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Blindlings dem Ende entgegen

Letztes Melody-Amber Turnier in Monaco: Aronjan behält auf leerem Schachbrett am ehesten die Übersicht

von FM Hartmut Metz, 7. Mai 2011

 

Zur Eröffnung posierten alle Großmeister mit dunkler Sonnenbrille, Anzug und Krawatte. Das sah schick aus und passte auch vom Stil her zum frühlingshaften Monaco. Im noblen Fürstentum stand im März das 20. Melody-Amber-Turnier an. Der holländische Multimillionär Joop van Oosterom hatte es 1992 zu Ehren seines frisch geborenen Töchterchens ins Leben gerufen und zu einem der aufregendsten Schach-Wettbewerbe ausgebaut. Mittlerweile wurde aus Melody Amber eine hübsche junge Dame - und der Herr Papa zusehends kränker. Deshalb bat van Oosterom heuer zum letzten Mal an die Côte d'Azur.

Der öffentlichkeitsscheue 73-Jährige lud wie immer die Crème de la Crème nach Monte Carlo ein. In den Genuss des fürstlichen Preisgeldes von 227 000 Euro kamen aber auch nur Asse, deren Verhalten der Mäzen schätzte - Garri Kasparow gehörte deshalb nie zu den Gästen. Dagegen wurde der skurrile erste Sieger, Wassili Iwantschuk, unabhängig von seiner Form alle 20 Mal eingeladen. Zu den Stammgästen zählten auch Weltmeister Viswanathan Anand und Ex-Champion Wladimir Kramnik, die mit fünf beziehungsweise sechs Gesamtsiegen am häufigsten an der Spitze standen.

Seinen dritten Erfolg nach 2008 und 2009 feierte Lewon Aronjan. Mit 15,5:6,5 Punkten lag er vor Magnus Carlsen (14,5:7,5). Der norwegische Vorjahressieger war zwar im Schnellschach mit grandiosen 9,5:1,5 Punkten eine Klasse für sich - aber in der spektakuläreren zweiten Disziplin dominierte Aronjan. Im Blindspiel behielt keiner so gut die Übersicht wie der Armenier. Als einziger blieb der 28-Jährige ohne Ansicht der Figuren ungeschlagen und sammelte stolze 8,5:2,5 Zähler. Während den Rivalen immer wieder haarsträubende Schnitzer unterliefen, hatte Aronjan am wenigsten Probleme, nur einen Laptop-Bildschirm mit leerem Brett vor sich zu sehen, auf dem lediglich der letzte Zug angezeigt wurde. Die restliche Stellung mussten sich die Großmeister merken. Eine Aufgabe, an der selbst Überflieger Carlsen zuweilen scheiterte. Der Weltranglistenzweite agierte mit 5:6 Punkten blind nur durchschnittlich.

Anand war im Blindspiel (7:4) Zweitbester und holte mit 13:9 Zählern insgesamt Bronze vor Alexander Grischuk und Iwantschuk (beide 11:11). Einen weiteren halben Punkt dahinter folgten Wugar Gaschimow, Boris Gelfand, Hikaru Nakamura und Wesselin Topalow. Nur Vorletzter hinter Karjakin (10:12) wurde Rekordsieger Kramnik (8:14). Lediglich der 16-jährige Niederländer Anish Giri (7:15) schnitt noch schlechter ab.

Nachstehend ein hübscher Schnellschach-Sieg von Aronjan über Gaschimow.











Aronjan,L (2808) - Gaschimow,W (2746) [D10]
20. Amber-Turnier Monaco, 17.03.2011

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sc3 Sf6 4.cxd5 cxd5 5.Lf4 Sc6 6.e3 a6 7.Tc1! Lg4 Schwarz hat mit seinem weißfeldrigen Läufer bei der von Aronjan gewählten Zugreihenfolge ein Problem. Der Läufer will raus, kommt aber nicht so leicht ins Spiel, weil der Springer noch nicht auf f3 steht. [ 7...e6 8.Ld3 Ld6 9.Lxd6 Dxd6 10.f4 0-0 11.Sf3 verspricht Weiß das etwas bessere Spiel wegen des eingekerkerten Läufers auf c8.; Lästig ist zudem 7...Lf5 8.Sf3 e6 9.Db3 Ta7 kommt in Betracht ( 9...Sa5 bringt nichts: 10.Da4+ Sc6 ( 10...b5?? 11.Sxb5 axb5 12.Lxb5+ Ke7 13.Da3+ ) 11.Se5 Db6 12.Lb5! Tc8 13.Lxc6+ bxc6 14.0-0 Le7 15.Se2 und der c-Bauer fällt.) ] 8.f3 Danach muss sich der Läufer erneut erklären. 8...Lc8?! Derlei Läuferrückzüge gibt es zwar im Slawisch, aber hier gilt [ 8...Lf5 9.g4 Ld7 10.Ld3 e6 11.Dd2 Tc8 12.Sge2 Sa5 13.Sg3 h6?! 14.h4 Sc4 15.Lxc4 Txc4 16.Kf2|^ mit weißer Initiative, wie Tkatschjew und Karjakin (Moskau 2009) zeigten, als spielbare Hauptvariante. Genauso geht; 8...Ld7 Dann ist der Läufer wenigstens schon entwickelt. Zudem muss man nicht mehr Sf3 nebst Se5 fürchten, nachdem f3 dem Schimmel das Idealfeld nahm.] 9.g4 g6 10.h4 h6 11.Dd2 Lg7 12.Dh2!? Die weiße Spielweise mit der Dame wirkt gekünstelt, aber auch originell! 12...e6? Das entpuppt sich als Fehler. [ 12...Le6 kommt in Betracht, um nicht die schwarzen Felder so wie in der Partie zu schwächen.] 13.Lc7 De7 14.a3 g5? Patzt einen Bauern ein. Auch wenn die Lage schon schwierig ist, weil Gaschimow seine Kräfte kaum richtig entwickeln kann, muss er es dem Gegner nicht so einfach machen. 15.Ld6 Dd8 [ 15...Dd7? provoziert 16.Sa4 mit drohender Springergabel auf b6. Schwarz kann das nicht mehr richtig parieren: 16...Dd8 17.Lc7 De7 18.Sb6 Ta7 19.Sxc8 ] 16.hxg5 Sg8 [ 16...hxg5 büßt sofort eine Figur ein. 17.Dxh8+! Lxh8 18.Txh8+ Kd7 19.Txd8+ ] 17.g6 fxg6 18.Ld3 Sge7 19.Sge2 Kf7 20.Lc7 Dd7 21.Lb6? [ Das stärkere 21.Sa4! verwarf Aronjan vermutlich sofort wegen 21...Sxd4 ( 21...Sb4 wird mittels 22.Lxg6+! Sxg6 23.Sb6 widerlegt.) 22.Sxd4 Dxa4 Doch nach 23.Le5!+- Da5+ 24.Tc3 Lxe5 25.Dxe5 Ld7 26.g5! ist Schwarz verloren. 26...Dd8 27.Df6+ Kg8 28.Sxe6 Lxe6 29.Dxe6+ Kf8 30.Df6+ Kg8 31.Lxg6 Sxg6 32.Dxg6+ Kf8 33.Df5+ Kg7 34.De5+ Kg8 35.Tc7 ] 21...e5 22.Lc5 Te8? Sieht natürlich aus, erweist sich jedoch als schwach. [ 22...Td8 ist präziser.] 23.Lxe7! Die Aufgabe des umtriebigen Läufers entscheidet. 23...Dxe7 [ 23...Sxe7 24.dxe5 kostet einen wichtigen Zentrumsbauern.] 24.Sxd5 Dd8 25.g5! Th8 26.Lxg6+! Kf8 [ 26...Kxg6 27.Dh5+ Kh7 28.Sf6+ Lxf6 29.Df7+ Lg7 30.g6# ] 27.Sf6 Ke7? [ 27...Da5+ leistet mehr Widerstand, führt aber letztlich genauso in den Ruin. 28.b4! Dxa3 29.d5 Dxb4+ 30.Kf2 hxg5 31.Sh7+ Txh7 32.Dxh7 Se7 33.Le4 Ld7 34.Thg1 Lf6 35.Tb1 Dc5 36.Txb7 ; 27...Lxf6 28.gxf6 Dxf6 29.d5 Dxg6 30.dxc6 Df6 31.c7 Th7 32.Tc5 und Schwarz büßt bei offener Königsstellung auch zu viel Bauernmaterial ein.] 28.Txc6! bxc6 29.Dxe5+ Kf8 30.Df4 [ 30.Th4 trägt den Angriff noch strenger vor.] 30...Ke7 31.Sh7 Txh7 32.Df7+ Kd6 33.Lxh7 Dxg5 34.Tg1 Le6 35.Txg5 Weiß verbleibt mit einer Mehrfigur. Daher: 1-0



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