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Der König von Dortmund stellt nur den Kaffee falsch ab

Neuer Rekord: Russe Kramnik gewinnt Schach-Klassiker zum neunten Mal

Foto und Text von FM Hartmut Metz, 20. Juli 2009

 

Der König von Dortmund gibt sich mit dem neuen Fabelrekord nicht zufrieden. Unmittelbar nach seinem neunten Triumph im Schauspielhaus kündigte Wladimir Kramnik an: "Ich habe mir zum Ziel gesetzt, hier zehnmal zu gewinnen!" Der ehemalige Schach-Weltmeister schlug in der letzten Runde Lokalmatador Arkadij Naiditsch und deklassierte die Konkurrenz mit 6,5:3,5 Punkten um einen vollen Zähler. Damit belegte der Russe in einem der drei traditionsreichen Top-Turniere so oft wie kein anderer Denksportler Platz eins.

Bis zum Sonntag hielt sein Landsmann, der zurückgetretene Garri Kasparow, noch gemeinsam mit Kramnik die Bestmarke. Der 46-jährige Moskauer Oppositionspolitiker hatte im spanischen Linares das "Wimbledon des Schachs" achtmal dominiert. Im holländischen Wijk aan Zee, dem dritten Klassiker auf den 64 Feldern, gelang derlei bisher keinem Großmeister angesichts des stets größten Feldes mit 14 Teilnehmern.

In seinem "Wohnzimmer" war Kramnik einmal mehr das Maß aller Dinge. Selbst Jungstar Magnus Carlsen, der den Wahl-Pariser als Weltranglistendritter mittlerweile abgehängt hat, konnte den ältesten Teilnehmer im Sechserfeld nicht stoppen. Der 34-Jährige schlug den Norweger in einer spektakulären Partie in der achten Runde. Damit überflügelte Kramnik den bis dahin führenden Schüler, der am 12. Juni seine letzte Prüfung absolviert hatte und sich jetzt dem Angriff auf den WM-Titel widmet. Carlsen zeigte in Dortmund eine solide Leistung. Mit 5,5:4,5 Punkten reichte es dem 18-Jährigen indes nur zu Platz zwei gemeinsam mit Peter Leko (Ungarn) und der neuen russischen Nummer eins, Dimitri Jakowenko. Vorjahressieger Leko blieb zwar ebenso wie Kramnik ungeschlagen, aber nur ein Sieg und neun blutleere, meist schnelle Remis waren zu wenig für eine Titelverteidigung.

Hielt sich der Schaden für den Franzosen Etienne Bacrot (4:6) in Grenzen, stürzt sein Vereinskamerad beim deutschen Meister OSG Baden-Baden, Naiditsch, in der Weltrangliste weiter ab. Der kometenhaft aufgestiegene Dortmunder büßt durch vier Niederlagen und lediglich sechs Remis weitere Weltranglistenzähler ein. Der 23-Jährige schien im Juni zwischenzeitlich sogar in die Top 25 auf dem Globus aufsteigen zu können, nachdem er die Schallmauer von 2700 Elo durchbrochen hatte. Doch nach einem schwachen Resultat in Sibirien folgte nun das nächste in seiner Heimatstadt. 2005 hatte Naiditsch sensationell die Dortmunder Schachtage vor Kramnik und Leko gewonnen und sich damit als deutsche Nummer eins etabliert.

In der Schlussrunde musste der Karate-Kämpfer (Blau-Gurt) wieder eine bezeichnende Niederlage hinnehmen: Die Weltspitze ist deutlich besser auf die Eröffnungen vorbereitet als Naiditsch. Kramnik kopierte einfach dessen Begegnung zwei Tage zuvor gegen Leko. Im 18. Zug verbesserte er die Strategie des Ungarn und vollstreckte in 24 weiteren zum zweiten Erfolg über den Außenseiter. Der Ex-Weltmeister wird häufig für sein zu klinisch sauberes Spiel gegeißelt - bei seinem Lieblingsturnier brillierte der Weltranglistensechste jedoch einmal mehr auch mit aufregenden Kombinationen.

Den täglich rund 50000 Zuschauern im Internet blieb der einzige Schnitzer des Russen in der Westfalen-Metropole am Sonntag verborgen. Die paar hundert Schaulustigen vor Ort wunderten sich dagegen, als Kramnik hinter der Bühne hervorkam und sich mit seiner Kaffeetasse gedankenverloren hinter die schwarzen Steine setzte. Doch rasch bemerkte der Dortmunder Rekordsieger, dass er damit auf seinen "Aufschlag" mit Weiß verzichten würde und wechselte flugs die Brettseiten.

Wladimir Kramnik
Seriensieger in Dortmund: Wladimir Kramnik


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