Baden-Baden zählt zu den Top TenSchach-Mathematiker adelt legendäres Turnier von 1870 mit Platz neun / AVRO 1938 an der SpitzeVon FM Hartmut Metz, 12. Dezember 2009 |
Wladimir Kramnik hat den Turniersieg beim stark besetzten Tal-Memorial in Moskau genossen. Stolz ordnete der Russe den Erfolg in der Schach-Geschichte ein: "Später einmal wird man das Tal-Memorial in einem Atemzug mit Turnieren wie Nottingham 1936 oder AVRO 1938 nennen", äußerte der Ex-Weltmeister in einem Interview nach seinem Triumph.
Die Aussage rief Historiker auf den Plan. Jeff Sonas untersuchte alle bedeutenden Wettbewerbe seit 1851, als das moderne Turnierschach begann. Die heute dominierenden Elo-Weltranglistenzahlen vernachlässigte der Amerikaner. Zum einen, weil es diese erst seit den 70ern gibt, zum anderen, weil die Elo-Inflation Vergleiche verzerrt. Sonas ermittelte die Weltranglistenplätze der Teilnehmer zum Zeitpunkt des jeweiligen Turniers. Laut seinem System ist das von Kramnik erwähnte AVRO, das 1938 in mehreren niederländischen Städten ausgetragen wurde, das bestbesetzteste Turnier aller Zeiten. Die acht Spieler waren identisch mit den acht Weltbesten! Im Sechserfeld von Las Palmas 1996 trat die Nummer sieben statt der Nummer sechs an. Und im spanischen Linares fehlte 1998 die Nummer acht, die von der Nummer zehn ersetzt wurde. Das "Wimbledon des Schachsports" darf sich damit trösten, dass in Linares fünf der zehn stärksten Turniere stattfanden.
Tradition besitzt aber auch das königliche Spiel in Baden-Baden. Noch mehr als der Wettbewerb 1925 stand jener 1870 im Fokus. Das bedeutendste Turnier auf deutschem Boden setzt Sonas auf Platz neun! Nur zwei Spieler der Top Ten (Rang vier und zehn) fehlten damals, rechnet der Mathematiker vor. Den vom deutsch-französischen Krieg 1870 beeinträchtigten Wettkampf gewann die Breslauer Legende Adolf Anderssen. Der deutsche Vorkämpfer, der auch das erste Turnier von 1851 in London für sich entschieden hatte, feierte seinen letzten großen Erfolg. Mit 11:5 Punkten verwies Anderssen Weltmeister Wilhelm Steinitz um einen halben Zähler auf Platz zwei. Gustav Richard Neumann und Joseph Henry Blackburne (beide 10:6) folgten dahinter.
Das letztlich entscheidende direkte Duell in der sechsten Runde gab den Ausschlag zwischen den beiden Führenden. Anderssen bewies dabei einmal mehr seine enorme taktische Schlagkraft.
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Steinitz,W - Anderssen,A [C30]
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