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Finanzen bereiten Schnellschach-Mekka den Garaus

Schmitt verkündet das Ende der Turniere in Mainz / Weltmeister Anand gibt die Chess Classic aber nicht an der Garderobe ab

von FM Hartmut Metz, 19. Februar 2011

 

Schnellschachspieler in aller Welt müssen sich ein neues Mekka suchen. Die Chess Classic Mainz (CCM) gehören der Geschichte an. "Das Budget ging zuletzt gegen null. Wir lebten von der Hand im Mund. Die verbliebenen Sponsoren kamen alle nicht mehr aus Mainz", nennt Organisator Hans-Walter Schmitt den Grund und fügt im ersten Frust an, "ich bin froh, dass es vorbei ist, auch wenn es nach sieben Jahren in Frankfurt zuletzt zehn schöne Jahre in Mainz waren."

Der Bad Sodener hatte die Veranstaltung 1994 von einem Vereinsjubiläum, dem 70. Geburtstag des SC Frankfurt-West, zum weltweit größten Event aufgebaut. Alle Weltmeister der vergangenen 35 Jahre von den Russen Anatoli Karpow über Garri Kasparow bis zum Inder Viswanathan Anand gaben sich bei den Chess Classic ein Stelldichein.

Die erste Stimme im Abschiedskanon erhebt der Weltmeister höchstpersönlich. "Mich ergreift ein sehr trauriges Gefühl", äußert Anand. Der 41-Jährige sieht seine "Karriere untrennbar mit den Chess Classic verbunden. Für mich war es stets, als käme ich nach Hause", bekennt er. Der Rekordsieger hat sich in Bad Soden eine Wohnung gekauft, lebt dort rund ein Viertel des Jahres, lernte Deutsch und heuerte bei Bundesligist OSG Baden-Baden an.

Sportliche Höhepunkte fallen Schmitt zahllose ein. Anno 2000 gelang es, die kompletten Top Ten der Weltrangliste nach Frankfurt zu holen - das bleibt bis heute einmalig in der Schach-Geschichte. Mit Jubiläumsturnieren für Legenden wie Robert Hübner zum 50. oder Wolfgang Unzicker zum 80. Geburtstag und dem Engagement von Rockstars wie HIM, Fußballtrainer Felix Magath und Topmodell Carmen Kass am Brett begeisterte Schmitt auch Nicht-Vereinsspieler für die CCM. Bleiben wird Schmitts Einsatz vor allem für Chess960. Der Schachvariante, bei der die Grundstellung der Figuren vor der Partie ausgelost wird, gab er nicht nur den neuen Namen. Dank der Einführung der Chess960-WM in Mainz nahm der Schach-Weltverband FIDE die Abart in sein Regelwerk auf. "Da haben wir einen Hype ausgelöst", stellt Schmitt zufrieden fest.

"In den letzten Wochen habe ich gelitten", hebt der Hesse zum Schluss hervor und freut sich über sein größtes Geschenk der letzten 17 Jahre: "Seit dem Simultan von ,Vishy' zum Frankfurt-West-Jubiläum 1994 ist eine tiefe Freundschaft mit dem Weltmeister entstanden." Schmitt besaß stets Hang zu Symbolen und schaute sich von anderen Sportarten etwas für die Siegerehrung ab, die Anand zu Hause etwas Platznot bescherte. Deshalb kann der "Tiger von Madras" die Erinnerung an die Chess Classic nicht einfach an der Garderobe abgeben. Der stets zu Scherzen aufgelegte Rekordgewinner ulkt: "Die elf Siege werden immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben - und die elf schwarzen Jacketts in meinem Kleiderschrank ..."

Für das Turnierbuch "Premiere der Top Ten!" analysierte Anand seine Gewinnpartie anno 2000 über Alexej Schirow.











Anand,V (2769) - Schirow,A (2751) [C11]
Fujitsu Siemens Giants Frankfurt, 25.06.2000

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.e5 Sfd7 5.Sce2 "Schirow und ich machen dort weiter, wo wir in Leon aufgehört hatten. Das Manöver ist darauf angelegt, das Zentrum aufrechtzuerhalten. Schirow selbst hat das bei mehreren Gelegenheiten gespielt", erläutert Anand. 5...c5 6.c3 Sc6 7.f4 Db6 8.Sf3 Le7 9.a3 0-0 10.h4 [ 10.b4 ist auch möglich. Aber wenn man den schwarzen König attackieren will, dann kann h4 und Th3 nicht falsch sein.] 10...f6 11.Th3 Plötzlich hat Schwarz alle einfachen Entwicklungszüge beendet. Barejew kramte einmal a5 heraus mit der Idee Da7 und b5, was ziemlich vernünftig aussieht. Was soll Schwarz stattdessen spielen? 11...Sa5 "Ich denke, das ist ein Fehler, weil der Zug völlig den Druck auf d4 nimmt", kommentiert Anand. 12.b4 cxb4 13.axb4 Sc4 14.Sg3 a5 [ 14...fxe5!? ist eine gute Alternative. 15.fxe5 Sdxe5 16.dxe5 Sxe5 opfert eine Figur für Angriff gegen den offenen weißen König. Den zweiten Springer darf der Anziehende nicht nehmen, weil sonst sofort die Dame auf f2 das Matt gibt.] 15.Ld3 f5 [ Inzwischen ist es zu spät für 15...fxe5? 16.Lxh7+ Kxh7 17.Sg5+ Lxg5 ( 17...Kg8 18.Dh5 Sf6 19.Dg6 und gegen das folgende Sh5 mit zu vielen Mattdrohungen gibt es keine Verteidigung mehr.) 18.hxg5+ Kg8 19.Dh5+- Td8 20.g6 Kf8 21.fxe5 Sdxe5 22.Dh8+ Ke7 23.Dxg7+ Kd6 24.dxe5+ Kc6 25.Se2 Verteidigt nicht nur, sondern droht auch noch das Springerschach auf d4. 25...d4 26.Td3 dxc3 27.b5+! Kxb5 28.Tb1+ Sb2 29.Txb2+! cxb2 30.Tb3+ Ka6 31.Txb6+ Kxb6 32.Lxb2 und Weiß behält die Oberhand.] 16.Sg5 Td8 [ Oder 16...Lxg5 17.hxg5 g6! erweist sich als am hartnäckigsten. ( 17...Tf7 scheitert wegen 18.Txh7! Kxh7 19.Dh5+ Kg8 20.g6 Kf8 21.Lxc4 dxc4 22.b5! Ke7 23.La3+ Kd8 24.gxf7 ; 17...Td8 18.Sh5 ( 18.Dh5 Sf8 ) 18...Sf8 19.g4 und Schwarz steht einmal mehr gedrückt. Das Springeropfer auf f6 liegt in der Luft.) 18.Sh5! Tf7 ( 18...gxh5? 19.Dxh5 Tf7 20.g6 Tg7 21.gxh7+ Kf8 ( 21...Kh8 22.De8+ ) 22.h8T+ Tg8 ( 22...Ke7 23.Te8# ) 23.Txg8+ Kxg8 24.Dh8+ Kf7 25.Th7+ Kg6 26.Tg7# ) 19.Sf6++/- Sxf6 20.gxf6 mit deutlichem Vorteil für Weiß - Schwarz kann aber noch lange kämpfen.] 17.Dh5 Lxg5 18.Dxg5! [ Nach 18.hxg5 verteidigt 18...Sf8 alles.] 18...Tf8 [ Nichts taugt 18...Sf8 19.Sh5 Td7 ( 19...Sg6 20.Sxg7! Kxg7 21.h5 Th8 22.hxg6 Dd8 23.Txh7+ ) 20.Sf6++- ] 19.Sh5 Tf7 20.Tg3 g6 21.Lxc4! dxc4 22.b5! Nun nimmt auch noch der bisher passive Läufer via a3 am Angriff teil! 22...Dxb5 [ 22...Kh8 23.La3 Kg8 24.Sf6+ Sxf6 25.exf6 Dd8 26.Le7 De8 27.h5+- ; 22...Sf8 23.La3 Ld7 24.Sf6+ Kh8 25.h5+- ] 23.La3 b6 24.Dh6 Lb7?! 25.Txg6+! Weiß setzt in spätestens acht Zügen matt. 25...hxg6 26.Dxg6+ Kh8 27.Dxf7 Tg8 28.Lf8! Eine hübsche Schlusspointe! Egal, wie Schwarz nimmt, den König wird bald zur Strecke gebracht. [ 28.Lf8 Sxf8 ( 28...Txf8 29.Dg7# ) 29.Sf6 Tg7 30.Dxf8+ Tg8 31.Dh6# ] 1-0



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