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"Engländer-Schlächter" kopiert in London perfekt
Turniersieger Kramnik nutzt ein altes Motiv von Legende Capablanca
von FM Hartmut Metz, 7. Januar 2012
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Wladimir Kramnik hat sich rasch rehabilitiert. Nach seiner Pleite beim Tal-Memorial in Moskau, wo er keine seiner neun Partien gewinnen konnte, trumpfte der Russe in London auf. Bei den Chess Classic musste sich der Ex-Weltmeister zwar auch gegen die anderen vier Topleute mit Unentschieden bescheiden - doch die vier Einheimischen im Olympic Conference Center schlug der 36-Jährige durchweg. So verlieh ihm die blumige Insel- Presse sogleich den Kampfnamen "Engländer-Schlächter".
Auf Grund der drei Punkte für einen Sieg und einen für ein Remis gewann Kramnik (16 Punkte) die 50 000 Euro Preisgeld. Dahinter folgten der Amerikaner Hikaru Nakamura (15), der ebenfalls ungeschlagen gebliebene Titelverteidiger Magnus Carlsen (14) und der starke Brite Luke McShane (13). Der Norweger Carlsen baute seine Führung in der Weltrangliste weiter aus, weil Viswanathan Anand und der Weltranglistendritte Lewon Aronjan (Armenien/beide 9) enttäuschten. Der Weltmeister aus Indien wirkte in einem Interview etwas ratlos, warum er derzeit in Turnieren so schwach agiert.
Im Schach ist es wichtig, bekannte Motive umzusetzen. Das gelang Kramnik in der zweiten Runde besonders beeindruckend. Als Kopiervorlage diente ihm ein Sieg der kubanischen Legende José Raul Capablanca. Beim Turnier 1919 im englischen Seebad Hastings kerkerte sein Vorgänger auf dem WM-Thron den Läufer von William Winter ein.
Das Wissen darum nutzte Kramnik gegen Nigel Short.
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Short,N (2698) - Kramnik,W (2800) [C48]
London Chess Classic London, 04.12.2011
1.e4
e5
2.Sf3
Sc6
3.Lb5
Sf6
4.Sc3
Sd4
5.Sxd4
exd4
6.e5
dxc3
7.exf6
Dxf6
8.dxc3
Lc5
9.De2+
De6
10.0-0
0-0
11.Df3
d6
12.Lg5
Df5
13.Le7?
Den Zug geißelte Weltmeister Viswanathan Anand, der in der zweiten Runde frei hatte und deshalb die Partien kommentieren musste, als "naiv". Short konnte ja kaum annehmen, dass sein Angstgegner primitiv eine Qualität einstellt. [ 13.Dxf5
Lxf5
14.Ld3
führt zum Ausgleich.]
13...Dxf3
14.gxf3
a6!
15.La4
b5!
16.b4?
Inzwischen wurde Short auch die Pointe klar. Spielt er [ 16.Lxf8
bxa4
17.Le7
, folgt 17...f6!
und der Läufer ist gefangen. Der schwarze Plan scheint einfach: Kf7, Ld7 nebst Te8 und der Läufer fällt selbst, wenn ihn ein Turm deckt. Trotzdem hätte Short diese Fortsetzung versuchen sollen. Nach 18.Tfe1
Ld7
19.b4
axb3
20.axb3
Kf7
21.b4
Lb6
22.c4
Ld4
23.Ta3
Te8
24.Te4
Le5
( 24...Lb6?
25.c5
und Schwarz verliert.) 25.Txe5
fxe5
26.Lg5
Tb8
27.Ld2
Tb6
und dank der ungleichfarbigen Läufer darf Short durchaus noch ein Remis erhoffen!]
16...Te8!
17.Tfe1
[ 17.bxc5
Txe7
18.cxd6
kontert Schwarz mit 18...Te6!
19.Lb3
Tg6+
20.Kh1
Lb7
21.h4
Lxf3+
22.Kh2
cxd6
Derlei gewinnt Kramnik leicht.]
17...Lb6
18.Lb3
Lb7
19.Kg2
d5!!
Wirkt unpositionell - kerkert jedoch den Läufer auf b3 ein. Im höheren Sinne ist damit die Partie für Weiß verloren. [ 19...a5
wird von Schachprogrammen bevorzugt, denen es in diesem Fall am langfristigen Horizont fehlt.]
20.Te5
c6
21.Tae1
Lc7
22.T5e2
Lc8
23.a4
Ld7
24.Lh4
Txe2
25.Txe2
Te8
26.Txe8+
Lxe8
27.Lg3
Ld8
28.Le5
f6
29.Lb8
Lg6
30.axb5
axb5
31.Kf1
Kf7
32.Ke2
Ke6
33.Ke3
Lb6+
34.Ke2
Lh5
35.La2
g5
36.Lb3
f5
37.La2
f4
38.Lb3
Kf5
39.Ld6
g4
40.Kf1
g3
41.fxg3
fxg3
42.Lxg3
Lxf3
43.La2
Le3
Da Schwarz früher oder später in die weiße Stellung eindringt und die Bauern auf dem Damenflügel abräumt, gab Short auf. 0-1
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