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Capablancas späte Rache

"Die letzte Partie" schlägt sich im Kampf mit Aljechin auf die Seite des großen Kubaners / "Roderers Eröffnung" gefällt nur kurz mit der Aljechin-Verteidigung

von FM Hartmut Metz, 27. Juli 2009

 

"Noch nie war die Literatur so begierig danach, sich schachmatt setzen zu lassen, wie nach diesem überraschenden Werk", gerät der Rezensent des "Corriera di Roma" ins Schwelgen. Gewiss hat er noch nicht "Lushins Verteidigung" von Vladimir Nabokov oder "Die Lüneburg-Variante" von Paolo Maurensig gelesen. Wem die puristische Sprache Zweigs nicht zuwider ist, mag auch noch "Die Schachnovelle" höher ansiedeln. Aber "La rivincita di Capablanca" von Fabio Stassi braucht sich zumindest vor all den anderen Büchern nicht zu verstecken, die rund um die 64 Quadrate angesiedelt sind.

Capablanca-Fans werden den neuen Titel, den das Werk vom schweizerischen Verlag Kein&Aber verpasst bekam, bedauern: "Die letzte Partie" kündet nicht mehr direkt von der kubanischen Legende. Für Laien, die fern des Schachs stehen, signalisiert er aber eindeutiger die Materie. Und die fällt spannend aus. Stassi verwebt das Leben Capablancas eng mit jenem seines großen Gegenspielers Alexander Aljechin. Mit dessen ungeklärtem Tod im portugiesischen Estoril im März 1946 beginnen 236 aufregende Seiten, die die historische Faktenlage durchaus berücksichtigt - aber dichterische Freiheiten nutzt. In jungen Jahren sind sich "Capa" und der russische Offizier zugeneigt. Spaßeshalber gehen sie eine Wette ein, wer Madame Zlata als Erster verführen kann. Die Geliebte des Großfürsten erteilt ihnen eine Lektion, und Capablanca verschenkt den sicher scheinenden Turniersieg in St. Petersburg an Emanuel Lasker. Aus Zu- wird Abneigung zwischen den beiden Weltmeistern, weil Aljechin dem Endspiel-Genie nach der sensationellen Niederlage 1927 stets eine Revanche verweigert. Nur eine, die letzte Partie muss der Kubaner noch gewinnen, dann steht ihm sein Herausforderungsrecht zu und damit auch endlich die Rückkehr auf den angestammten Thron bevor.

Die 64 Kapitel von Stassi werden den Lesern gefallen. Allein die Übersetzung weist Schwächen auf. Für Monika Köpfer waren die Fachbegriffe Bücher mit sieben Siegeln. So heißt es etwa in Kapitel 20, das sich um José Raúl als Kind dreht: "Doch als der Vater Notenhefte fand, die mit Schachformeln und -zeichnungen vollgekritzelt waren, gab er auf." Varianten oder Diagramme sind der Übersetzerin offensichtlich unbekannt. Partiebeschreibungen misslingen daher zwangsläufig.

Nur vordergründig scheint ein weiteres neues Werk, "Roderers Eröffnung" von Guillermo Martinez, etwas für Schachspieler zu sein. Aufregend beginnt die Erzählung des argentinischen Bestseller-Autors: Die beiden Protagonisten, der Ich-Erzähler und Gustavo Roderer, messen sich auf den 64 Feldern. Dabei unterschätzt der Erzähler seinen Gegner, der auf 1.e4 mit Sf6 antwortet. Dabei wollte er seine Rivalen selbst beim großen Schulschachturnier durch die Aljechin-Verteidigung aus dem Konzept bringen. In karpoweskem Stil zieht Roderer die Schlinge immer enger zu. Der Erzähler, das wird ihm immer klarer, verliert. Das war aus Schachspielersicht am Anfang aber auch schon das Ende der Höhepunkte. Ohne große Aufklärung und Spannung dümpelt das Werk den letzten der 118 Seiten entgegen - obwohl schon dünn, fällt "Roderers Eröffnung" aus Warte des Lesers noch immer viel zu dick aus. Die Zeitung "La Nacion" preist den Roman von Martinez, der durch "Die Phytagoras-Morde" in 38 Ländern berühmt wurde, "als eines der besten Bücher, vielleicht das beste, das in den letzten zehn Jahren in Argentinien erschienen ist". Sollte dies zutreffen, muss es um die argentinische Literatur armselig stehen!

In Havanna fand im Juni bereits zum 44. Mal das Capablanca-Memorial statt, das an den größten Schachspieler Kubas erinnert. Im Duell zweier einheimischer Großmeister stand Neuris Delgado Ramirez vor der Frage, ob er gegen Fidel Corrales Jimenez die Dame abräumen soll. Was empfehlen Sie als 28. Zug?











Delgado Ramirez,N (2572) - Corrales Jimenez,F (2574) [B40]
44. Capablanca Memorial Premier Havanna (Kuba), 14.06.2009

1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Ld3 Sc6 6.Sxc6 bxc6 7.0-0 d5 8.Sd2 Le7 9.b3 a5 10.Lb2 La6 11.c4 0-0 12.Dc2 h6 13.Tad1 a4 14.Sf3 axb3 15.axb3 dxe4 16.Lxe4 Dc8 17.Dc3 Lb7 18.Lb1 c5 19.Se5 Td8 20.Dg3 Dc7 21.Tde1 Ta6 22.Te3 Sh5 23.Dg4 Lg5 24.Dxh5 Lxe3 25.fxe3 Td2 26.Txf7 Txg2+ 27.Kf1 Txb2 Soll Weiß die schwarze Dame verspeisen? 28.Lh7+! Ein kraftvolles Opfer, das ein Matt in drei Zügen erzwingt. [ 28.Txc7? führt dagegen nur zum Remis: 28...Txb1+ 29.Kf2 Ta2+ 30.Kg3 Tg1+ 31.Kh3 ( 31.Kf4?? g5+ 32.Dxg5+ hxg5# ) 31...Lg2+ 32.Kg3 La8+ 33.Kh3 ( 33.Kh4 Txh2# ) 33...Lg2+ 34.Kg4 La8+ mit Dauerschach.] 28...Kh8 [ 28...Kxh7 29.Dg6+ Kg8 30.Dxg7# ] 29.Tf8+ [ 29.Tf8+ Kxh7 30.Dg6# ] 1-0



Fabio Stassi, "Die letzte Partie", Kein&Aber, 236 Seiten, ISBN 978-3-0369-5535-3, 19,90 Euro.

Guillermo Martinez, "Roderers Eröffnung", Eichborn, 118 Seiten, ISBN 978-3-8218-5787-9, 16,95 Euro.

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