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Giri schwebt nur auf "Wolke sechs"

15-jähriger Neu-Holländer beherrscht B-Turnier in Wijk aan Zee

Fotos und Text von FM Hartmut Metz, 12. Februar 2010

 

Obwohl Magnus Carlsen im A-Turnier in Wijk aan Zee seiner Favoritenrolle gerecht wurde, stand ein noch Jüngerer als der 19Jährige kaum im Schatten des neuen Superstars der Schachszene: Anish Giri trumpfte in der B-Gruppe an der niederländischen Küste auf. "Der stößt bald in die Weltspitze vor!", zeigte sich Ex-Weltmeister Wladimir Kramnik schon während des Wettbewerbs überzeugt. Der in Russland geborene Sohn eines nepalesischen Hydrologen wurde bereits mit 14 Großmeister und zuletzt mit 15 auch niederländischer Champion.

In Wijk aan Zee demontierte Giri die Kontrahenten aus der erweiterten Weltspitze ebenso. Der Neu-Holländer sicherte sich mit 9:4 Punkten Platz eins vor dem deutschen Spitzenspieler Arkadij Naiditsch (8,5:4,5). Erstaunlich kühl nahm der Schüler den Erfolg auf. "Natürlich bin ich glücklich - aber nicht übersteigert", betonte Giri und ergänzte gewohnt humorvoll, "sagen wir mal, ich schwebe auf Wolke sechs." Dabei interessierten den Schüler weniger die 4 000 Euro Taschengeld, die er einstrich. "Am meisten freut es mich, dass ich nächstes Jahr in der A-Gruppe mitspielen darf", gestand der 15-Jährige. "Angst" vor Weltmeister Viswanathan Anand, Carlsen oder Kramnik zeigt er "keine. Ich hab' ja jetzt ein ganzes Jahr Zeit, mich auf sie vorzubereiten", verkündete Giri nach seinem Coup.

Da der neue Schach-Stern im Gegensatz zu seinen Freunden eher ruhig positionell auf den 64 Feldern agiert, gelang zwei anderen in der B-Gruppe die spektakulärste Partie. Dass dabei zwei "Haudrauf" wie Emil Sutovsky und Naiditsch verwickelt waren, überrascht wenig. Mit ihrem aggressiven wie riskanten Stil fallen der Israeli und der Baden-Badener Bundesligaspieler zwar manchmal auf die Nase - oft gelingen ihnen aber auch Kunstwerke. Dieses endete in der achten Runde ausnahmsweise friedlich mit einem Dauerschach.











Sutovsky,E (2657) - Naiditsch,A (2687) [C48]
Corus B Wijk aan Zee, 24.01.2010

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Sc3 Sf6 4.Lb5 Sd4 5.Lc4 Lc5 6.Sxe5 De7 7.Sf3 d5!? Eine alte, seit mehr als einem Jahrhundert bekannte Variante! Schwarz opfert zwei Bauern, um Entwicklungsvorsprung zu erhalten. 8.Lxd5 Lg4 [ 8...Sxd5 gewinnt zwar einen Bauern zurück, Schwarz bleibt jedoch mit einem im Hintertreffen. 9.Sxd4 Lxd4 10.Sxd5 Dxe4+ 11.De2 mit leichtem Vorteil für Weiß.] 9.d3 Sd7!? Den Zug führte Alexej Schirow 2006 in die Praxis ein. 94 Jahre länger ist [ 9...c6 10.Lb3 Sd7 bekannt aus der Partie Ossip Bernstein - Akiba Rubinstein (Wilnius 1912)! 11.Le3 Se5 12.Sxd4 Lxd1 13.Sf5 Df8 14.Lxc5 Dxc5 15.d4 Da5 Diese Neuerung kam erst vor acht Tagen beim Moskau-Open zwischen Jewgeni Worobiow und Leonid Gerschoi aufs Brett. 16.Txd1 Sg6 17.Sxg7+ Kf8 18.Sf5 Te8 19.0-0 Sf4 20.e5 c5 21.g3 cxd4 22.Sxd4 Dxe5 23.gxf4 Tg8+ 24.Kh1 Dxf4 25.Sd5 Dh4 26.Sc7 Tc8 27.Sce6+ fxe6 28.Sxe6+ Ke7 29.Tfe1 Dg4? ( 29...Kf6 hält Schwarz im Spiel.) 30.Sg5+ Kf6 31.Sxh7+ 1:0. Schwarz verliert die Dame und gab auf wegen 31...Kg6 32.Tg1 Kxh7 33.Lxg8+ Txg8 34.Txg4 Txg4 35.Td7+ Kh6 36.Txb7 mit vier Minusbauern.] 10.Le3 [ 10.h3 Lxf3 11.gxf3~~ c6 12.f4 Dh4 13.Sa4 cxd5 14.Sxc5 Sxc5 15.Le3 dxe4 16.Lxd4 Se6 17.Le3 Sxf4 18.Dg4 Dxg4 19.hxg4 Sg2+ 20.Kd2 bescherte Weiß keinen verwertbaren Vorteil im Duell zwischen Sergej Rublewski und Alexander Onischuk im russischen Poikowski 2009.] 10...Se5 11.Sxd4! Das faszinierende Damenopfer gibt dem Anziehenden keine völlige materielle Kompensation. Die Dame wiegt mit einem Wert von neun Bauerneinheiten minimal schwerer als zwei Figuren (je drei bis dreieinhalb Bauern) und zwei Bauern. Dafür entfalten sich aber die weißen Kräfte einfacher und harmonischer. 11...Lxd1 12.Sf5N Sutovsky weicht von der Stammpartie Jewgeni Najer - Schirow (Poikowski 2006) ab, in der Schwarz nach [ 12.Txd1 Df6 13.Sf5 Lxe3 14.Sxe3 keinen Grund zur Klage hatte.] 12...Df6 [ 12...Df8 kommt als Alternative in Betracht. Dort steht die stärkste schwarze Figur zwar passiver als auf f6, kann aber auch nicht dauernd beharkt werden so wie in dieser Partie. 13.Txd1 Lxe3 14.Sxe3 c6 15.Lb3~~ mit unklarer Stellung.] 13.Lxc5 Lxc2 14.0-0 [ 14.d4? ist schwächer: 14...Sd3+ 15.Kd2 Sxc5 16.Kxc2 Sa6 17.Lxb7? Sb4+ 18.Kb1 Tb8 19.Ld5 g6 20.Sg3 Dxd4 bringt Weiß nur in die Bredouille.] 14...c6?! Das überlässt Sutovsky die Initiative. Mehr verspricht [ 14...0-0-0!? mit beiderseitigen Chancen. 15.Ld4? kontert Schwarz dann mit 15...g6! 16.f4 gxf5 17.fxe5 ( 17.Lxe5 Db6+ 18.Kh1 f6-+ ) 17...De7! 18.Txf5 Db4 19.Le3 ( 19.Se2 Lxd3 ) 19...Dxb2 20.Tc1 Dxc3 21.Lb3 Dxd3 Weiß kann in dieser Stellung aufgeben.] 15.d4! Sd3 [ 15...cxd5?! spielt dem Gegner in die Hände: 16.dxe5 Dxe5 17.Ld4! Db8 18.Sxd5 und Schwarz hängt in den Seilen. So scheitert zum Beispiel 18...0-0?? an 19.Sde7+ Kh8 20.Lxg7# ] 16.Sd6+ Kd7 17.e5! [ Besser als 17.Lxf7 Sxc5 18.dxc5 ] 17...Dh4 18.g3 [ 18.Le4 Sxc5 19.Lxc2 Se6 20.d5 cxd5 21.Sxd5 mit überlegener weißer Stellung kommt in Betracht.] 18...Dg4?! [ 18...Dh5! 19.Lxf7 Df3 20.La3 Sf4! 21.gxf4 Dg4+ 22.Kh1 Df3+ führt zum Dauerschach.] 19.f3 Dh3 20.Le4! Sutovsky spielt lieber weiter gegen König und Dame, anstatt durch [ 20.Lxf7 einen Bauern einzuheimsen.] 20...Sxc5 [ 20...g6!? nimmt Weiß das wichtige Feld f5. 21.La3 b5 22.d5! b4 23.dxc6+ Ke6 24.Lxd3! Lxd3 25.Tfd1 bxa3 26.Txd3 axb2 27.Tb1 Tac8 28.Sxc8 Txc8 29.Td6+ Ke7 ( 29...Kxe5 30.Tbd1 mit Mattdrohung auf d5.) 30.Sd5+ Kf8 31.Txb2 Df5 32.f4 Dd3 belässt Schwarz die Hoffnung auf ein Dauerschach mit der Dame.] 21.Lxc2 Se6[] 22.Lf5 Dh5 23.d5 [ Auf seiner Webseite hält Sutovsky 23.Lg4 für beachtenswert: 23...Dg5 ( 23...Dg6 ermöglicht 24.d5!+- cxd5 25.Sxd5 Thf8 26.Tfd1 Dg5 27.Se4 Dxe5 28.Sdf6+ Kc6 29.Tac1+ Kb5 30.Td5+ Dxd5 31.Sxd5 mit Gewinn.) 24.Sxf7 De3+ 25.Kh1 Ke7 ( 25...Thf8 26.d5! Txf7 27.dxe6+ Ke7 28.exf7 ) 26.Sxh8 Dxd4 27.Tad1 Dc4 28.Tfe1 Txh8 29.Te4 Dc5 30.Td6 Sf8 31.Kg2 und weiterhin besseren Aussichten für den Anziehenden.] 23...Kc7?! [ 23...Ke7 ist richtig.] 24.g4? Verpasst den sehenswerten Gewinn nach [ 24.dxe6! fxe6 25.Se2!!+- Das entdeckte Sutovsky erst bei der heimischen Analyse. 25...exf5 26.Sf4 Dh6 27.Sxf5 Dg5 28.Se6+ mit Damenverlust!] 24...Dh6 25.dxe6 [ 25.Sxf7!? De3+ 26.Kh1 Sf4 gibt Naiditsch Konterchancen.] 25...fxe6 26.Le4 Df4 27.Sc4 h5 28.Se2 Dg5 29.Sd4 Th6 Weiß hat die gute Stellung verhunzt. Die Partie verflacht ins Remis. 30.f4 Dxg4+ 31.Kh1 Tf8 32.Se3 [ 32.Sd6 Txf4 33.Tg1 Txe4! 34.Txg4 Txg4 mit Ausgleich.] 32...Dh4 33.Sg2 De7 34.Tfd1 g5! 35.Tac1 Td8 36.Td3 Db4 37.Tcd1 gxf4 38.Sxf4 [ 38.Sxe6+? verliert: 38...Txe6 39.Txd8 Dxe4 ] 38...Te8 39.Lg6 Txg6! 40.Sxg6 Dxb2 41.T3d2 Da3 42.Sf4 Kb8 43.Sxh5 c5 44.Sf6 cxd4! 45.Sxe8 Df3+ 46.Kg1 Dg4+ 47.Kf2 Df4+ 48.Kg1 Dg4+ 49.Kf2 Df4+ Der Kampf der Titanen endet im Dauerschach. 1/2-1/2



Arkadij Naiditsch
Arkadij Naiditsch

Sutovsky Sosonko
Emil Sutovsky mit Gennady Sosonko

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