (Stockholm 2001) abweicht.] 17.Ld4 [ In die Hände spielt Schwarz 17.fxe4?? Txc3! 18.Dxc3 Sxe4 19.De1 Sa4 mit einem fulminanten Angriff nach 20.Ld4 Sxb2! 21.Lxb2 ( 21.Lxg7? Sxd1 22.Dxd1 Kxg7 23.Dd4+ Df6 24.Dxf6+ Sxf6 führt zu einem verlorenen Endspiel.) 21...Lxb2+ 22.Kxb2 Db6+ 23.Ka3 ( 23.Ka1 Df6+ 24.Kb1 Sc3+ 25.Kc2 Sxd1 26.Lc4 La4+ 27.Lb3 Lxb3+ 28.axb3 Df5+ 29.Kxd1 Dd3+ 30.Kc1 Tc8+ 31.Kb2 Tc2+ 32.Ka3 Da6+ 33.Kb4 Dd6+ 34.Ka4 b5+ 35.Kxb5 a6+ 36.Ka5 Ta2# ) 23...Txf1! 24.Dxf1 Dc5+ 25.Kb2 Dc3+ 26.Kb1 Sg3 27.Se2 ( 27.Dd3 Lf5 28.Dxf5 Sxf5 29.Se2 Dc4-+ ) 27...Db4+ 28.Ka1 Sxf1 29.Thxf1 Dc5 und der offen stehende König macht Weiß das Leben schwer.] 17...Sa4 [ 17...Sc4 18.Lxc4 Txc4 19.Sge2 und; 17...exf3 18.Sxf3 sind auch Ideen. Letztere hilft aber Weiß ohne Not, sich zu entwickeln.] 18.Sge2 Da5!? Eine interessante Fortsetzung, die Anand einen Bauern überlässt. 19.Sxe4 Dxd2 20.Sxf6+! Txf6! Das Schlagen verhindert, dass Anand leichter seine Kräfte reorganisiert. [ 20...Lxf6?! 21.Txd2 Lxd4 22.Txd4 Tc2 23.b3 Lb5!? ( 23...Sb6 24.Sg3+/= ) 24.bxa4 Lxe2 25.Kb1! Tfc8 26.Lxe2 Txe2 27.Tc1 Td8 28.Tc2+/= Schwarz muss danach leiden, um vielleicht ein Remis zu erkämpfen.] 21.Txd2 Tf5 22.Lxg7 Kxg7 23.d6 [ 23.Kb1? büßt rasch den Mehrbauern ein. 23...Tc5 24.b3 Sb6 ; oder 23.Th4 Sb6 24.Sc3 Txd5! ] 23...Tfc5? [ Mittels 23...Sb6! 24.Sc3 Td5! gleicht der Nachziehende aus. Vermutlich hatte Gelfand diesen Zug nicht bedacht, der die schwache weiße Grundreihe taktisch ausnutzt. 25.Txd5 ( 25.Td3 Lf5 26.Txd5 Sxd5 27.Ld3!? Sxc3 28.Lxf5 gxf5 29.bxc3 Txc3 30.Td1 Tc8= ) 25...Sxd5 26.Lb5 Sxc3 27.Lxd7 Td8 28.Lg4 ( 28.Tc1 Txd7 29.Txc3 Kf6 ) 28...Sd5 29.d7 h5 30.Lh3 Sf4 31.Td1 Kf6 32.Kb1 Sxh3 33.gxh3 Ke7 34.Tg1 Kf6 35.Td1 Ke7= ] 24.Td1 a5 [ Das schwache 24...Tc2 erlaubt Weiß 25.b3 Sb6 26.Th4 und da langsam alle Kräfte eingreifen, dürfte der Anziehende auf mehr als eine Punkteteilung hoffen.] 25.Th4 Tc2 26.b3 Sb2! Gelfand setzt den Gegner unter Druck. Die Lage sieht gefährlich für Weiß aus - objektiv betrachtet, ist jedoch Anand am Drücker. [ 26...Sc3? 27.Sxc3 T8xc3 28.Ld3! Txg2 29.Te4 Kf6 30.Te7+- bringt den Nachziehenden in arge Schwierigkeiten.] 27.Tb1 Sd3 28.Sd4 Td2 [ 28...Sb4? sieht im ersten Augenblick vielversprechend aus, jedoch kontert Weiß mit 29.Sxc2 Txc2 30.Te1! ( 30.Tb2 Tc1+ 31.Tb1 Tc2 führt nur zur Zugwiederholung.) 30...Txa2+ ( 30...Lf5 verliert nach dem starken 31.Txb4! axb4 32.g4+- ) 31.Kb1 Lf5+ 32.Kc1 Ta1+ 33.Kd2 Ta2+ 34.Kc3 Tc2+ 35.Kd4 und Anand steht mit einer Qualität mehr auf Gewinn.] 29.Lxd3 Txd3 30.Te1 Td2 Gelfand befindet sich nah am Abgrund und muss fehlerlos spielen, um die Stellung im Gleichgewicht zu halten. 31.Kb1 [ 31.Te7+ macht Schwarz das Leben auch nicht schwerer: 31...Kf6 32.Kb1 Lf5+ 33.Sxf5 Td1+! ( 33...gxf5? würde indes in die Karten des Gegners spielen! 34.f4! Droht ein Matt auf h6. 34...Txd6 35.Texh7 Td1+ 36.Kb2 Td2+ 37.Ka3 Txg2 38.Txb7 Ke6 39.Th6+ Kd5 40.Te7 Kd4 ( 40...Tcc2 41.Te5+ Kd4 42.Td6+ Kc3 43.Tc5# ) 41.Te5 Tf2 42.Td6+ Kc3 43.Txf5 a4 44.b4 Tc4 45.Tfd5 Tcxf4 46.Tc5+ Tc4 47.Tdc6 Txc5 48.Txc5+ Kd4 49.Tc8 und Weiß gewinnt.) 34.Kb2 Td2+ 35.Ka3 Tcc2 36.Ka4 Txa2+ 37.Kb5 gxf5 38.Th6+ Kg5 39.Texh7 Tab2 40.Kb6 Txb3+ 41.Kc7 Tc3+ 42.Kd8! Tcd3 43.Th5+ ( 43.d7?? Txd7+-+ ) 43...Kf4 44.d7 Txg2 und laut Golubew sollte Schwarz dank der Freibauern den halben Zähler retten können, auch wenn er für den d7-Bauern einen Turm geben muss.] 31...Lf5+ 32.Sxf5+ gxf5 33.Te7+ Kg6 34.Tc7? [ 34.d7! ist aussichtsreicher. 34...Tcc2 ( 34...Tc5 35.Texh7 ( 35.Tc4? Tcd5 ) 35...Td1+ 36.Kb2 Td2+ 37.Ka3 b5 38.T4h6+ Kg5 39.d8D+ Txd8 40.Th4 Kf6 41.f4 Ke6 42.Ta7 b4+ 43.Ka4 Kd5 44.Th1+- ) 35.Tc4! Txc4 36.bxc4 h5 37.Kc1 Td4 38.Kc2 Kf6 39.Th7 Ke6 40.Kc3! Txd7 ( 40...Td1 41.c5 h4 42.Kc4+- ist einfach gewonnen.) 41.Txd7 Kxd7 42.Kd4 Ke6 43.f4 b6 44.c5 b5 45.g3 Ke7 46.Kd5+- a4 47.c6 b4 48.Kc4 b3 49.axb3 axb3 ( 49...a3 50.Kc3 Kd6 51.b4 ) 50.Kxb3 Kd6 51.Kb4! Kxc6 52.Kc4 Kd6 53.Kd4 Ke6 54.Kc5+- und das Bauernendspiel wird für Schwarz hoffnungslos. 54...Kf6 55.Kd6 Kf7 56.Ke5 Kg6 57.Ke6 ] 34...Te8 35.Th1? [ 35.Te7! war noch ein guter Versuch, um Gelfand zu einer Zugwiederholung zu verleiten. Indes hätte er 35...Td8!? 36.Texh7 Txg2 versuchen können. 37.d7 Kf6 38.Td4 Ke5 39.Td1 Ke6 40.a4+- Das Turmendspiel ist auch sehr schwierig für die schwächere Partei.] 35...Tee2 Jetzt hat sich Gelfand ins Remis gerettet. 36.d7 Tb2+ 37.Kc1 Txa2 [ 37...Txa2 38.Kb1 Teb2+ 39.Kc1 Txg2 40.Kb1 Tgb2+ 41.Kc1 Tg2 wiederholt die Stellung.] 1/2-1/2



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