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0:6-Schlappe überschattet Lebenswerk

"Starrköpfigkeit" beschert Larsen aber auch grandiose Siege

von FM Hartmut Metz, 25. September 2010

 

Der vor 16 Tagen verstorbene Bent Larsen hat gleich drei Interzonenturniere gewonnen (Fortsetzung der Schachspalte aus der Vorwoche): Bei der Qualifikation zu den WM-Kandidatenkämpfen setzte sich der Däne 1964 in Amsterdam, 1967 im tunesischen Sousse und 1976 in Biel durch. Auch wenn er alle Weltmeister nach dem Zweiten Weltkrieg bis Anatoli Karpow schlug - Weltmeister selbst wurde der im Alter von 75 Jahren verblichene Großmeister aber nie. Schlimmer noch: Eine besondere Pleite im WM-Zyklus drängte bis heute sein beeindruckendes Lebenswerk in den Hintergrund. Larsens Name fällt vor allem im Zusammenhang mit seiner 0:6-Schlappe, als ihn Bobby Fischer während seiner Serie von 19 Siegen in Folge in Grund und Boden spielte.

Bei dem Match in Denver 1971 sei er schlecht vorbereitet gewesen, räumte Larsen später auch in seiner Autobiographie "Ich spiele auf Sieg" ein. Eher deutet schon der Titel des Werkes an, worin einer seiner Mängel bestand: im überbordenden Optimismus. Der Jütländer war oft zu wagemutig - laut seinem Biographen Erich Brendom im Buch "Bent Larsen - ein Kämpfer" ein typischer Wesenszug der Menschen aus dieser Region. So wich der Verstorbene allzu gerne jedem Remis aus und glaubte an Siegchancen. "Seinen Plänen folgt er mit beneidenswerter Konsequenz, die mitunter an Starrköpfigkeit grenzt", analysierte eine andere Legende, der 79-jährige Viktor Kortschnoi. Das nutzte Fischer aus.

Mit Letzterem verband Larsen im Übrigen manche Episode. Als er 1959 bei einem Topturnier in Jugoslawien als sein Trainer verpflichtet wurde, musste der Däne auch Tarzan-Comics vorlesen! Fischer hatte sich aus Argwohn vor osteuropäischen Verschwörungen keinem Arzt anvertrauen wollen. Mit Mühe konnte der Amerikaner wenigstens von einer Inhalation überzeugt werden. Damit die zehn Minuten nicht "verschwendete Zeit" seien, beschloss Fischer, sich derweil "Tarzan" anzuhören ...

Beim glänzend besetzten Piatigorsky-Cup in Santa Monica (USA) schlug Larsen den nur selten unterliegenden Weltmeister Tigran Petrosjan gleich zweimal! Hier sein grandioser Sieg über den Armenier.











Larsen,B - Petrosjan,T [B39]
Piatigorsky-Cup Santa Monica, 27.07.1966

1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 g6 5.Le3 Lg7 6.c4 Sf6 7.Sc3 Sg4 8.Dxg4 Sxd4 9.Dd1 Se6 [ Ebenso in Betracht kommt der natürliche Rückzug >=9...Sc6 ] 10.Dd2 d6 11.Le2 Ld7 12.0-0 0-0 13.Tad1 Lc6 14.Sd5 Te8?! [ 14...Sc5 hatte Larsen zwei Jahre vorher beim Interzonenturnier selbst gespielt: 15.f3 a5 16.Ld4? ( 16.Tfe1 mit nachfolgendem Lf1 sollte geschehen.) 16...Lxd4+ 17.Dxd4 e5 18.Dd2 Se6-/+ Porath-Larsen (Interzonenturnier Amsterdam 1964).] 15.f4 Sc7 16.f5 Sa6?! 17.Lg4?! [ 17.b4! befürworten die Kommentatoren. 17...Sb8? ( 17...Sc7+/- hält am ehesten die Waage mit nur etwas Nachteil für Petrosjan.) 18.b5 Ld7 ( 18...Lxd5 19.Dxd5+- und Weiß schielt mit der Dame auf b7 und f7.) 19.Ld4 und Schwarz hat enorme Probleme, nicht nur bei der Entwicklung.] 17...Sc5 18.fxg6 hxg6 [ Auf 18...fxg6 gedachte Larsen 19.Lxc5 dxc5 20.Le6+ Kh8 21.Tf7-> Lxd5 mit besseren Chancen zu spielen.] 19.Df2 Tf8 20.e5! Ein typisches Larsen-Bauernopfer aus dem Nichts, das jedoch die weiße Figurenaktivität steigert. [ 20.Lxc5 dxc5 21.Sf6+ ( 21.Dxc5 Lxd5 22.Txd5 Db6 23.b4 Dxc5+ 24.bxc5= ) 21...Lxf6 22.Txd8 Taxd8= verspricht Weiß wenig. Der starke schwarzfeldrige Läufer kompensiert zusammen mit dem Turm problemlos den materiellen Nachteil gegenüber der Dame.] 20...Lxe5 21.Dh4 Lxd5 Ansonsten bedient sich Weiß auf e7 mit dem Springer. Andere Fortsetzungen scheitern bereits: [ 21...f6 22.Dh6! De8 23.Lxc5 Lxd5 24.Txd5 f5 25.Ld4 fxg4 26.Txf8+ Dxf8 27.Dxg6+ Dg7 28.De6+ Kf8 29.Lxe5 dxe5 und Weiß stehen mehrere Gewinnfortsetzungen zur Verfügung.] 22.Txd5 Se6? [ 22...Sa4?! 23.c5 Lxb2 24.Lg5 Dc7 25.Lxe7 dxc5 26.Td3 f5 27.Lxf8 Txf8 28.Lxf5! Txf5 29.Td8+ Kf7 30.Dh7+ Lg7 31.Tfd1 Sb6 32.T1d6 und die Partie findet ihr Ende im Angriff.; 22...b6 23.Tf3 e6 24.Lg5 Dxg5!! ( 24...Dc7 mündet in ein Fiasko: 25.Txe5 dxe5 26.Lf6 nebst einem Matt durch die Dame auf h8.) 25.Dxg5 exd5 26.Th3 ( 26.cxd5 Ld4+ 27.Kh1 Se4 28.Dh6 Sf2+ 29.Txf2 Lxf2 30.Df4 Lc5 31.Ld7 a5 müsste dem Anziehenden noch ein Remis bescheren.) 26...Tfe8 27.cxd5 Lxb2 mit eher besseren schwarzen Aussichten.] 23.Tf3! Lf6? [ 23...f5[] 24.Th3 Sg7! 25.Lf3! ( 25.Dh7+ reicht nur zum Dauerschach. 25...Kf7 26.Th6 fxg4! 27.Dxg6+ Kg8 28.Dh7+ Weiß kann keine zusätzliche Kraft heranführen, um dem König entscheidend zuzusetzen.) 25...Kf7 ( 25...e6 26.Dh7+ Kf7 27.Tb5 Tb8 28.Th6 Df6 29.Lh5 gxh5 30.Txf6+ Lxf6 31.Dh6 ( 31.Lxa7? kostet Material: 31...Th8 32.Lxb8 Txh7 33.Txb7+ Kg6 34.Lxd6 Th8 ) ) 26.Tb5 Th8 27.Ld5+ Se6 ( 27...e6?? 28.Txb7+ ) 28.Dg5+/- Dd7! neutralisiert die weiße Initiative.] 24.Dh6 Lg7 25.Dxg6!! Das hatte Petrosjan gewiss übersehen. 25...Sf4 [ 25...Sc7 hätte Larsen zu 26.Dxg7+!! Kxg7 27.Tg5+ Kh6 28.Th3# genutzt.; 25...fxg6 26.Lxe6+ Kh7 ( 26...Tf7 27.Lxf7+ Kf8 28.Lxg6+ Lf6 29.Th5 Dc7 ( 29...Kg7 30.Lf5 Da5 31.Tg3+ Kf8 32.Lh6+ Ke8 33.Lg6+ Kd7 34.Txa5 ) 30.Txf6+! exf6 31.Th8+ Ke7 32.Th7+ Kd8 33.Txc7 Kxc7 34.h4 und der h-Bauer entscheidet rasch dank der Unterstützung der beiden Läufer.) 27.Th3+ Lh6 28.Lxh6 Tf5 29.Txf5 gxf5 30.Lf7! Db6+ 31.Kh1+- Der eingeklemmte König kann dem Matt durch den Läuferabzug nach f8 nicht mehr vernünftig entkommen.] 26.Txf4 fxg6 27.Le6+ Tf7 [ Oder wieder analog wie in der letzten Variante 27...Kh7 28.Th4+ Lh6 29.Lxh6 Tf5 ( 29...g5 30.Txg5 Db6+ 31.c5! Dxb2 32.Lxf8# ) 30.Txf5 gxf5 31.Lf7 e5 32.Th3 nebst 32...Db6+ 33.Kf1 Dxb2 34.Lf8# ] 28.Txf7 Kh8 [ 28...Le5 29.Td4! Db6 30.Tf3+ Kg7 31.Tg4 Dxb2 32.Tf7+ Kg8 33.Tf6+ Kh7 34.Th4+ Kg7 35.Tf7+ Kg8 36.Tf2+ Kg7 37.Lh6+ Kh7 38.Lf8# ] 29.Tg5! Noch ein herrlicher ruhiger Zwischenzug! 29...b5 30.Tg3 Petrosjan gab nicht zu früh auf. Eine Variante belegt dies: [ 30.Tg3 bxc4 31.Th3+ Kg8 ( 31...Lh6 32.Txh6+ Kg8 33.Txg6+ Kh8 34.Ld4# ) 32.Tf2# ] 1-0



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