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Schachspieler lernen Pünktlichkeit

152 Länder sorgen bei 38. Olympiade in Dresden für Rekordbeteiligung

Text und Bilder von FM Hartmut Metz, 13. November 2008

 

Der Schach-Weltverband FIDE erzieht seine Schäflein jetzt unerbittlich zur Pünktlichkeit. Wer heute zu spät zur Eröffnungsfeier der Olympiade in Dresden um exakt 20.08 Uhr erscheint, muss noch keine Sanktionen fürchten – sofern der Spieler die verpasste Show in der neuen Eissportarena mit Max Mutzke, Zascha Moktan und der Staatsoperette Dresden nicht als Strafe wertet. Wer sich aber ab der dritten Runde um 15 Uhr fern seines Brettes im Kongresszentrum in Zeitnot befindet, bringt seine Mannschaft mit 0:1 in Rückstand. In den ersten zwei Partien kommen die Spieler noch mit einer Verwarnung davon.

Bisher hockten sich die anderen Großmeister hin und begannen ihre Duelle. Jener ohne Gegner drückte die Uhr, so dass der Rivale wenigstens ein paar Minuten seiner zwei Stunden Bedenkzeit einbüßte. Oft nur ein kleiner Verlust, zumal man sich noch schnell per Laptop um die Ecke gegen das Eröffnungsrepertoire des Kontrahenten wappnen konnte. Dergleichen verbietet sich künftig bei der Mannschafts-WM, die fälschlicherweise Olympiade heißt und alle zwei Jahre veranstaltet wird. Diesmal gehen bis zum 25. November Nationalteams aus 152 Verbänden an den Start. Ein einsamer Rekord bei der von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble eröffneten 38. Auflage seit 1927. Gleiches gilt für die 114 Länder bei den Frauen, die erstmals auch an vier statt an drei Brettern spielen. Jeweils zwei zusätzliche Quintette des Gastgebers erhöhen die Zahlen auf 154 und 116 Mannschaften sowie mehr als 1300 Spieler. Eine Mammutaufgabe für die Veranstalter, die alle 5940 Partien der elf Runden live im Internet übertragen wollen. Zudem soll ein Web-TV rund um die Uhr senden.

Nach derlei sah es noch im Frühjahr 2007 beileibe nicht aus: Die vergleichsweise kleine Einzel-Europameisterschaft war damals ein organisatorisches Desaster. Finanziell drohte der Kollaps. Der ist dank der Bürgschaft der Stadt Dresden abgewendet. Die Sachsen-Metropole entmachtete einen Teil des auch wegen persönlicher Bereicherung kritisierten Veranstalterteams. Das brachte Verbesserungen - aber kaum überregionale Sponsoren, die sich für eine der angeblich vier größten internationalen Sportveranstaltungen der Welt interessierten. Der Steuerzahler wird deshalb für einen Batzen des Etats von 3,88 Millionen Euro geradestehen müssen.

Weit beschaulicher verliefen die ersten Olympiaden in Deutschland. Hamburg bildete 1930 den Auftakt. Als weniger rühmlich gilt dagegen die inoffizielle Olympiade 1936 in München, die die Nazis zu Propagandazwecken missbrauchten. Besser machte es die bayrische Landeshauptstadt dafür 1958 - die DDR "konterte" mit der legendären Olympiade 1960 in Leipzig. Bei dieser war der 17-jährige Bobby Fischer die Sensation. Vor allem der US-Amerikaner zog die 60000 Zuschauer magisch an. Sein Debüt gab damals auch Viktor Kortschnoi, der mit der Sowjetunion siegte - der 77-Jährige sitzt noch immer am Spitzenbrett der Schweiz! Kortschnoi fungiert in Elbflorenz zudem als Olympiade-Botschafter wie der ehemalige WM-Kandidat Wolfgang Uhlmann, der mit seinen Erfolgen seit 1958 die große Dresdner Schachtradition begründet hat. Auch 1970 bei der letzten Olympiade auf deutschem Boden, in Siegen, stand der aufstrebende Fischer im Mittelpunkt - ungeachtet seiner Niederlage gegen Weltmeister Boris Spasski.

Wie zu Hochzeiten der Sowjetunion gelten die Russen als Topfavorit. Bundestrainer Uwe Bönsch und die deutsche Nummer eins, Arkadij Naiditsch, haben das Quintett um Ex-Weltmeister Wladimir Kramnik ganz oben auf der Rechnung. "Die Ukrainer und die jungen Chinesen sind auch ,Tiere'", bekundet Naiditsch unverblümten Respekt vor der Konkurrenz. An Platz zwei wie anno 2000 in Istanbul verschwendet Bönsch keinen Gedanken: "Das war eine Sensation, die wir nicht wiederholen können." Einen einstelligen Tabellenplatz hält der Hallenser Großmeister, der bei den letzten Olympiade-Auftritten der DDR 1988 und 1990 an Brett eins und zwei spielte, für "realistisch". Angesichts von Position elf in der Setzliste "träumt" der 50-jährige Bundestrainer von Platz sechs. Naiditsch pflichtet bei: "Für ganz vorne reicht es nicht. Rang fünf bis zehn wäre gut", befindet der 23-jährige Dortmunder, der sich in Sachsen unter die besten 30 der Weltrangliste schieben will. Die deutschen Frauen um die Dresdner Bundesligaspielerin Elisabeth Pähtz sind auf Rang zwölf gesetzt und peilen wie die Männer bei dem 14-tägigen Schach-Festival eine einstellige Platzierung an.

Webseite der Schach-Olympiade: www.dresden-2008.de

Uwe Boensch
Uwe Bönsch
Arkadij Naiditsch
Arkadij Naiditsch
Elisabeth Pähtz
Elisabeth Pähtz


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