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Kramniks "Rekord für die Ewigkeit"

Russischer Großmeister triumphiert zum zehnten Mal beim traditionsreichen Dortmunder Schachturnier / Georg Meier geht nach letztem Platz lieber studieren

von FM Hartmut Metz, 7. August 2011

 

Hikaru Nakamura fehlt es an Ernsthaftigkeit. Der Weltranglistensechste aus den USA spielte eine Woche vor dem ersten Zug in Dortmund lieber bei einem Pokerturnier in Las Vegas mit, anstatt sich geflissentlich auf das traditionsreiche 39. Chess-Meeting vorzubereiten. So hielt der Großmeister mit japanischen Wurzeln - auf die Eröffnungen bezogen - nur Luschen in Händen. "In der Mitte des Turniers vergaß ich, wie man Schach spielt", klagte der 23-Jährige zudem. Am enttäuschenden vorletzten Platz änderten selbst seine beiden Schlussrunden-Siege über den Tabellenletzten Georg Meier und Dominator Wladimir Kramnik nicht mehr viel, auch wenn sie ihn wenigstens auf 4,5:5,5 Punkte hievten.

Die Genugtuung, als Einziger den Abonnementsieger beim traditionsreichen Wettbewerb in Dortmund geschlagen zu haben, wog nur wenig. Nakamura nannte es einen "netten Beigeschmack nach einem schlechten Turnier". Kramniks Schlappe dürfte schließlich seinem Überschwang geschuldet sein, nachdem der Russe mit zwei Punkten Vorsprung schon tags zuvor seine Bilanz auf zehn Siege an seiner Lieblingsstätte seit 1995 ausgebaut hatte: Die Organisatoren feierten deshalb bereits vorzeitig den "Rekord für die Ewigkeit". Der baumlange Ex-Weltmeister opferte - entgegen seinem sonstigen vorsichtigen Naturell - gegen Nakamura einen Springer für zwei Bauern und setzte auf Angriff. Doch der schlug nicht durch. "Wenn ich die letzte Partie gewonnen hätte, was im Bereich des Möglichen lag, wäre es ein absolutes Ausnahmeresultat gewesen. Aber auch so ist das Ergebnis hervorragend", konstatierte der 36-Jährige angesichts von 7:3 Zählern.

Mit einem weiteren Weiß-Sieg wäre Kramnik über die Grenze von 2800 Elo-Weltranglistenpunkten vorgestoßen und hätte sich an die Fersen von Magnus Carlsen geheftet. Der 20-jährige Norweger, der am Sonntag den Schach-Oscar als bester Spieler des Vorjahres erhielt, hatte vergangene Woche mit dem Turniersieg im schweizerischen Biel den knappen Vorsprung vor dem pausierenden Weltmeister Viswanathan Anand (Indien) und dem frischgebackenen armenischen Mannschaftsweltmeister Lewon Aronjan ausgebaut.

Kramnik ließ sich durch die einzige Niederlage nicht verdrießen: "Der zehnte Sieg in Dortmund ist auch deshalb schön, weil Garri Kasparow neunmal in Linares gewonnen hat - und jetzt kann ich sagen, dass ich in diesem Kontext klar vorne liege", verglich der Russe seine Erfolgsserie mit der seines zurückgetretenen Landsmannes im spanischen "Wimbledon des Schachs".

Der Vietnamese Liem Le Quang (5,5:4,5) agierte mit neun Remis farblos, blieb aber so als Einziger im Schauspielhaus ungeschlagen. Rang drei teilten sich der Ukrainer Ruslan Ponomarjow und das 17-jährige niederländische Wunderkind Anish Giri (beide 5:5). Als Punktelieferant fungierte der Trierer Meier (3:7). Der abgeschlagene Weltranglisten-90. befand, "dass alles schiefgelaufen ist, was schieflaufen konnte". Der 23-jährige Nationalspieler begräbt seine Ambitionen und beginnt nun am Texas Tech in Lubbock ein Finanzstudium - für ein US-Stipendium reichte sein schachliches Können immerhin.

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