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Durch Zigarette den ersten Zug verpasst

Chinesisches Großmeister-Duo scheidet beim Schach-Weltcup nach zu langer Raucherpause aus

Von FM Hartmut Metz, 5. Dezember 2009

 

Buchstäblich in Rauch lösten sich die Hoffnungen von Wang Yue und Li Chao auf, den Schach-Weltcup zu gewinnen. Die beiden chinesischen Großmeister gönnten sich in der Verlängerung der dritten Runde zur Entspannung eine Raucherpause. Als sie ihren letzten Zug in sich gesogen hatten, kamen sie ein paar Sekunden zu spät zurück ans Brett zum ersten Zug - und wurden daher genullt. Teure Zigaretten, denn statt mit bis zu 96.000 Dollar Preisgeld traten die beiden Nikotinsüchtigen den Heimflug aus dem Ural nach Peking mit nur 12.800 Dollar an.

Um die Akteure zur Pünktlichkeit zu erziehen, hat der Schach-Weltverband FIDE die Wartezeit auf den Gegner abgeschafft. Bis 2008 konnte man den Kontrahenten auf Kosten seiner Bedenkzeit bis zu einer Stunde sitzen lassen. Wang Yue und Li Chao kostete zusätzlich ein alter Bannstrahl die Chance auf den Sieg beim mit 1,28 Millionen Dollar dotierten Weltcup in Chanty-Mansijsk: Seit Anfang der 80er Jahre dürfen beim Denksport nur noch die Köpfe rauchen. Zuvor hatten sich gemütliche, dickliche Herren oft darin gefallen, dem Rivalen die Sinne zu vernebeln, auf dass er hinter den Schwaden kaum mehr die eigene Figurenreihe entdecken konnte. Als das Rauchverbot eingeführt wurde, war der Aufschrei groß - die Widersacher fürchteten herbe Mitgliederverluste und gar mancher bangte ernsthaft um seine Figur, müsse er auf den Glimmstängel während der oft fünf-, sechsstündigen Partien verzichten ...

Anekdoten ranken sich um den blauen Dunst über den karierten Feldern. Emanuel Lasker wurde häufig mit dicker Zigarre am Brett abgelichtet. Der Weltmeister von 1894 bis 1921 gilt noch heute bei vielen Fans als Erfinder der psychologischen Kriegsführung - am Brett soll Lasker nur die allerbilligsten Zigarren eingesetzt haben. Gesundheitsapostel Aron Nimzowitsch geriet schon außer sich, wenn Lasker das Zigarettenetui nur öffnete. Seinen Rivalen Milan Vidmar hatte er beim Turnier 1927 in New York gebeten, nicht zu qualmen. Dieser stimmte zu, sofern er nicht in eine schlechte Stellung geriete. Nur dann sollte die neben dem Brett abgelegte Zigarre Ablenkung bieten. Der deshalb völlig kopflose Nimzowitsch unterlag sang- und klanglos und beschwerte sich beim Schiedsrichter über Vidmar. Der Unparteiische sah indes keinen Anlass zur Klage - doch Nimzowitsch rechtfertigte diese mit seinem brillantesten Schach-Lehrsatz: "Die Drohung ist stärker als ihre Ausführung!"

Um derlei Bedrohung nicht fürchten zu müssen, wappnete sich Weltmeister Michail Botwinnik schon im Trainingslager gegen den feindlichen Rauch. Der Begründer der sowjetischen Schachschule ließ sich in Trainingspartien vor den WM-Duellen den Qualm ins Gesicht blasen, um im Ernstfall unbeeindruckt seine Denkprozesse fortsetzen zu können. Heutzutage leiden nur noch die Raucher, wenn sie sich im Winter bei Eiseskälte vor dem Turniersaal zusammenrotten, um ihrem Laster zu frönen. Oft müssen sie zusätzlich am Brett zittern, weil die dauernden Ausflüge wertvolle Bedenkzeit kosten.

Wang Yue und Li Chao kamen im Ural zu spät aus ihrem immerhin geheizten Raucherraum zurück. Die Unglücksraben verschenkten nach jeweils einem Remis mit den schwarzen Steinen ihren "Aufschlag" mit Weiß. Danach bauten der Franzose Etienne Bacrot - selbst Kettenraucher, aber pünktlich zu allen Partien im Saal - und der topgesetzte Weltranglistensechste Wugar Gaschimow (Aserbaidschan) ihren Vorsprung zum 2,5:0,5-Endstand aus. Der deutsche Spitzenspieler Arkadij Naiditsch (OSG Baden-Baden) verpasste zeitgleich durch ein 2:4 in der Verlängerung gegen den Russen Peter Swidler das Achtelfinale.

Der stoische Wang Yue haderte wenig wegen der kampflosen Niederlage. "Die Entscheidung war vollkommen korrekt. Wir sprachen mit dem Hauptschiedsrichter. Der empfahl uns, sich damit abzufinden und rasch auf die nächste Partie vorzubereiten - ein weiser Ratschlag." Nur sein Kumpel tat dem Weltranglisten-16. "besonders leid. Li fing erst hier mit dem Rauchen an, um mir Gesellschaft zu leisten"! Auf die Frage, ob er Lehren ziehen werde und künftig gesünder leben wolle, antwortete Wang Yue trotzig: "Nach solch einem Schock denkt man nur daran, sich erstmal eine Zigarette anstecken zu müssen!"

Beim Weltcup gelang den beiden eher positionell spielenden Chinesen kein Kabinettstück. Daher ein Duell von 2006 in Singapur, als Li Chao noch nichts vom blauen Dunst wissen wollte - so rauchte nur der Kopf des vietnamesischen Gegners Nguyen Huynh Minh.











Li,C (2320) - Nguyen,H (2395) [B93]
Singapur Masters Singapore, 29.12.2006

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.f4 e5 7.Sf3 Sbd7 8.a4 Le7 9.Ld3 0-0 10.0-0 Sc5 11.Kh1 exf4 12.Lxf4 Lg4 13.Le3 Tc8 14.Dd2 Lh5 15.Sd4 Sg4 16.Sd5 Lg6 17.Sf5 Lxf5 18.Txf5 Sxe3 19.Dxe3 Sd7 20.Taf1 Se5 21.Dh3 g6?? Erlaubt eine hübsche Kombination. [ 21...Lg5 hätte dagegen die Stellung im Gleichgewicht gehalten.] 22.Txe5! Ein überraschendes Qualitätsopfer, das im nächsten Zug gekrönt wird. 22...dxe5 23.Dxc8! Die Pointe! Weiß gewinnt mindestens eine Figur. [ 23.Dxc8 Dxc8 24.Sxe7+ Kg7 25.Sxc8 ] 1-0



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