Alkohol setzt Schach-Großmeister mattSturzbetrunkener Tkatschjew schläft am Brett ein und überschreitet ZeitlimitFoto und Text von FM Hartmut Metz, 19. September 2009 |
Selten sorgt ein offenes Schachturnier weltweit für Aufregung - der frisch gebackene französische Meister Wladislaw Tkatschjew hat es geschafft, das Open im indischen Kolkata rund um den Globus bekannt zu machen. Starker Züge bedurfte es dazu nicht einmal - ganz im Gegenteil. Der gebürtige Moskauer machte nämlich gar keine Züge mehr und setzte sich damit in der dritten Runde gegen den Inder Praveen Kumar selbst matt: Zeitüberschreitung, weil der sturzbetrunkene Tkatschjew am Brett einschlief!
Laut indischen Zeitungsberichten wankte der Europameister von 2007 schon so besoffen ans Brett, dass er sich kaum auf dem Stuhl halten konnte. Nach elf Zügen sei sein Kopf auf den Tisch gesunken und Tkatschjew eingeschlafen. Ein Spieler versuchte ihn wachzurütteln. Aber auch eine kurze Erfrischungspause mit Wasser brachte nicht den erwünschten Erfolg. Der Lebemann, der gewiss nie im Ruch stand, Wein oder Weib abhold zu sein, nickte unter dem Gelächter mancher Teilnehmer wieder ein - bis er im 15. Zug sein anfängliches Zeitlimit von 90 Minuten überschritt und der Schiedsrichter den Siegpunkt Praveen Kumar zusprach. Der Brite Nigel Short, der als Star in Kolkata verpflichtet worden war, forderte nach dem peinlichen Vorfall den umgehenden Ausschluss des Franzosen. Die Organisatoren des Aljechin-Schachklubs behielten sich Maßnahmen vor, die man aber erst nach dem Open beraten wolle. So durfte Tkatschjew - in fortan nüchternem Zustand - das Open zu Ende spielen. Ohne den verschenkten Punkt belegte der 35-Jährige lediglich Platz 30 mit 6:4 Zählern. Der Vietnamese Le Quang Liem gewann das stark besetzte Open in Kolkata überraschend mit 8:2 Punkten vor dem Aserbaidschaner Schachrijar Mamedjarow (7,5:2,5). Short (7:3) belegte Rang fünf.
Tkatschjew entschuldigte sich diese Woche in einem offenen Brief für die Affäre. Er habe "gesundheitliche Probleme und Schwierigkeiten gehabt, sich zu akklimatisieren", hieß es darin. "Ich musste starke Medikamente nehmen, die offensichtlich meine Spiel-Fähigkeit einschränkten." Das klingt wenig glaubwürdig, weil der einstige Blitz-Europameister oft exzessiv dem Alkohol zusprach und auch im Vorjahr bei der Schach-Olympiade in Dresden Frankreich einen Punkt kostete: In der letzten Runde verschlief der Großmeister¨- im Suff, stimmen die kursierenden Gerüchte.
Der Schiedsrichter in Kolkata geriet in die Kritik, weil er die Partie nicht gleich abbrach. Der für seine einfallsreiche Regelauslegung bekannte frühere badische Turnierleiter Karl-Heinz Saffran wusste sich einst in einem ähnlichen Fall rascher zu helfen: Als ein Betrunkener sich beim Badischen Schachkongress zu allem Überfluss auch noch übergab, sprach Saffran dem Gegner kurzerhand den Sieg wegen "Unbespielbarkeit des Platzes" zu!
Dass Tkatschjew in nüchternem Zustand zu großen Leistungen fähig ist, belegt die nachstehende Kombination, die ihm 1993 in London gegen William Watson gelang.
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Tkatschjew,W (2455) - Watson,W (2550) [B52]
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Wladislaw Tkatschjew