Frauen sind nicht dümmer als MännerZahlenmäßige Übermacht von 16:1 erklärt die Dominanz von Schachspielernvon FM Hartmut Metz, 18. Januar 2009 |
Für Lästerzungen war der Fall klar: Warum spielen Frauen schlechter Schach als Männer? "Sie können nicht vier, fünf Stunden lang die Klappe halten", ätzt mancher Macho mit Blick auf die langen Turnierpartien. Nachdem Wissenschaftler im vergangenen Sommer bereits bei einer Untersuchung von sieben Millionen US-Schülern mit dem Mythos aufräumten, Mädchen wären in Geometrie und Rechnen schlechter als Jungs, knüpften sich Mathematiker nun Schach vor. Schließlich umgibt die Spieler in den Augen vieler Laien die Aura von großen Denkern - und Frauen gibt es so gut wie keine in der Spitze! Als einzige Dame hält sich seit fast zwei Jahrzehnten die Ungarin Judit Polgar in den Top 100 der Schach-Könige. Aber selbst die 32-Jährige hat es nie auf den WM-Thron der Männer geschafft. Platz acht war ihr bestes Resultat. Belegt dies die geistige Überlegenheit des Mannes? Ein in Oxford und Tübingen ansässiges Uni-Team um Merim Bilalic fand logische Gründe für die Dominanz des starken Geschlechts auf den 64 Feldern: Es liegt an der zahlenmäßigen Überlegenheit der Männer!
Im Fachblatt "Proceedings of the Royal Society B" seziert Bilalic die Daten von mehr als 3 000 Ligen und Turnieren, die der Deutsche Schachbund akribisch pro Jahr auswertet. Die Datenbasis von rund 120 000 Spielern war im April 2007 breit genug für eine umfassende Erhebung. Die Spielstärke reicht aktuell von etwa 600 bis fast 2 800 DWZ (Deutsche Wertungszahl). Dabei entsprechen rund 80 Punkte einer Leistungsdifferenz von zehn Prozent. Ein 400 Punkte schlechterer Spieler hat folglich kaum eine Chance gegen den höher Klassierten. Die durchschnittliche Wertungszahl beträgt etwa 1 500 DWZ, die passable Kreisliga-Spieler aufweisen. Das Geschlechterverhältnis betrug 113 386 Männern zu 7 013 Frauen, also etwa 16:1 - und unter den besten 100 deutschen Spielern fand sich mit der Berlinerin Elisabeth Pähtz auch nur eine Frau.
Im Durchschnitt lagen die 100 besten Männer 353 Ratingpunkte über den 100 besten Frauen. Nicht weiter verwunderlich, meinen die Forscher. Berücksichtigt man ihre zahlenmäßige Überlegenheit, sollte die Differenz 341 DWZ betragen! Der Unterschied ist also kaum signifikant. Bilala meint daher, dass sich 96 Prozent der größeren Spielstärke allein aus den bloßen Spielerzahlen ergeben! "Somit bleibt nicht viel für biologische oder kulturelle Erklärungen", befinden die Statistiker. Eine größere Gruppe bringe eben mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich mehr Spitzenleistungen hervor. Dieser statistische Effekt erkläre auch, wieso Frauen in anderen Bereichen wie den Naturwissenschaften oder den Ingenieur-Disziplinen, in denen sie unterrepräsentiert sind, selten in die Führungsetagen gelangen.
Schon als kleines Mädchen hat Judit Polgar die Männer das Fürchten gelehrt. Ihr Vater Laszlo, ein Pädagoge aus Budapest, wollte mit seinen drei Töchtern beweisen, dass "Genies" machbar sind. Laszlo Polgar wählte Schach, weil die Leistung anders als in der Mathematik objektiv gemessen werden kann. Auch Judits ältere Schwestern Susan, die Weltmeisterin wurde, und Zsofia schafften es bei den Frauen in die Spitze. Mit 15 Jahren brach Judit Polgar den legendären Rekord des Amerikaners Bobby Fischer als jüngster Männer-Großmeister aller Zeiten. Bereits im Alter von 13 schlug sie den dänischen Großmeister Lars Bo Hansen.
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Polgar,J (2555) - Hansen,L (2525) [C16]
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Nicht besser war es dem Norweger Jonathan Tisdall ein Jahr zuvor, 1988 in Reykjavik, gegen Polgar ergangen.
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Tisdall,J - Polgar,J
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