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"Schach ist so unerbittlich wie das Leben"

"Für Dich immer noch Fanta Sie"gilt bei Smudo zumindest nicht auf dem Chessbase-Server / Zu wenig Zeit auf der Tour für sein Hobby

von FM Hartmut Metz, 5. Februar 2011

 

"Für Dich immer noch Fanta Sie"! Die Fantastischen Vier sind in die Jahre gekommen - und kokettieren mit ihrem Alter. Smudo, Thomas D., Michi Beck und And.Ypsilon haben sich 1989 in Stuttgart zusammengetan und sind 21 Jahre später noch immer Vorreiter in Sachen Hip-Hop. Originelle Wortspiele finden sich bei den Fanta 4 nicht nur in den Songs, sondern auch im neuen Album-Titel, der den Bandnamen geistreich mit dem Ruf als Großväter der deutschen Rap-Musik verbindet. Wie die noch viel älteren Rolling Stones können es die angehenden Mittvierziger aber nicht lassen und gingen im November wieder auf Tour. Mit Smudo unterhielt sich Hartmut Metz, wer nun die Schuld zugewiesen bekommt, über das Siezen und nicht zuletzt über ihr großes gemeinsames Hobby: Schach.

SM64: Auf Ihrer Tour kommen Sie am auch nach Karlsruhe in die Europahalle. Ist das nicht "für den Arsch"? Bei "Das Fest" sollen Sie vor zwei Jahren "Karlsruhe ist am Arsch" getönt zu haben - wie war das zu verstehen?
Smudo: Wo habe ich denn das gesagt? Nee, Karlsruhe war schon immer eine Hochburg von uns. Ich müsste mal nachschauen - aber wir haben dort schon superfrüh nach unserer Gründung auf dem Uni-Fest gespielt. "Das Fest" war auch riesig. Nee, nee, das muss ein Missverständnis gewesen sein.

SM64: Okay, dann geben Sie mir ruhig die Schuld, den Rest dürfen Sie behalten … Wer gibt bei den Fanta 4 gerne den anderen die Schuld?
Smudo (lacht): Anders rum: Bei uns ist es so, dass der Michi immer Recht hat.

SM64: Was dürfen die Fans bei der Tournee, die in Zürich beginnt, erwarten?
Smudo: Das wird ein ganz heißes Eisen. Zum ersten Mal haben wir eine Rundbühne. Das bietet den Vorteil, dass eine größere Anzahl von Menschen näher an uns dran sein wird. Hinzu kommt, dass wir 360-Grad-Rundkameras installieren, die die Bilder projizieren. Außerdem haben wir noch ein, zwei andere David-Copperfield-artige Tricks in petto, auf die ich nicht eingehen möchte, um nicht zu viel zu verraten.

SM64: Wie viel Fantasie benötigt man, um auf einen geistreichen Titel wie "Für Dich immer noch Fanta Sie" zu kommen?
Smudo: Das entstand aus einer Koketterie heraus, um auf unser hohes Alter als Band anzuspielen. Die ersten Fans siezen uns mittlerweile! Außerdem sandte uns vor ein paar Jahren mal ein Fan eine E-Mail mit der Aufforderung, ein "Fanta Sie"-Album zu machen. Damals fanden wir das noch ein bisschen albern … Aber der Gag, der geht jetzt.

SM64: Also benötigten Sie selbst gar nicht so viel Fantasie.
Smudo: Ja, der Titel war so lustig, dass es uns leicht fiel. Wir finden das etwas dadaistisch und passt zu abgefahrenen Lyrics.

SM64: Ist der Titel auch als Kampagne gegen Duz-Onkel gedacht?
Smudo: Nein, das würde dem Witz viel zu viel Ernst zusprechen (lacht).

SM64: Sie sind ein Multitalent: Rennfahrer, Schauspieler, Synchronstimme bei diversen Filmen und Rateprofi bei "Sag die Wahrheit" im SWR.
Smudo: Ja, das ist meine größte Profession (lacht)!

SM64: Hilft bei all den Einsätzen die Kombinationsgabe als leidenschaftlicher Schachspieler?
Smudo: Bei "Sag die Wahrheit" musste ich feststellen, dass das sehr viel mit Glück zu tun hat. Das macht die Sendung auch so erfolgreich: Es gibt kein Rezept. Eine gewisse Menschenkenntnis und Lebenserfahrung, über die alle im Rateteam verfügen, ist aber natürlich nützlich. Beim Schach finde ich so schön: Dass wie im echten Leben jede Handlung eine andere Handlung bedingt. Ich liebe die Kunst der Spiele, auch Video- und Computerspiele, aber Schach ist das einzige Spiel, das ohne Verdeckung und Glück arbeitet. Bei jedem anderen Spiel ist ein Würfel dabei oder eine Karte, die man nicht sieht. Das Brett und Figuren sieht man, deshalb ist Schach so hart und unerbittlich wie das Leben. Man kann niemand anderen für etwas verantwortlich machen außer der Spieler sich selbst. Die bittersten Geschichten ranken sich daher auch um verlorene Schachspiele. Deshalb entwickeln sich wahre Dramen! Ich habe irgendwann mal gelesen, dass ein alter Großmeister bei allen Königen im Turniersaal den Kopf absägte, weil er so hammersauer war. Oder ein anderer hatte eine Zigarre ans Brett gelegt - und der Rivale, ein passionierter Nichtraucher, echauffierte sich so darüber, obwohl der Gegner gar nicht rauchte. Der Schiedsrichter verstand nicht, warum er protestierte. Der Nichtraucher begründete dies dann damit: "Er raucht nicht, aber er droht zu rauchen - und die Drohung ist stärker als ihre Ausführung!"

SM64: Ein berühmter Lehrsatz von Aaron Nimzowitsch.
Smudo: Und wieder eine schöne Schachweisheit, die auch im Leben Anwendung finden kann.

SM64: Smudo spielt unter dem Pseudonym "Lesmoureal" auf dem Schachserver. Auch während der Tour?
Smudo: Nein, momentan komme ich leider gar nicht dazu. Wenn es wieder etwas ruhiger wird, dann kriege ich das wieder hin. Ich gönnte mir 2002 eine dreimonatige kreative Auszeit auf Martinique. Damals begann ich mit dem Schachspiel. Es machte mir große Freude, weshalb ich mir Eröffnungsbücher reinzog. Ich analysierte auch meine Partien, um herauszufinden, was ich gut kann und woran es mangelt. Man muss sich wirklich sehr viel damit beschäftigen. Das Schöne dabei: Wie Golf braucht man es nicht zu verlassen. Man kann immer wieder hin, es ist so groß, so schwer, so komplex, dass man sich stets aufs Neue "reinfuchsen" kann. Ich freue mich schon darauf, wenn ich für diese tolle Sache wieder Zeit habe!

SM64: Apropos, es heißt doch: Golfen Sie schon oder haben Sie noch Sex? Zu den Blitzschach-Partien mit einer Minute Bedenkzeit gibt es ein Bonmot von Ihnen: "Blitzschach ist wie schneller schmutziger Sex". Finden Sie den Satz zutreffend? Oder doch einen der beiden weiteren von Ihnen: "Schach ist Tollkühnheit, die sich im Kopf abspielt" oder "Schach ist das klarste Spiel von allen, jeder weiß immer, was er gerade tut - und daher ist ein Sieg auch so süß und die Niederlage so bitter"?
Smudo (lacht): Letzteren finde ich am zutreffendsten. Was die Parallele zum Liebesspiel angeht: Ein langes ausuferndes Schachspiel ist sehr einfühlsam und liebevoll und ein großes Vergnügen. Blitz ist dreckiger Sex und macht genau deshalb auch großen Spaß.

SM64: Duzen Sie sich mit anderen Spielern auf dem Schachserver von Chessbase?
Smudo: In der Regel schon. Ich war allerdings lange nicht mehr dort. Mein Bild steht auf Chessbase aber weiterhin drin. Manche schauen auch gerne zu, wie ich so spiele - obwohl ich kein starker Spieler bin. Damals war ich unteres Vereinsniveau. Das Programm "Fritz" hat bei mir eine Ratingzahl von 1300 ausgespuckt. Für 1400 hat es aber nie gereicht. Als ich bei einem Schachklub in Hamburg zu Gast war, erzählte man mir, dass das schon reicht für Vereinsniveau - aber ich glaube, die waren einfach höflich!

SM64: Mit einer Wertungszahl von 1300, 1400 kann man zumindest in der Kreisklasse spielen.
Smudo: Tatsächlich? Ich muss mir einfach mehr Zeit nehmen. Früher habe ich jeden Tag ein bisschen geblitzt und mir ein-, zweimal die Woche mit einem Freund eine große Partie angetan. Bei dem riesigen Eröffnungsbaum lernte ich auch immer wieder mal einen neuen Ast dazu - aber momentan ist es leider wirklich null Komma null. Ich habe eine zweite kleine Tochter bekommen, umgezogen, gerade eine Platte gemacht - ich weiß nicht, wo mir gerade der Kopf steht … Wenn meine größere Töchter ins Alter kommt, bringe ich ihr Schach bei und spiele dann wieder mit.

SM64: Was erwartet "Smudo in Zukunft", wie einer der Titel auf dem neuen Album lautet, von seiner Wertungszahl auf dem Schachserver? 1400 als großes Ziel?
Smudo: Ja, das ist ein Ziel. Auf dem iPhone habe ich "Shredder" drauf. Auf dem "daddel" ich gerade rum - aber da kriege ich gerade nicht einmal die 1200 geknackt. Es fehlt mir aber auch die Muße. Ich blitze nur und mache kein langes Spiel. Dabei reagiere ich reflexartig und versaue meinen Stil damit.

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