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OSG nimmt alle Felder in Beschlag

Nur auf der Meistertrophäe wird's für Baden-Baden eng / Vierter Titel in Serie

Foto und Text von FM Hartmut Metz, 5. April 2009

 

"Baden-Baden hat sich zur deutschen Schach-Hauptstadt gemausert", jubiliert Fritz Meyer. Nachdem die Damen der Ooser Schachgesellschaft (OSG) bereits zwei Runden vor Saisonende uneinholbar die Bundesliga anführen, legten die Herren am Wochenende nach. Und der Präsident des Badischen Schachverbandes (BSV) sieht kein Ende der kurstädtischen Dominanz: "Auf der Meistertrophäe sind nur noch wenige Felder offen - ich gehe davon aus, dass auf die auch Baden-Baden eingraviert wird", prophezeit Meyer.

Der Friesenheimer muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, wer die vier freien Felder in den nächsten Jahren in Beschlag nimmt. Ohne Niederlage und mit vier Punkten Vorsprung ging die OSG (28:2) über die Ziellinie vor Werder Bremen (24:6), dem sich aus der Bundesliga zurückziehenden TV Tegernsee und dem zweiten badischen Vertreter, dem SC Eppingen (beide 23:7). "In einem einzelnen Wettkampf hat man ein bisschen eine Chance - über die Saison hinweg bleibt Baden-Baden unschlagbar", befindet Markus Ragger.

Wie zutreffend die Aussage ist, musste der österreichische Spitzenspieler am Samstag selbst erkennen. Die Gastgeber deklassierten sein bis dahin auf Platz zwei liegendes Solinger Team mit 6:2 und kürten sich vorzeitig zum vierten Mal in Folge zum Meister. Bei vier Unentschieden behielten Sergej Mowsesjan über Alexander Naumann, Peter Heine Nielsen über Sipke Ernst und Peter Swidler über Predrag Nikolic die Oberhand. Vor allem der Russe Swidler ließ seinen Weltklasse-Gegner an Position zwei wie einen Stümper aussehen und zerrupfte dessen schwarze Königsstellung.

Doch noch mehr umlagert von den rund 100 Fans war das Brett des Weltmeisters: Die holländische Nachwuchshoffnung Daniel Stellwagen zeigte wenig Respekt und ging Viswanathan Anand scharf an. Der Inder opferte seine Dame für drei Figuren, weshalb den Schachamateuren der Atem stockte ob der gefährlich wirkenden Attacke des Solingers. Den "Tiger von Madras" brachte diese aber kaum aus der Ruhe. "Die Variante ist nur für Weiß riskant. Auch wenn ich mich an die Eröffnungstheorie nicht mehr genau erinnern konnte, steht Schwarz nie schlechter", analysierte Anand nach seinem Sieg zum 6:2.

Mehr musste der Weltmeister gestern bangen, dass ihm der Pole Bartlomiej Macieja ein Remis abtrotzt. Doch dem Wattenscheider Spitzenspieler misslang in schwieriger Stellung die korrekte Verteidigung. Der einheimische Philipp Schlosser hatte die Kurstädter in Front gebracht, Francisco Vallejo Pons und Anands Landsmann Pentala Harikrishna erhöhten nach Unentschieden von Swidler, Mowsesjan, Michael Adams und Nielsen wieder auf 6:2.

"Ich habe ja nicht viel zur Meisterschaft beigetragen", bekannte der Weltmeister angesichts seines späten Saisondebüts und ergänzte mit einem breiten Grinsen, "die Mannschaft ist ohne mich stark genug, um zu gewinnen." Der 39-Jährige soll aber dennoch den Meister im Herbst zum Europapokal-Sieg führen. Sponsor Wolfgang Grenke und OSG-Kapitän Sven Noppes gaben dies als Ziel aus, nachdem man 2008 "nur" Zweiter wurde.

Passend zum vierten Titel in Folge und den vier freien Feldern auf der Meistertrophäe lud Grenke, der auch das Baden-Badener Festspielhaus unterstützt, die Denkstrategen gestern Abend in den Musentempel ein. Zum Abschluss der Konzertreihe von Kurt Masur stand auf dem Plan: sein Beethoven-Zyklus, natürlich Teil vier.











Stellwagen,D (2605) - Anand,V (2783) [B97]
Baden-Baden - Solingen 6:2, Baden-Baden, 28.03.2009

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lg5 e6 7.f4 Db6 8.Dd2 Dxb2 9.Tb1 Da3 10.e5 [ 10.f5 erfreut sich auch großer Beliebtheit.] 10...dxe5 11.fxe5 Sfd7 12.Se4 h6 13.Lb5!? [ Der Textzug missfällt Schachprogrammen. Sie plädieren für eine andere aktuelle Fortsetzung: 13.Lh4 Dxa2 14.Td1 Dd5 15.De3 Dxe5 16.Le2 Lc5 17.Lg3 Lxd4 18.Txd4 Da5+ 19.Td2 0-0 20.Ld6 Sc6 21.g4 Db6 22.Dh3 f5 Nachdem Schwarz drei Bauern eingesammelt hat und die Dame auf b6 aktiv steht, verschmerzt der Nachziehende auch das Qualitätsopfer auf f8. Dieses bot Jan Nepomniachtschi mit Schwarz gegen Pawel Smirnow an in einer Partie 2008 in Nowokusnetsk.] 13...axb5 [ 13...hxg5 14.Tb3 Dxa2 15.Dc3 axb5 ( 15...Sc6 16.Lxc6 bxc6 17.0-0 Sxe5 18.Sf5 exf5 19.Dxe5+ Le6 20.Tb8+ Txb8 21.Dxb8+ Kd7 22.Db7+= ) 16.Dxc8+ Ke7 17.0-0 Da7 18.Td3 Sxe5 19.Sc5 Sbd7 20.Sf5+ exf5 21.Txd7+ Kf6 22.Txf7+ Kg6 ( 22...Kxf7 23.De6# ) 23.Dxf5+ Kh6 mit Remisschluss in Schabalow - Areschchenko, Port Erin Open 2006.] 14.Sxb5 hxg5 15.Sxa3 Txa3 Schwarz aktiviert den Turm. Als schwächer erwies sich die Läuferentwicklung [ 15...Lxa3 16.Dxg5 Ta4 17.Sd6+ Lxd6 18.exd6 Te4+ 19.Kf2 0-0 , nach der der Anziehende in der Partie Delay - Renet, Genf 1988, mittels 20.The1+/= gewissen Vorteil für sich verzeichnen konnte.] 16.0-0 Sc6 17.Tb5 Diagramm 17...Ta4N Während die Fans schon ganz aufgeregt waren ob des spektakulären Damenopfers, entpuppt sich erst diese Fortsetzung als Neuerung! Anand blieb entsprechend ruhig und bestätigte später: "Die Variante ist nur für Weiß riskant. Auch wenn ich mich an die Eröffnungstheorie nicht mehr genau erinnern konnte, steht Schwarz nie schlechter." [ 17...Le7 18.Sd6+ Lxd6 19.exd6 f6~~ führte 2001 in einer Begegnung in Belgien zwischen Filipek und van Beers zu einer ausgeglichenen Position.] 18.Sxg5 [ 18.Sd6+ Lxd6 19.exd6 f6 bleibt eine Möglichkeit.; Ebenso ist 18.Dd3 spielbar.] 18...Sdxe5 19.Txe5!? Ein interessantes Qualitätsopfer. 19...Sxe5 20.Dc3 Sc6 21.Txf7 Ta5 22.Txg7! Eine ungewöhnliche Stellung ist entstanden, in der Stellwagen durchaus Chancen besitzt, selbst den Weltmeister zu überlisten. Anand muss präzise spielen, um seine Kräfte zu koordinieren. Gelingt dies langfristig, sollte sich die Vielzahl der Figuren - Turm, Springer und Läufer gegen Dame und zwei Bauern - durchsetzen. 22...Lc5+ 23.Kh1 Tf8? [ Das droht zwar ein Grundlinienmatt, aber anscheinend ist 23...Ld4! doch stärker. 24.Dd3 Tf5! Besser als ( 24...Lxg7 25.Dg6+ Kd8 26.Dxg7 Te8 27.h4 Te7 28.Dg8+ Kc7 29.h5 mit unklarer Stellung.) 25.Tc7 ( 25.Tg6 Se5 26.Db5+ Ld7 27.Txe6+ Kd8 28.Td6 Txh2+! 29.Kxh2 Sg4+ 30.Kg3 Txb5 31.Sf7+ Ke7 32.Txd4 Tb2 und Schwarz gewinnt.) 25...Txh2+! 26.Kxh2 Le5+ 27.Kg1 Lxc7 28.Se4 Ke7-/+ Weiß kämpft dann ums Remis.] 24.Dd3! Txa2 25.h4 Der Bauernvorstoß wäre mit dem Turm auf h8 nicht so einfach geworden. 25...Ta1+ 26.Kh2 Ld4 27.Dg6+ Kd8 28.Tf7?! [ 28.Sf3 gefällt besser. Mit dem Turm auf der siebten Reihe behält Stellwagen einen Unruhestifter. Und sollte sich Schwarz auf g7 bedienen, muss der Turm auf f8 ziehen, wonach der h4-Bauer Fahrt aufnimmt.] 28...Txf7 29.Dxf7 Lg1+ 30.Kg3 e5?! [ 30...Sd4 kommt in Betracht: 31.h5 Ta3+ 32.Sf3 Se2+ 33.Kh3 e5+ 34.g4 Lc5! 35.Dd5+ Ld7 36.Dxc5 Txf3+ 37.Kg2 Lc6 38.Dd6+ Ke8 ( 38...Kc8? 39.Dxc6+! bxc6 40.Kxf3 Sf4 ( 40...Sd4+ 41.Ke4 Sxc2 42.h6 ) 41.Ke4 Kd7 42.Kxe5 Sg2 43.Kf6 Se3 44.g5 Ke8 45.Kg7! Sf5+ 46.Kg6 Se7+ 47.Kf6 Sd5+ 48.Kg7 und der h-Bauer marschiert durch.) 39.Dxe5+ Kd7 40.Kh2 Tf2+ 41.Kh3 Sg1+ 42.Kg3 Tg2+ 43.Kf4 Tf2+ 44.Kg3 ( 44.Kg5 Sf3+ 45.Kf4 Sxe5+ ) 44...Tg2+= ; Als Fehler erweist sich 30...Ta3+? 31.Sf3! ( 31.Kf4 Le3+ 32.Ke4 Lc5 verläuft tückisch für den in die Schusslinie geratenen weißen König.) 31...Lc5 32.h5 Ld6+ 33.Kf2 Lc5+ 34.Ke2 b6 35.h6 La6+ 36.Kd1 Ta1+ 37.Kd2 Lb4+ 38.Ke3 Lc5+ 39.Kf4 Ld6+ 40.Kg5 Ta5+ 41.Kh4 Le7+ 42.Kg3 Ld6+ 43.Kh3 und der h-Bauer marschiert durch.] 31.h5?! [ 31.Sf3 bereitet Anand eher Kopfschmerzen.] 31...Sd4! Ein starkes Bauernopfer, nach dem Schwarz wieder aufblüht. 32.Df6+ Kc7 33.Dxe5+ Kb6 34.Dd6+ [ Vielversprechender scheint einmal mehr 34.Sf3! , wonach das Programm Rybka die verrückte Variante 34...Sf5+ 35.Kh3 Se3+ 36.g4! Lxg4+ 37.Kg3 Tf1 38.Df6+ Kb5 39.Dg5+ Lf5 40.h6 Lf2+ 41.Kf4 Kb6 42.h7 Lxh7 43.Dh6+ Kc5 44.Dxh7 Sd5+ 45.Kf5 Ld4 46.Dh3 Tf2 47.Kg5 Le3+ 48.Kh4 Lf4 49.Dc8+ Lc7 ausspuckt. Schwarz sollte sich trotz des weißen Vorteils halten können.] 34...Ka7 35.Dc5+ Kb8 36.Dd6+ Ka8 37.Dd8 Sf5+ 38.Kh3? Begibt sich ohne Not zurück in die Gefahr. Mit [ 38.Kf3 hätte sich der König mehr Raum für die Flucht verschaffen können.] 38...Kb8?? Das verliert. [ 38...Ta3+! muss eingeschaltet werden, um Weiß am nun möglichen Bauernvorstoß zu hindern. 39.Sf3 Kb8=/+ ] 39.Se6?? [ Stellwagen verpasst die vielleicht einmalige Chance, den Weltmeister zu schlagen! 39.g4! Ta3+ ( 39...Se3 40.Se6 macht den Sack zu.) 40.Kg2 Tg3+ 41.Kh1 Txg4 42.Se6+- Die Drohung Dc7+ kostet den Läufer auf c8 oder bei Tc4 den auf g1.] 39...Ta3+ 40.Kg4 Sh6+ 41.Kf4 Lh2+ 42.Ke4 Sf7 Jetzt hat Anand endlich alle neuralgischen Felder unter Kontrolle. "Nach 42...Sf7 ist es fast unmöglich, am Brett für Weiß eine Rettung zu finden", urteilte Anand bei der Analyse und sollte bald Recht bekommen. 43.Df8 Sd6+ 44.Kd4 Ka7 45.Sc5 Ta5 46.h6?? [ 46.Dd8! belässt Weiß noch im Spiel. Jetzt bricht seine Stellung umgehend zusammen.] 46...Lg1+ 47.Kd3 Lf5+ 48.Dxf5 [ 48.Ke2 wendet die Niederlage auch nicht ab: 48...Lxc5 49.Dg7 Ta2 50.h7 Txc2+ 51.Kd1 Lxh7 52.Dxh7 Txg2 53.Dc7 Lb4-+ ] 48...Sxf5 49.h7 Ta3+ 50.Sb3 Ld4 51.Ke4 Lh8 52.Kxf5 Ta2 0-1



Meisterteam Baden-Baden
Zum vierten Mal in Folge in der Bundesliga an der Spitze:
Schach-Weltmeister Viswanathan Anand mit der Meistertrophäe und seinen Kameraden der OSG Baden-Baden

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