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Von Sam Loyd kann sich keiner lösen

Der König der Schachprobleme und Spiele starb vor 100 Jahren

von FM Hartmut Metz, 23. April 2011

 

Seinen Denkapparat musste Sam Loyd sicher nur zu einem Bruchteil einsetzen, als ein vermutlich blutiger Anfänger ihn mit der Aussage provozierte, er halte ja wohl problemlos ein Remis gegen den berühmten Amerikaner - er müsse schließlich nur dessen Züge kopieren. Innerlich mag sich der humorvolle Geist königlich darüber amüsiert haben. Die Wette nahm der 1841 in Philadelphia geborene Maschineningenieur natürlich sowieso an. Nach vier Zügen war sie schließlich auch bereits gewonnen! Der Nachäffer wurde mit dem Matt durch 1.d4 d5 2.Dd3 Dd6 3.Dh3 Dh6 4.Dxc8 nach allen Regeln der Kunst blamiert:











Loyd,S - Kiebitz,N [D00]

1.d4 d5 2.Dd3 Dd6 3.Dh3 Dh6 4.Dxc8#



Für Problemschach können sich nur wenige Turnierspieler begeistern - wer jedoch einmal eine der witzigen Aufgaben des vor 100 Jahren, am 10. April 1911, gestorbenen Samuel Loyd gesehen hat, der kann sich nicht mehr von ihm lösen. Das jüngste von acht Kindern übertraf seine Brüder Thomas und Isaac bald bei den Schachproblemen und galt mit 16 nicht nur als bester amerikanischer Komponist - seine ersonnenen Stellungen schwappten auch über den Atlantik hinweg und begeisterten rasch in Europa. Bereits vor dem 20. Lebensjahr war seine "größte Schaffensfreudigkeit auf schachlichem Gebiet vorüber, abgesehen von dem kurzen Aufquellen in den Jahren 1876 bis 1878", schrieb Alain C. White in seinem immer noch lesenswerten Buch "Sam Loyd und seine Schachaufgaben", das als Reprint bei Edition Olms erschien.

Berühmtheit erlangte Loyd zunehmend als Spiele- und Rätselerfinder. Das wurde für den vierfachen Familienvater ungeachtet seiner zahlreichen Schachspalten-Aktivitäten einträglicher. Rund fünf Jahrzehnte lang belieferte der unermüdliche Vordenker amerikanische Blätter mit verblüffenden Rätseln, die er zudem wortgewandt in Geschichten zu verpacken wusste. Erst vor fünf Jahren legte der Dumont Verlag einen Klassiker von ihm als 214-seitiges Taschenbuch mit 117 Aufgaben wieder auf.

Angeblich über eine Milliarde Mal soll sein erster Welterfolg verkauft worden sein: die "verhexten Esel". Die Idee kaufte der Zirkus Barnum 1870 und nutzte sie auf den Eintrittskarten zur Erbauung seines Publikums. Dabei werden zwei Esel und zwei Reiter in drei Teile zerschnitten und anschließend wieder zusammengesetzt - aber so, dass die Reiter auf den Eseln sitzen und es aussieht, als würden diese im vollen Galopp dahinfliegen. Die Idee brachte Loyd allein 10 000 Dollar ein - damals ein Heidengeld. "Geduldspiele und Rätsel", schrieb Loyd, "scheinen für jedermann ein gewisses Interesse zu besitzen, und ich glaube, dass dieses für Schachspieler noch weit öfter der Fall ist als bei irgendwelchen Menschen sonst."

Ein neues Genre neben dem Selbstmatt entstand überdies 1860: Das erste Hilfsmatt, bei dem Schwarz so schlecht als möglich spielt, präsentierte Loyd im "Chess Monthly". Schwarz beginnt, und Weiß setzt in drei Zügen matt.











Loyd,S - Die suendigen Nonnen
Selbstmatt in 3 Zuegen, 1860

1...Kf6 2.Ta8 Kg7 3.Lb8 Kh8 4.Le5#



Loyds einziges Hardcover-Schachbuch "Chess Strategy" erschien 1878. Es enthielt 500 Aufgaben. Loyd selbst legte stets Wert auf außergewöhnliche Lösungen durch pointierte Züge. Je mehr Witz dahinter steckte, umso lieber. Das konnte gar ein "Matt in einem halben Zug" sein. Halber Zug?











Loyd - Matt in einem halben Zug

Weiß vollendet die Rochade! (Th1-f1)



Der zweite Teil zu Sam Loyd folgt nächsten Samstag. Ein noch ausführlicherer Bericht über den größten Schachkomponisten erscheint in der Mai-Ausgabe des „Schach-Magazin 64“.

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