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80-Jähriger führt die Jungen vor

Schach-Legende Viktor Kortschnoi wieder Schweizer Meister

von FM Hartmut Metz, 20. August 2011

 

Die Altersklassen in einigen Sportarten fangen bereits mit 30 oder 35 Jahren an. Spätestens mit 60 fühlt sich dann doch jeder reif für die Senioren, um mal wieder wie früher einen nationalen Titel einzuheimsen. Nicht jedoch ein Viktor Kortschnoi! Der Großmeister aus der Schweiz feierte zwar im März seinen 80. Geburtstag - doch Legenden wie "Viktor der Schreckliche" fühlen sich zu jung für Wettbewerbe mit den alten Herren! Und vor allem für welche mit 80-Jährigen.

Der mehrmalige Vizeweltmeister, dessen dramatisches Leben unter anderem als Vorlage für das Musical "Chess" diente, sucht weiterhin die Herausforderung gegen die Jungen. Seinen Traum, wieder in die Top 100 der Weltrangliste zurückzukehren, muss der gebürtige St. Petersburger mittlerweile wohl begraben. Für eine Schweizer Meisterschaft reicht das Können des 1976 aus der Sowjetunion emigrierten Kortschnoi aber allemal aus! Bei den Eidgenossen ist der Wohlener aus dem Kanton Aargau immer noch die Nummer drei und aktueller Nationalspieler.

Seine Klasse bewies er einmal mehr bei den offenen Schweizer Meisterschaften in Leukerbad: Zum fünften Mal holte der 80-Jährige den Titel. In der höchsten Kategorie belegte Kortschnoi mit 7:2 Punkten Platz drei hinter den Franzosen Christian Bauer (7,5:1,5) und Andrej Sokolow (7:2). Weil auch Joe Gallagher auf die Punktausbeute kam und unter roter Flagge mit weißem Kreuz spielt, kam es zum Stichkampf mit Kortschnoi um den Titel. In diesem behielt der Altmeister die Oberhand über den 33 Jahre jüngeren ehemaligen Briten.

Sehenswert war bereits das Duell der beiden Haudegen in der fünften Runde des Turniers verlaufen. Gallagher opferte brillant - und hatte am Ende doch das Nachsehen, weil der kampfstarke Kortschnoi sich zäh verteidigte und nach 58 Zügen einen genialen Konter ausbaldowerte. Einmal mehr hatte sein enormer Wille Berge versetzt!











Kortschnoi,V (2544) - Gallagher,J (2501) [A65]
Schweizer Einzelmeisterschaft Leukerbad, 26.06.2011

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.f3 0-0 6.Lg5 c5 7.d5 e6 8.Dd2 exd5 9.cxd5 a6 10.a4 h6 11.Le3 Te8 12.Sge2 Sbd7 13.Sd1 Se5 14.Sec3 Sh7 15.Le2 f5 16.0-0 h5 17.Sf2 Ld7 18.exf5 Die von Kortschnoi vorbereitete Verbesserung gegen den Königsindisch-Spezialisten Gallagher. Vor vier Jahren geschah in der Partie zwischen Michael Hochstrasser und Gallagher [ 18.h3 ] 18...gxf5 19.Kh1 Dh4 20.Lf4N Erst das ist dann ein neuer Zug, den Programme auch bevorzugen. Weiß steht minimal besser. 20...Df6 21.Dc2 Te7 22.Sd3 [ 22.Sh3 Sg6 23.Ld2 Tae8 24.Tae1 verspricht Weiß auch nicht mehr.] 22...Sg6 23.Ld2 Tae8 24.Sf4 Sxf4 25.Lxf4 Sf8<=> Mittlerweile konnte Gallagher ausgleichen. 26.Lg3?! [ 26.Ld3 Sg6 27.Ld2 h4 bringt auch kaum mehr als Ausgleich - Schwarz dürfte allerdings durch den rollenden Angriff am Königsflügel psychisch im Vorteil sein.] 26...h4 27.Lf2 Txe2! Das starke Qualitätsopfer verstärkt die schwarze Initiative. 28.Sxe2 Dxb2 29.Dxb2 Lxb2 30.Tae1 Lxa4? [ 30...Sg6! aktiviert die noch einzige passive Figur und deckt h4. Die Verlockung ist zwar groß, am Damenflügel verbundene Freibauern zu schaffen, indes war der a4-Bauer ohnehin nicht leicht zu decken.] 31.Lxh4 Sg6 32.Lg3 [ 32.Lg5 sieht etwas aktiver aus bei der Figurenpostierung.] 32...Lb5 33.Sf4 Se5 34.Tf2 Lc3 35.Td1 Kf7 36.h4?! [ 36.Se6 Tc8 wirkt etwas zäher. Doch kurz vor der Zeitkontrolle will Kortschnoi auch aktiv werden.] 36...Ld7 [ 36...Th8 nimmt den h-Bauern sofort ins Visier. Das wäre am einfachsten, um Weiß mit dem Rücken an die Wand zu drängen.] 37.Se2 Lb4 38.Sc1 La4-/+ 39.Tg1 Lb5 40.Lf4 c4?! [ 40...Lc4! 41.Td1 b5 mit kompletter Dominanz der schwarzen Figuren. Vor allem die mächtigen Läufer hemmen den Gegner und unterstützen den Vormarsch der Damenflügel-Bauern.] 41.Tc2 Th8 42.Lg5 La5?! [ 42...La4 43.Te2 b5 44.Sa2 Lc5 45.Tb1 Lb3 lässt auch wenig Zweifel am Sieger.] 43.Kh2 Tc8 44.Kg3 c3 45.Te1 La4 46.Ta2 b5 47.Kf4 Tc5 48.Kxf5 Txd5 49.Ke4 Tc5 50.Kf4 c2 51.Te2 Sc6 52.Kg4 d5 53.h5 d4-/+ 54.Sd3 Txg5+? [ 54...Tc3 zwingt den Springer wieder zurück: 55.Sc1 ( 55.Se5+ führt zur baldigen Aufgabe: 55...Sxe5+ 56.Txe5 d3 57.Td5 Tc4+ 58.Kf5 d2 59.Txd2 Tc5+ 60.Ke4 ( 60.Kg4 Txg5+ 61.Kxg5 Lxd2+ ) 60...Txg5 61.Tdxc2 Lxc2+ 62.Txc2 ) 55...Lb4 56.Te4 a5 57.h6 d3 58.h7 Kg7 59.Te6 Kxh7 beseitigt den einzigen Gefahrenherd im weißen Lager. 60.Sxd3 Sd4 61.Te3 c1D 62.Sxc1 Txc1 63.Te4 Td1 und die zwei Figuren für den Turm gewinnen.] 55.Kxg5 Sb4 56.Se5+ Kg8?? [ 56...Kg7! hält die Stellung erstaunlicherweise, obwohl Gallagher dem Rivalen erlaubt, den h-Bauern mit Schach vorzuziehen! 57.h6+ Kh7 58.Ta1 d3 59.Sxd3 Sxd3 60.Te7+ Kh8 61.Te8+ Kh7 62.Te7+ führt zum Dauerschach samt Remisschluss.] 57.Ta1 d3 Ein scheinbar natürlicher Zug, auf den sich Gallagher gewiss verlassen hat - doch Kortschnoi widerlegt diesen brillant! 58.Kg6!!+- Weiß schert sich nicht um den Turm und geht zum Gegenangriff über. 58...dxe2 59.h6 Lb3 60.h7+ Kh8 61.Kh6! Angesichts des unausweichlichen Matts durch den Schimmel gab Gallagher enttäuscht auf. 1-0



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