WM-Materialschlacht der besonderen ArtKlar verteilte Sympathien zugunsten von Anand: Kasparow, Carlsen und Kramnik trotzen Topalows IBM-Superrechnervon FM Hartmut Metz, 29. Mai 2010 |
Die Schach-WM hat sich als Materialschlacht der besonderen Art entpuppt. Sowohl der unterlegene Bulgare Wesselin Topalow als auch Titelverteidiger Viswanathan Anand verrieten danach Details über ihre Helfer. Dabei kam Erstaunliches über das 6,5:5,5 in Sofia heraus: Premierminister Bojko Borissow sorgte dafür, dass Topalow den in Bulgarien stehenden IBM-Superrechner Blue Gene/P mit 8 192 Prozessoren (112 Cores) zur Verfügung gestellt bekam. "Auch wenn ich das Match verlor, beherrschte ich Anand in allen Weiß-Partien. Dies zeigte sich vor allem in der ersten Partie", tönte der 35-Jährige. Sein Manager Silvio Danailow ergänzte nicht nur, dass man einen "Herzinfarkt bekommt, wenn man die Summe hört", die der Einsatz des IBM-Rechners kostete. Danailow trat vor allem mehrfach verbal nach und setzte Anands Sieg herab.
Der alte und neue Weltmeister reagierte in einem exzellenten 70-minütigen Interview mit dem Schach.de-Server von Chessbase gewohnt gelassen und humorvoll. "Wir waren ein bisschen besorgt, als wir von dem Superrechner erfuhren", räumte Anand ein, der auch wusste, dass die vierte Version des Topprogramms Rybka wegen Topalows WM-Einsatz erst jetzt auf den Markt kommt. Doch der 40-Jährige ergänzte mit gewohntem Grinsen: "Mein menschlicher Cluster war auch ziemlich beeindruckend." Eine Weltklasse-Riege unterstützte ihn freiwillig. Das ist ein eindeutiger Beleg, wie die Sympathien bei der WM verteilt waren.
Wie schon vor der WM in Mexiko und in Bonn unterstützte der neue Weltranglistenerste Magnus Carlsen Anand im Vorfeld. Der 19-jährige Norweger fungierte als Sparringspartner. Plötzlich meldete sich auch Carlsens kurzzeitiger Trainer: Garri Kasparow! Den zurückgetretenen besten Spieler aller Zeiten weihte Anand sogar in sein Eröffnungsrepertoire an. Ein ungeheurer "Vertrauensbeweis", wie selbst der Inder findet. Kasparow zahlte dies zurück und überprüfte als legendärer Eröffnungsexperte die Analysen auf Herz und Nieren beziehungsweise glich sie mit seiner noch immer imposanten Datenbank ab. Zudem habe ihm "Garri hilfreiche Einblicke" in Topalows Spiel gewährt, berichtete Anand - und letztlich erteilte der Ex-Weltmeister seinem Nachfolger auch noch nach einem verpatzten Läufer-Endspiel direkt nach der Niederlage eine kleine Lektion.
Und als sei all das noch nicht genug, schaltete sich Wladimir Kramnik via Skype in Sofia ein. Anands Widersacher bei der letzten WM half besonders gern, denn Topalow und Danailow hatten ihm bei seinem WM-Sieg 2006 besonders böse mitgespielt. Die Bulgaren hatten ihm Computer-Betrug auf der Toilette vorgeworfen. So konnte der Russe jetzt sein Scherflein zur Niederlage Topalows beitragen. Solch eine renommierte Helferliste wird sich wohl nie mehr ergeben - Anand ulkte dennoch mit Blick auf die nächste WM 2011: "Ich denke, wenn sich Magnus Carlsen das nächste Mal für das WM-Finale qualifiziert, sollte er wieder kommen und mich dafür trainieren ...".
Einen vierten Großmeister erwähnte der Weltmeister als weiteren Unterstützer: Anish Giri. Während der WM spielte der 15-jährige Niederländer selbst eine fantastische Partie in der französischen Nationalliga gegen den Tschechen Viktor Laznicka.
|
Giri,A (2624) - Laznicka,V (2659) [D27]
|