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Der König der Revanchekämpfe

Botwinnik zog aus jeder WM-Niederlage die richtigen Lehren

von FM Hartmut Metz, 4. September 2011

 

Michail Botwinnik, der am 17. August vor 100 Jahren geboren wurde, forderte 1938 Alexander Aljechin zum WM-Kampf heraus. Beim vorherigen AVRO-Turnier in Amsterdam war die sowjetische Schach-Legende vor dem Weltmeister gelandet und hatte ihn auch im direkten Duell besiegt (Fortsetzung der Schachspalte der vergangenen Woche). Doch das Duell zwischen dem inbrünstigen Kommunisten und dem nach Frankreich emigrierten Aljechin verhinderte der Zweite Weltkrieg. Der opportunistische Ex-Russe starb dann 1946 unter bis heute mysteriös gebliebenen Umständen im portugiesischen Estoril.

Zwei Jahre lang blieb der höchste Thron vakant, ehe 1948 in Amsterdam und Moskau der neue Schach-König gekrönt wurde. Endlich schlug die große Stunde Botwinniks. Die vier Konkurrenten deklassierte der 36-Jährige: Drei Punkte Vorsprung wies der Sowjet nach den 20 Runden auf. Er erzielte gegen jeden Rivalen eine positive Bilanz und lag mit 14 Punkten weit vor seinen Landsleuten Wassili Smyslow (11) und Paul Keres sowie Samuel Reschewsky (USA/beide 10,5) und dem überforderten holländischen Ex-Weltmeister Max Euwe (4).

Obwohl der neue Champion als Doktor der technischen Wissenschaften seine Rolle als Staatsamateur stets betonte und sich Auszeiten vom Schach gönnte, verteidigte Botwinnik 1951 und 1954 seinen Titel nach 24 Partien durch Unentschieden gegen David Bronstein und Smyslow. Erst Letzterer konnte ihn 1957 mit 6:3 (bei 13 Remis) bezwingen. Weil damals der Weltmeister jedoch das Recht auf einen Revanchekampf besaß, konnte der wieder besser vorbereitete Botwinnik den Spieß im Jahr darauf mit einem 7:5 (bei elf Unentschieden) umdrehen. Das gleiche Kunststück vollbrachte der Übervater des sowjetischen Schachs auch 1960/61: Erst führte ihn der kometenhaft aufgestiegene Michail Tal beim 6:2 (13 Remis) vor - doch dann schlug der wieder perfekt vorbereitete Botwinnik zurück. Mit 10:5 (6 Remis) entzauberte er den "Hexer von Riga" vorzeitig nach 21 Partien (Fortsetzung nächsten Samstag mit dem dritten und letzten Teil zu Botwinniks 100. Geburtstag).

In der zehnten Runde des WM-Turniers in Den Haag gelang Botwinnik ein Blitzsieg über Keres.











Botwinnik,M - Keres,P [E28]
WM-Turnier Den Haag, 1948

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.e3 0-0 5.a3 Lxc3+ 6.bxc3 Te8?! [ 6...c5 oder; 6...d6 entsprechen mehr dem Charakter der Stellung.] 7.Se2 e5 8.Sg3 d6 9.Le2 Sbd7 10.0-0 c5 11.f3 cxd4?! Die Auflösung der Zentrumsspannung nutzt Weiß, da der schwarzfeldrige Läufer bald mehr Möglichkeiten erhält. 12.cxd4 Sb6 13.Lb2 exd4 14.e4! Den Zug dürfte Keres nicht genügend gewürdigt haben. Weiß hat keine Eile, den d4-Bauern zurückzuerobern. Danach bekommt Schwarz ein Problem mit dem d6-Bauern. 14...Le6 15.Tc1 Te7? Ein Tempoverlust. [ 15...Tc8! 16.Dxd4 Sa4 17.La1 Sc5 18.Tcd1 Sb3 19.Dxd6 Dxd6 20.Txd6 Sxa1 21.Txa1 Lxc4 22.Lxc4 Txc4 23.Sf5+/= hält den gegnerischen Vorteil in Grenzen.] 16.Dxd4 Dc7? Ein weiterer Schnitzer. [ 16...Sa4 17.La1 Sc5 18.Tb1 Tc8 19.Tfd1 Se8 ist sehr passiv, aber haltbar.] 17.c5! dxc5 18.Txc5 Df4?! [ 18...Dd8 19.Db4 Tc7 20.Td1 Sbd7 21.Lxf6 gxf6 22.Tb5 Tb8 kann man noch spielen, auch wenn die Stellung wenig Freude vermittelt.] 19.Lc1 Db8? [ Der Zwischenzug 19...Td7! musste unbedingt geschehen, um die Dame aus dem Zentrum zu vertreiben. 20.Db4 Db8 21.Lg5 Se8+/- ] 20.Tg5 Sbd7?! [ 20...Se8 ist besser, reicht jedoch auch nicht mehr aus: 21.Sh5 f6 ( 21...g6 22.Sf6+ Sxf6 23.Dxf6 Td7 24.Lb2 Kf8 25.Dh8+ Ke7 26.Lf6+ Kd6 27.Td1+ Kc6 ( 27...Kc7 28.Tc5# ; 27...Sd5 28.Tgxd5+ Lxd5 29.Txd5+ Ke6 30.Te5+ Kd6 31.Le7+ Txe7 32.Df6+ Te6 33.Td5+ Kc7 34.Dxf7+ Kb6 35.Dxe6+ Kc7 36.Td7+ Kc8 37.De8# ) 28.Lb5+ Kc7 29.Tc5# ) 22.Sxf6+ Sxf6 23.Dxf6 und Weiß steht auf Gewinn.] 21.Txg7+!! Kxg7 22.Sh5++- Kg6 [ 22...Kg8 23.Sxf6+ Sxf6 24.Dxf6+- und gegen Lb2 oder Lh6 ist kein Kraut gewachsen.; Im Falle von 22...Kh8 23.Sxf6 ( 23.Lb2+- ) 23...De5 24.Lb2 Dxd4+ 25.Lxd4+- büßt Schwarz zu viel Material ein.] 23.De3 Da Keres das baldige Matt nicht mehr verhindern konnte, gab der estnische Nationalheld auf. 1-0



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