Startseite Rochade Kuppenheim

"Puppe mit dem großen Kopf" die jüngste Weltmeisterin

Chinesin Hou Yifan bricht mit 16 Jahren einen weiteren Schach-Rekord und möchte nun "die Jungs probieren"

von FM Hartmut Metz, 15. Januar 2011

 

Krone statt zwei grellbunte Haarspangen auf der Denkerstirn: Bereits mit 16 Jahren wurde Hou Yifan an Heiligabend Schach-Weltmeisterin der Frauen. Im türkischen Antakya schlug das Mädchen nach einem 2:2 in den Turnierpartien ihre chinesische Landsmännin Ruan Lufei im Tiebreak mit verkürzter Bedenkzeit 3:1. Hou Yifan ist damit die jüngste Weltmeisterin aller Zeiten. Bis dato hielt die Georgierin Maja Tschiburdanidse, die 1978 mit 17 den Titel erobert hatte, den vermeintlich kaum zu unterbietenden Rekord.

Das war allerdings nicht die erste Bestleistung, die Hou aufstellte. Die "Puppe mit dem großen Kopf", wie die Funktionäre das kleinste Mädchen im Schachzentrum in Peking einst nannten, war mit 14 schon die jüngste WM-Finalistin aller Zeiten. Platz für die Champions-Krone fand sich 2008 aber noch nicht auf ihrem Haupt, was weniger an den stets zwei farbenfrohen Spangen lag, die das schwarze Haar aus den wachen Augen hielten. Die Russin Alexandra Kosteniuk stoppte noch einmal das Wunderkind aus dem rund zwölf Zugstunden von Peking entfernten Xinghua.

Den nächsten Rekord brach Hou Yifan kurz nach dem verlorenen Endspiel - diesmal sogar einen der bedeutendsten beim königlichen Spiel. Mit vierzehneinhalb Jahren schaffte die frühere U10-Weltmeisterin die dritte und letzte Norm, um Großmeister der Herren zu werden. Die stärkste Schachspielerin aller Zeiten, Judit Polgar, hatte mit fünfzehneinhalb den legendären, jahrzehntelang geltenden Rekord der US-Legende Bobby Fischer als jüngster Großmeister aller Zeiten ausgelöscht. Die Ungarin verweigert sich seit Kindesbeinen Wettbewerben mit Frauen, weil sie nie eine Herausforderung für die seit 20 Jahren regierende Dauer-Weltranglistenerste darstellten. Unter anderem ihre schwächere ältere Schwester Susan Polgar konnte so 1996 den WM-Titel erobern.

In Antakya schaltete Hou Yifan wie schon 2008 die Weltranglistenzweite aus: Die 23-jährige Inderin Humpy Koneru hatte als einzige Nicht-Chinesin im Halbfinale mit 0,5:1,5 das Nachsehen. Zum vorweggenommenen Finale war es gekommen, weil die nominell schwächere Kosteniuk als Titelverteidigerin die Setzliste anführte. Die früher als Model posierende Russin schied indes im Achtelfinale aus. Bereits in der zweiten Runde hatte es die einzige deutsche Teilnehmerin im 64er-Feld, die Berlinerin Elisabeth Pähtz, erwischt. Ruan Lufei konnte nicht einmal einen der Kämpfe in den zwei langen Turnierpartien gewinnen. Dafür bewies die Weltranglisten-21. in den Schnellschach-Verlängerungen herausragende Qualitäten. Fünfmal setzte sich die Chinesin durch. Erst die neue Weltmeisterin stoppte die Serie.

In der ersten Tiebreak-Partie verpasste Hou Yifan zwar mehrfach den Sieg, doch wie schon beim Ausgleich zum 2:2 in der vierten Turnierpartie brachte das Remis die 16-Jährige kaum aus der Ruhe. "Derlei juckt mich nicht die Bohne", erläutert Hou ihre mentale Stärke. Ihre Mutter Wang Qian bestätigt: "Yifan ist psychisch stabil, Niederlagen stören sie nicht. Sie nimmt sie einfach hin." Im zweiten Duell der Verlängerung schlug Hou unbeeindruckt von ihren vorherigen Patzern ihre Nationalmannschaftskollegin und machte nach einem weiteren Unentschieden in der vierten Partie mit einem weiteren Sieg das 5:3 perfekt.

Die 13. Weltmeisterin der Schach-Geschichte ist die insgesamt vierte aus dem Reich der Mitte, seit Xie Jun die Dominanz der Chinesinnen 1991 begründete. Außer der Krone für den Titel verdiente die Schülerin, die nur noch zu Hause gelegentlich lernt, im früheren Antiochia 60000 Dollar Preisgeld. Die erstmals mit sechs Jahren mit dem westlichen Schach in Berührung gekommene Chinesin steckt sich, wie sie schon früher äußerte, höhere Ziele und begibt sich auf Polgars Spuren. Auf die Frage, ob es ihr gegen Mädchen nicht zu langweilig am Brett sei, äußerte Hou Yifan keck: "Nein, ich möchte mich aber selbst fordern - deswegen will ich die Jungs probieren."

Meko 2011
Meko-Übersicht
Startseite