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Abenteuer mit Karl May und Bobby Fischer

Verleger und Schach-Großmeister Lothar Schmid feiert 80. Geburtstag / Kriegsbeil mit Freistaat Sachsen ausgegraben

Von FM Hartmut Metz, 13. Mai 2008

 

Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah. Den ellenlangen Namen des Helden aus "Durchs wilde Kurdistan" kennt Lothar Schmid mindestens so gut wie einst Karl May (1825-1912). Sein Verleger in dritter Generation betet den Namen des Freundes von Kara Ben Nemsi auch mit 80 Jahren noch problemlos herunter. Früher hatte der Bamberger Schach-Großmeister die neun Worte hinter Hadschi Halef Omar vor mancher Partie memoriert, um sein Gehirn auf Trab zu bringen.

Mit beachtlichem Erfolg für einen Amateur: Lothar Schmid, der heute seinen runden Geburtstag feiert, errang als einer der wenigen den Großmeister-Titel im Turnier- als auch im per Post gespielten Fernschach. Doch nicht allein deswegen gilt der "schöne Lothar" als eine der schillerndsten Figuren der Schach-Geschichte. Der 278fache deutsche Nationalspieler wurde vom Schach-Weltverband FIDE zum "Schiedsrichter des Jahrhunderts" gekürt. Immer wenn es schwierig wurde, vermittelte der Jurist auf den 64 Feldern. Bei den Weltmeisterschaften 1978 zwischen dem in die Schweiz emigrierten Viktor Kortschnoi und dem Sowjet Anatoli Karpow beruhigte Schmid ebenso die Gemüter wie 1986, als zwischen Karpow und Garri Kasparow die Fetzen flogen.

Legendär bleibt jedoch sein Einsatz 1972 in Reykjavik. Ohne den Fernschach-Vizeweltmeister wäre das "Match des Jahrhunderts" zwischen Fischer und Boris Spasski geplatzt. Als der Amerikaner nach der kampflos verlorenen zweiten Partie wieder Mätzchen machte, wurde Schmid rigoros: "Ich packte die beiden Kampfhähne, die etwas größer als ich waren, bei den Schultern, und drückte sie in ihre Sessel. Dann befahl ich: ,Spielt jetzt!' Spasski machte daraufhin automatisch den ersten Zug d4. Nach diesem schwersten Augenblick war das Match gerettet", erzählt der Referee von der dritten Partie, ab der Fischer das Geschehen in die Hand nahm.

Rund 150 Bücher widmeten sich dem legendärsten Schach-Duell aller Zeiten - Schmid hat sie zu Hause alle. Und noch viel mehr. Mit "vermutlich über 50.000 Büchern" stellt seine Bibliothek die größte private Schach-Sammlung auf dem Globus dar. Doch auch hier regiert Schmids Maxime: "Qualität geht vor Quantität". Als es galt, "den Eckstein aller Schachbücher" - das erste Lehrwerk, den 1497 in Spanien erschienenen Lucena - zu erwerben, überlegte er "lange, lange", ehe sich der Büchernarr das "teure Vergnügen" doch leistete.

Ausgerechnet in seinem 80. Lebensjahr holt Schmid mehrfach die Vergangenheit ein. Während das Abenteuer mit der überraschend auf Island verstorbenen Schach-Legende Bobby Fischer im Januar ein Ende fand, beschäftigt ihn Abenteuer-Romancier Karl May über das heutige Wiegenfest hinaus - obwohl Schmid seinem Sohn Bernhard den Verlag vor 15 Jahren übergeben hat und "nur noch als Berater" tätig ist. Der Großmeister will aber den Nachlass des "zweifellos erfolgreichsten deutschen Schriftstellers, Goethe und andere Klassiker eingeschlossen," regeln. Karl May wurde nicht nur in 42 Sprachen übersetzt. Mit "mehr als 200 Millionen verkauften Büchern" zählt der Schöpfer von Winnetou zu den "meist gelesenen Autoren aller Zeiten", betont der Jubilar.

Das Land Sachsen bot dem Großmeister 3,5 Millionen Euro für seinen rund 10.000 Seiten umfassenden Karl-May-Nachlass. Daraufhin grub Schmid das Kriegsbeil aus. Nur seine Contenance bewahrt den in Dresden geborenen Jubilar davor, die Offerte als Frechheit zu geißeln. Vornehm nennt er das von ihm im Stile von Old Shatterhand abgeschmetterte Angebot eine "weite Unterschätzung. Ich habe die Sammlung von meinen Brüdern gekauft und wollte sie in die Heimat nach Radebeul zurückgeben. Sachsen hat seine Chancen nicht erkannt", meint der preisbewusste Sammler angesichts seiner Forderung von 15 Millionen Euro. Den Betrag wertet der Bamberger als Schnäppchen, weil die zehn Original-Manuskripte, 400 Gedichte und 320 Briefe nach Schätzungen das Doppelte wert seien. Ein Gutachten Sachsens taxiert den Wert der Sammlung dagegen auf sieben Millionen Euro. Die Fronten sind verhärtet, Schmid will aber nicht davon reden, dass die Verhandlungen "endgültig geplatzt sind". Seine Drohung einer privaten Versteigerung steht im Raum - im Schach weiß man aber dank eines Lehrsatzes, dass die Drohung stärker ist als ihre Ausführung. Vielleicht endet deshalb auch Schmids letzte wichtige Geschichte im Osten wie im Wilden Westen von Karl May: mit einem gemütlichen Lagerfeuer, an dem der 80-Jährige und die sächsische Kunstministerin Eva-Maria Stange nach Kriegstänzen die Friedenspfeife rauchen.


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