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Mini-Simultans zu Ehren Capablancas

Separatisten erfinden ein faires "Baskisches System"

von FM Hartmut Metz, 22. Januar 2012

 

Die Baskenmütze kennt man ja. Weniger bekannt ist, dass der legendäre José Raúl Capablanca 1911 im Baskenland seinen Siegeszug begann. Die "Schachmaschine", wie der Kubaner wegen seiner kolossalen Künste ehrfurchtsvoll genannt wurde, gewann vor 100 Jahren im Casino von San Sebastian 1911/12 sein erstes internationales Turnier. Weltmeister Capablanca spielte so perfekt für die damalige Zeit, dass er wegen seiner schieren Unbezwingbarkeit vom "Remistod" des Schachspiels ausging. Ganz so schlimm kam es bis heute nicht - die weißen Steine versprechen ihrem Führer noch immer Gewinnaussichten. Das gilt selbst in Zweikämpfen: Der Spieler, der in der ersten Partie den Anzugsvorteil genießt, gewinnt das gesamte Match eher. Das gilt umso mehr, je gleichwertiger die Rivalen sind, ermittelte Ignacio Palacios Huerta, Professor an der Londoner "School of Economics".

Damit die Farbverteilung keine Auswirkung mehr auf die Ergebnisse hat, ließen sich die Basken für das Capablanca-Jubiläumsturnier etwas Besonderes einfallen: Die geladenen Großmeister spielten jeweils zwei Partien gegeneinander, einmal mit Weiß, einmal mit Schwarz - und gleichzeitig! Eine interessante Idee, die spannende Duelle versprach. Schließlich mussten die Recken in dem hochkarätigen Feld so auch ihre Energie und vor allem Bedenkzeit gut in dem Mini-Simultan verteilen.

Der sich zum Separatismus bekennende Großmeister Felix Izeta nutzte die Gelegenheit, die neue Turnierform "Baskisches System" zu taufen. Der frühere spanische Nationalspieler findet den Namen für sein "unterdrücktes Volk" angebracht, schließlich gebe es auch die Spanische Eröffnung oder für Turnierauslosungen das Schweizer System. Unabhängig von den politischen Ambitionen, die hinter Izetas Organisation steckt: Der interessante Wettbewerb findet hoffentlich Nachahmer.

Das Capablanca-Gedenkturnier gewann über den Jahreswechsel Andrej Wolokitin. Der Ukrainer bezwang im Finale den Tschechen Viktor Laznicka und kassierte dafür 20 000 Euro und ein Elektrobike. In der vierten Runde hatte Wolokitin den deutschen Spitzenspieler Arkadij Naiditsch eliminiert. Der Topscorer der OSG Baden-Baden geriet trotz der weißen Steine in der folgenden Partie unter die Räder.











Naiditsch,A (2702) - Wolokitin,A (2695) [A16]
Donostia KO GpA San Sebastian, 01.01.2012

1.Sf3 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 4.cxd5 Sxd5 5.h4 Naiditsch fackelt als Angriffsspieler nicht lange und attackiert sofort am Königsflügel. Der Vorstoß mit h4, h5 und Öffnung der h-Linie ist durchaus üblich und vor allem in der Drachenvariante im Sizilianisch bekannt. Bevor Weiß aber in dieser zur Tat auf der h-Linie schreitet, entwickelt er erst seine anderen Figuren. 5...Lg7 6.h5 Sc6 7.d4 Lg4 8.h6?! Ein ambitionierter Versuch. Die Einschränkung wäre effektiver, wenn der Läufer nach f8 zurück müsste. Mit dem Springer auf d5 findet sich jedoch ein bequemes Plätzchen auf dessen angestammten Feld f6. [ 8.hxg6 hxg6 9.Txh8+ Lxh8 10.e4 Sb6 11.d5 Se5 12.Le2 c6 13.Sxe5 Lxe2 14.Dxe2 Lxe5 15.dxc6 bxc6 verspricht dem Anziehenden nur Ausgleich.] 8...Lf6 9.e4 Sdb4 10.d5 [ 10.e5? verliert bereits sang- und klanglos: 10...Lxf3 11.gxf3 Sxd4! 12.exf6 Sbc2+ 13.Kd2 Sxa1 14.Ld3 e5 15.Da4+ c6 16.Se4 Dd7 17.Kc3 Sb5+ 18.Lxb5 cxb5 19.Dxb5 Dxb5 20.Sd6+ Kd7 21.Sxb5 Tac8+ 22.Kd3 Thd8 23.Sc3 Ke6+ 24.Ke2 Sc2 und der Springer ist zurück im Spiel. Mit einem Turm für den Springer gewinnt Schwarz leicht.] 10...Sd4 11.Ld3? [ Das überraschende 11.Le3! bevorzugen Schachprogramme. 11...Sdc2+ 12.Kd2 c6 ( 12...Sxa1? 13.Da4+ c6 14.Dxb4 cxd5? 15.e5 bringt Schwarz in die Bredouille. Auf f6 und g4 hängen zwei Läufer - und wie der Springer auf a1 zurück ins Spiel kommt, ist auch nicht zu sehen. 15...d4 16.Lxd4 Lxf3 17.exf6 Lc6 18.Ld3 ) 13.a3 Sxa1 14.axb4 a5 15.Da4 axb4 16.Dxb4 Da5 17.Dxa5 Sb3+ 18.Kc2 Sxa5 19.b4 Lxf3 20.gxf3 cxd5 21.Lb5+ ( 21.Sxd5 wird mit dem Zwischenschach 21...Tc8+ 22.Kb1 Sc6-/+ pariert.) 21...Kf8 22.Sxd5 Sc6 23.Td1 und für die geopferte Qualität besitzt Naiditsch Kompensation mit dem starken Springer auf d5 und dem Läuferpaar.] 11...c6 12.Lb1 cxd5 [ 12...Da5 13.Le3 e5 14.a3 0-0-0 15.0-0 ( 15.axb4 Dxa1 ) 15...Lxf3 16.gxf3 cxd5 und Schwarz steht etwas besser.] 13.e5 Lxe5! 14.Da4+ b5! 15.Dxb4? [ 15.Sxb5 bietet eher Aussicht, das Gleichgewicht zu wahren. 15...Sxf3+ 16.gxf3 Ld7 17.Dxb4 Tb8 18.a4 a6 19.Le3 axb5 20.a5 Allerdings dürfte Schwarz angesichts der offenen Königsstellung samt der zersplitterten weißen Bauern im höheren Sinne auf Gewinn stehen. Lediglich der a-Bauer garantiert etwas Gegenspiel.] 15...Lxf3 16.gxf3 Tc8? In der komplizierten Stellung unterlaufen beiden Seiten zweitklassige Züge. [ 16...a5! 17.Dc5 Tc8 18.Da7 ( 18.Dxd5? Dxd5 19.Sxd5 Txc1+ ) 18...b4 19.Se2 Tc7 20.Da6 ( 20.Dxa5?? Txc1+ 21.Sxc1 Dxa5 ) 20...Tc6 21.Da7 ( 21.Dd3? Dc7 22.Dd1 Tc2! 23.Lxc2 ( 23.Sxd4?? Txc1 ) 23...Sxc2+ 24.Kf1 Sxa1 25.Dxd5 0-0 26.Th4 e6 27.Dd3 b3 28.Tc4 Db8 29.a3 Td8 30.De4 Sc2 mit erneut entscheidendem Vorteil.) 21...Sxf3+ 22.Kf1 Txc1+ 23.Sxc1 Lxb2 24.Sb3 0-0 25.Kg2 Se5 26.Lc2 Dc8 27.Ld1 Df5 28.De3 Lxa1 29.Sxa1 Sd3 gibt gefährlichen Angriff. Zudem hat Schwarz schon vier Bauern für die Figur.] 17.Se2 Tc2! 18.Kd1? [ 18.Sxd4 verbietet sich wie in den vorherigen Varianten wegen des hängenden Läufers auf c1.; Noch schlechter ist 18.Lxc2?? Sxc2+ 19.Kf1 Sxb4 ; 18.Kf1 sollte indes eher die weißen Hoffnungen am Leben halten. 18...a5 19.Da3 Txe2 20.Dc5 Dc7 21.Dxc7 Lxc7 22.Le3 Txe3 23.fxe3 Sxf3 24.Ld3 b4 25.Lb5+ Kd8 26.Td1 e6 27.e4 Lb6 28.exd5 e5 Bei korrektem Spiel ist aber danach auch ein Remis das höchste der Gefühle für Naiditsch. 29.d6 Sd4 30.La4 Sf5 31.Ke1 Ld4 32.d7 Ke7 33.Th2 Td8-/+ ] 18...a5 19.Da3 Txe2 20.f4?! [ 20.Le3 Txe3 21.fxe3 Sxf3 22.Ld3 0-0 23.Lxb5 d4 24.e4 Sg5 25.Ld3 Lf4 26.Tf1 Dc7 mit schwarzer Dominanz. Der weiße König wird nicht mehr glücklich.] 20...Dd7! 21.Tg1 Lf6 22.Le3 Txb2! 23.Dxb2 Sf3 24.Db3 Sxg1 25.Ld3 0-0 26.Tc1 Dg4+ 27.Kc2 Se2 28.Te1 [ 28.Lxe2 Dxe2+ 29.Kb1 macht auch keine Freude mehr.] 28...Tc8+ 29.Kb1 Sc3+ 30.Kc2 a4 [ 30...a4 31.Da3 b4 und Wolokitin gewinnt nach einem Zug der Dame die stärkste Figur durch ein Springerabzugsschach.] 0-1



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