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Spieler liegen da wie ein offenes Buch

Schach-Datenbank bietet 4,4 Millionen Partien seit dem Jahr 1475

von FM Hartmut Metz, 16. Januar 2010

 

Ein Hobby-Schachspieler hat bereits Mühe, die genaue Zugfolge seiner soeben beendeten freien Partie zu memorieren. Umso mehr fasziniert es Laien, wenn Top-Großmeister tausende Partien vergangener Zeiten in ihren Gehirnwindungen stecken haben. Doch nicht alles fußt auf großartigen Gedächtnisleistungen. Wenn zum Beispiel bei der Mannschafts-WM vergangene Woche der Aseri Schachrijar Mamedjarow und Alexander Morosewitsch 26 Zugpaare aus der 1996 in Kalkutta gespielten Begegnung Scherbakow - Konguvel herunterspulen, hilft ihnen eine Schach-Datenbank mit Millionen von Vorläufern bei der Vorbereitung. Erst im 27. Zug wich der Russe ab, setzte schlecht fort und verlor. ",Moro' kannte sich nicht aus", konstatierte ein Kommentator lakonisch.

Die exzessive Vorbereitung auf jedes Turnierduell begann in den 90er Jahren. Den Grundstein legte Matthias Wüllenweber mit der Erfindung der Datenbank "Chessbase". Unter demselben Namen gründete der Physiker Ende der 80er in Hamburg ein Unternehmen, das zum "Microsoft der Schachszene" aufstieg. Weltmeister Garri Kasparow erkannte sofort das Potenzial dieser "Waffe" und bereitete sich fortan mit der Partieverwaltungs-Datenbank akribisch auf Gegner vor. Endlich konnte man seine Eröffnungsideen in einen Atari eingeben und ändern, anstatt sie mühevoll auf Karteikarten oder in Büchern zu notieren. Vor kurzem brachte Chessbase die "Megabase 2010" heraus. Sie enthält mehr als 4,4 Millionen Partien von insgesamt 258.000 Spielern! Die DVD zum Preis von 149,90 Euro sorgt dafür, dass gute Spieler mit Hunderten von Partien wie ein offenes Buch vor ihrem nächsten Rivalen am Brett da liegen. Der unermüdliche 78-jährige Viktor Kortschnoi dürfte einsamer Rekordhalter sein, finden sich doch 4.790 Begegnungen des ehemaligen Vizeweltmeisters in der "Megabase"! Das Programm ermittelt jeweils in Sekundenschnelle für alle die verschiedensten Statistiken.

Die älteste der 4,4 Millionen Partien stammt von 1475. Francisco De Castellvi schlug in Valencia Narcisco Vinoles. Bis zum ersten großen Turnier 1851 in London, das der Breslauer Adolf Anderssen gewann, sind gerade einmal rund 1 400 Duelle gelistet. Die Datenflut hielt sich bis vor 1900 (13.292 Partien), 1950 (82.829), 1980 (386.000) und 1990 (650.000) in Grenzen. Seit Chessbase und den Internet-Übertragungen wird man der Explosion an Material kaum mehr Herr - allein für 2010 verspricht die Hamburger Firma 200 000 Duelle als Update zu liefern.

Um die Spionage der Kontrahenten zu torpedieren, empfiehlt es sich, bei der Eröffnungsvorbereitung von den eigenen Vorlieben abzuweichen. Nachteil dabei: Der Kontrahent ist ja auch nicht "blöde" und ahnt, dass etwas im Busch sein muss. Folglich setzt er auch anders fort als gewohnt - und beide Spieler haben sich plötzlich vergeblich stundenlang vorbereitet.

Nachstehend die erwähnte erste Partie der "Megabase" aus dem Jahre 1475.











De Castellvi,F - Vinoles,N [B01]
Valencia Valencia, 1475

1.e4 d5 Skandinavisch würde man 535 Jahre später konstatieren - damals hatte die Eröffnung sicher noch keinen Namen. 2.exd5 Dxd5 3.Sc3 Dd8 [ 3...Da5 oder; 3...Dd6 bevorzugt man heutzutage.] 4.Lc4 Sf6 5.Sf3 Lg4? Ein für den Laien unscheinbarer Fehler, vor dem in Schachklubs früh gewarnt wird. Der Läufer fesselt zwar den Springer - der schert sich jedoch nur wenig darum, dass er die Dame auf d1 schützt. 6.h3? [ 6.Se5! ist am stärksten. Nun verbietet sich 6...Lxd1 ( oder 6...Lh5? 7.Dxh5 Sxh5 8.Lxf7# ) wegen des simplen 7.Lxf7# ; 6.Lxf7+ Kxf7 7.Se5+ Kg8 8.Sxg4 gewinnt auch bereits einen Bauern und treibt den schwarzen König in die Enge.; 6.Se5 Le6 muss deshalb folgen, was jedoch langfristig unersprießlich bleibt nach 7.Lxe6 fxe6 ] 6...Lxf3 7.Dxf3 e6? Stellt Material ein. [ 7...c6 sollte geschehen.] 8.Dxb7 Sbd7 9.Sb5 Tc8 [ 9...Ld6 ist besser, um c7 ebenfalls gedeckt zu halten.] 10.Sxa7 Es droht nebenbei auch noch 11.Sc6 mit Damenfang. 10...Sb6? [ 10...Tb8 gibt kein weiteres Material.] 11.Sxc8 Sxc8 12.d4 Sd6 13.Lb5+ Sxb5 14.Dxb5+ Sd7 15.d5 exd5 16.Le3 Ld6 17.Td1 Df6 18.Txd5 Dg6 19.Lf4? Plump auf Trick gespielt. 19...Lxf4? Und sofort hereingefallen. [ 19...De4+ 20.Le3 Dxg2 21.Tf1 Dxh3 würde der schwarzen Stellung wieder etwas Leben einhauchen, gleichwohl 22.Th5 noch immer ausreichend viel Vorteil bewahrt.] 20.Dxd7+ Kf8 21.Dd8# 1-0



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