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Die scharfsichtige Augenärztin

Jubilarin Maja Tschiburdanidse stellt auch im Schach "die richtige Diagnose"

von FM Hartmut Metz, 23. Januar 2011

 

Ärzte und Schachspieler haben eines gemein: "Sie müssen in der Lage sein, eine schnelle und genaue Diagnose zu stellen!" Maja Tschiburdanidse glaubt man das nicht nur, weil sie seit Montag über 50 Jahre Lebenserfahrung verfügt. Die in Kutaissi geborene Georgierin ist auch noch mehr als "lediglich" praktizierende Augenärztin: Bis vor wenigen Wochen, als die 16-jährige Chinesin Hou Yifan den WM-Titel in der Türkei eroberte, war Tschiburdanidse die jüngste Weltmeisterin der Schach-Geschichte. Mit 17 nahm sie 1978 Nona Gaprindaschwili mit einem 8,5:6,5-Sieg die Krone ab. Zusammen mit ihrer Landsmännin begründete "Tschibu" die große Tradition des Frauenschachs in der Sowjetrepublik. Georgien brachte, gemessen an der Bevölkerungszahl, wohl so viele Großmeisterinnen wie kein anderes Land hervor. Beide Legenden waren auch die ersten Damen, die den Titel eines Herren-Großmeisters errangen. Tschiburdanidse setzte sich selbst in ansonsten reinen Männer-Turnieren durch.

Der "weibliche Bobby Fischer", wie sie Großmeister Boris Ivkov einmal bezeichnete, lernte bereits mit drei lesen, mit fünf löste sie schon "mit Leichtigkeit Mathematikaufgaben mit dreistelligen Ziffern", notiert das zwar veraltete, aber noch immer herausragende Werk "Schach - Das Lexikon". Entsprechend trumpfte die kleine Maja in der Schule auf - noch mehr begeisterte sie sich jedoch für die Lektionen auf den 64 Feldern im Pionierpalast von Kutaissi. Das königliche Spiel erlernte sie ebenso früh, weil sich im Hause Tschiburdanidse alle darin übten. Die älteren Kinder unterrichteten die jüngeren - Maja erwies sich hierbei als besonders "undankbar" und bezwang bald Bruder Rewas ebenso wie Schwester Lamara.

Mit zwölf Jahren nominierte sie bereits der sowjetische Verband für die Nationalmannschaft - und Tschiburdanidse demontierte im Match gegen Jugoslawien die Internationale Meisterin Wlasta Kalchbrenner mit 4:0! Als Erstplatzierte bei den sowjetischen Meisterschaften qualifizierte sich das Riesentalent für die Kandidatenkämpfe und dort für das WM-Finale. Nach dem Erfolg über Gaprindaschwili verteidigte Tschiburdanidse viermal den Titel, ehe sie die Chinesin Xie Jun 1991 ablöste. In den letzten Jahren trat die strenggläubige Christin nur noch sporadisch in der Turnierarena auf. Aber dann mit meist großem Erfolg. Bei ihren 15 Schach-Olympiaden am Spitzenbrett der UdSSR beziehungsweise Georgiens gewann die Ausnahmekönnerin neunmal Gold mit ihrem Team und fünfmal erzielte sie das beste Ergebnis aller Teilnehmerinnen an Position eins. Zuletzt führte Tschiburdanidse die Georgierinnen 2008 in Dresden mit einer überragenden Leistung (7,5:1,5 Punkte) an die Spitze.

Ihren Scharfblick bewies die Augenärztin, die momentan auf Platz 14 der Weltrangliste steht, auch 1996 in Belgrad. Ihre Vorgängerin als Weltmeisterin, Gaprindaschwili, schlug sie in lediglich 18 Zügen!











Tschiburdanidse,M (2540) - Gaprindaschwili,N (2385) [A41]
Yugometal (Frauen-Wettbewerb) Belgrad (Jugoslawien), 1996

1.d4 g6 2.c4 Lg7 3.g3 d6 4.Sf3 Sd7 5.Sc3 e5 6.Lg2 Sh6?! Eine etwas seltsame Entwicklung des Springers, der für gewöhnlich nach f6 strebt. Weiß nutzt die Ungenauigkeit gleich aus für eine etwas bessere Position. 7.dxe5 dxe5 8.h4 [ 8.e4 0-0 9.0-0 c6 10.h3 f6 11.Le3 Sf7+/= lässt den Rappen auf h6 nur beschwerlich zurück ins Spiel gelangen.] 8...0-0 9.h5 Die Idee von Tschiburdanidse sieht sofortigen Angriff auf der h-Linie vor. Dieser wird durch zwei Faktoren erleichtert: Der Springer erschwert nicht auf f6 den Vorstoß des Bauern nach h5 - und zudem droht dieser auf h6 unter Beschuss zu geraten, da gleich hxg6 folgt. Folglich muss der Rappen nun ziehen. 9...Sg4 10.hxg6 hxg6 [ 10...fxg6? verbietet sich bereits auf Grund der Zugfolge 11.Dd5+ Kh8 ( 11...Tf7 12.Sg5 De7 13.Sxf7 führt wie in allen Varianten mindestens zum Qualitätsgewinn.) 12.Sg5 h5 ( 12...h6 13.Sf7+ Txf7 14.Dxf7 ) 13.De4 Das erweist sich als noch stärker als ( 13.Sf7+ Gabelt König und Dame. 13...Txf7 14.Dxf7 ) 13...Df6 14.Txh5+! Lh6! ( 14...gxh5 15.Dh7# ) 15.Lf3 Sc5 16.Txh6+ Sxh6 17.Dh4 Kg7 18.Sd5 Dd8 19.Se6+ Sxe6 20.Dxh6+ Kf7 21.Le4 Ke8 22.Dxg6+ Tf7 23.Dg8+ Tf8 24.Dh7 und Schwarz entkommt dem Angriff in allen Varianten nur mit weiterem Materialverlust, da 25.Lg6+ droht.] 11.Lg5 Lf6 12.Se4 Lxg5 13.Sfxg5 Sdf6?? Diagramm Ein besonders gravierender Fehler, den Tschiburdanidse taktisch ausnutzt. [ 13...De7!+/= ist der einzige Zug, der Schwarz im Spiel hält.] 14.Th8+!! Kxh8 [ 14...Kg7 15.Dxd8 Txd8 16.Txd8 kostet einen ganzen Turm.] 15.Sxf7+! Die Pointe: Der König wurde durch das Turmopfer auf h8 in eine Springergabel gelenkt. 15...Txf7 16.Dxd8+ Kg7 17.Sxf6 Sxf6 18.0-0-0 Gaprindaschwili gab die hoffnungslose Stellung auf, weil [ 18.0-0-0 c6 19.Th1 nebst Dh8 matt auf der Hand liegt. Schwarz kann sich nun nicht mehr herauswinden. Ein Beispiel: 19...Tf8 20.De7+ Tf7 21.Dxe5 Lf5 22.e4 Te8 23.Df4 Sxe4 24.Dh6+ Kf6 25.g4 Lxg4 26.Dh4+ Kf5 27.f3 und weiteres Material geht verloren.] 1-0



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