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Der Schach-König stirbt mit 64

Bobby Fischer: Genie und Held im "Jahrhundert-Match" 1972 und Tod als Ausgestoßener im Krankenhaus von Reykjavik

Von FM Hartmut Metz, 20. Januar 2008

 

Der größte Schachspieler aller Zeiten ist tot: Bobby Fischer starb am Donnerstag mit 64 Jahren an der Stätte seines größten Triumphs in Reykjavik, berichteten gestern isländische Medien. Beim "Match des Jahrhunderts" hatte der gebürtige Chicagoer 1972 den Russen Boris Spasski im WM-Kampf mit 12,5:8,5 vernichtet. Ein Tiefschlag für die Sowjetunion auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, dass der Herausforderer aus dem Land des kapitalistischen Erzfeindes die angebliche geistige Überlegenheit des Proletariats torpedierte. In den USA stieg Fischer zum Nationalhelden auf - und wurde später zum Ausgestoßenen.

Während hinter Spasski ein Tross von Betreuern bis hin zum KGB stand, führte Fischer die rote Übermacht im Alleingang vor. Er brach die 34 Jahre währende Dominanz der UdSSR, obwohl er die erste Partie in Reykjavik und wegen Streitigkeiten auch die zweite Begegnung kampflos verloren hatte. Die ganze Welt wollte das Match sehen, Schach erlebte eine Popularitätswelle und so wurden alle Forderungen Fischers bis hin zu einem angemessenen Preisgeld erfüllt. Nach seinem Sieg verteidigte der elfte Schach-Weltmeister der Geschichte seinen Titel nicht 1975 gegen den neuen Sowjet-Stern Anatoli Karpow.

Erst 1992 trat der Exzentriker wieder zu einer Revanche gegen Spasski an. In Ex-Jugoslawien hatte ein zwielichtiger Bankier mehr als fünf Millionen Dollar locker gemacht, um die Legende zu einer Rückkehr ans Brett zu bewegen. Glücklich wurde Fischer mit dem Geld aber nicht: Weil er mit dem Zweikampf das US-Embargo durchbrochen hatte und vor laufenden Kameras auf ein US-Schreiben spuckte, drohte ihm in der Heimat eine Gefängnisstrafe. Fortan tauchte das Phantom mit einem Intelligenzquotienten von 186 unter und versteckte sich in Deutschland, Ungarn, Japan und auf den Philippinen. Als er 2004 in Tokio bei einem Ausreiseversuch mit einem abgelaufenen US-Pass festgenommen wurde, schoben ihn die Japaner nach Island ab. Dort erhielt er auf Grund seiner Verdienste um die Bekanntheit der kleinen Insel die isländische Staatsbürgerschaft. Jetzt starb er nach einem Krankenhausaufenthalt in Reykjavik.

Selten herrschte in Schachkreisen solche Einigkeit, was einen Spieler anlangt. "Fischer ist das größte Genie, das je vom Schachhimmel herabgestiegen ist", bekannte bereits einer seiner Vorgänger als Weltmeister, Michail Tal. Auf dem Weg durch die WM-Kandidaten-Zweikämpfe hatte der Einzelgänger aus Pasadena eine unglaubliche Serie von 19 Siegen in Folge - ohne einziges Remis - gefeiert. Neben dem Dänen Bent Larsen deklassierte das einstige Wunderkind, das mit 14 US-Meister und 1958 mit 15 Jahren jüngster Großmeister aller Zeiten geworden war, auch den Russen Mark Taimanow. Der ebenso begnadete Pianist erklärte nach dem 0:6 deprimiert: "Jetzt bleibt mir nur noch meine Musik!" Die Schlappe, die ihm jahrelange Repressalien bis hin zum Konzert-Auftrittsverbot in der Sowjetunion einbrockte, versuchte Taimanow zu erklären: "Dieses schreckliche Gefühl, dass ich gegen eine Maschine spielte, die niemals Fehler macht, zerschmetterte meinen Widerstand."

Der unglaubliche Siegeswillen und die einschüchternde Art waren Fischers Trümpfe, auch wenn er selbst sagte: "Ich glaube nicht an Psychologie, ich glaube an gute Züge." Mit diesen gedachte er "das Ego des Gegners zu zermalmen". Der Verstorbene war von sich selbst eingenommen - was auf dem Brett ein Vorteil war, ihm aber im Leben meist Ärger bescherte. Obwohl er selbst jüdische Wurzeln hatte, waren seine antisemitischen Hetztiraden und die gegen seine alte Heimat gefürchtet. Auch mit Frauen hatte er Probleme. "Es gibt keine einzige Frau, der ich nicht einen Springer vorgeben könnte und trotzdem gewänne", hielt Fischer das schwache Geschlecht für minderbemittelt. Zum Thema Frauen und Sex fiel ihm ein: "Schach ist besser!"

Ungeachtet seiner Eskapaden vergöttern ihn zahllose Schachspieler. Noch heute erscheinen Bücher die sich mit seinem Phänomen befassen. Das wohl am meisten verkaufte Schachbuch aller Zeiten dürfte "Meine 60 denkwürdigen Partien" aus Fischers eigener Feder sein. Der fleißigste Schachautor mit mehr als hundert Titeln, der englische Großmeister Raymond Keene, würdigte die Leistung des Isländers ehrenhalber trefflich: "Fischer machte Schach einfach zu einer aufregenden Sache, wann immer er sich ans Brett setzte!"

64 Felder besitzt das Schachbrett - mit 64 Jahren rief Schachgöttin Caissa ihren König zu sich.


Zitate von Bobby Fischer

"Wenn ich gewinne, bin ich ein Genie. Wenn nicht, dann bin ich keines."

"In der Schule lernt man nichts. Es ist nur Zeitverschwendung."

"Schach ist eine Sache der genauen Beurteilung, wann man zuschlagen und wann man sich ducken muss."

"Ich gebe dem Schach 98 Prozent meiner mentalen Energie - andere geben nur zwei Prozent."

"Die meisten Menschen sind Schafe - und benötigen die Hilfe anderer."

"Alle Frauen sind schwach. Sie sind dumm im Vergleich zu Männern und sollten kein Schach spielen. Sie spielen wie Anfänger."

"Es gibt keine einzige Frau, der ich nicht einen Springer vorgeben könnte und trotzdem gewänne."

Lisa Lane, amerikanische Schachmeisterin, hatte Fischer einmal als stärksten lebenden Spieler bezeichnet. Antwort: "Das ist richtig, aber Lisa Lane ist eigentlich nicht in der Lage, das zu beurteilen."

Über Frauen: "Schach ist besser!"

"Ich liebe den Moment, wenn ich das Ego meines Gegenüber breche."

"Im Schach geht es darum, den Gegner klein zu kriegen, sein Ego zu zerbrechen und zu zermalmen, seine Selbstachtung zu zertreten und zu verscharren und seine ganze missachtenswerte Persönlichkeit zu zerstampfen."

Mit sehr nachdenklichem Gesicht schreitete Fischer durch den Turniersaal. "Was ist passiert?", fragte ihn Großmeister Lombardy. "Ich stehe schlecht", antwortete Fischer. Lombardy daraufhin: "Dann biete doch einfach Remis an." Fischer: "So schlecht stehe ich nun auch wieder nicht!"

Fischer: "Remis!?" Der Dresdner Großmeister Wolfgang Uhlmann: "Aber es muss doch dreimal Zugwiederholung sein!" Fischer: "Sie nehmen das Remis an, wie ich es sage, sonst spiele ich weiter und werde Sie dann schlagen!"


Zitate über Bobby Fischer

"Ein Schach-Genie ist gestorben. Ein Verlust für die Menschheit." Die 76 Jahre alte Legende Viktor Kortschnoi.

"Ein großer Schock: Der beste Spieler der Schach-Geschichte ist tot." Der Ungar Lajos Portisch (70), der als einer der wenigen Großmeister mit den Sowjets mithalten konnte.

"Ein Mann ohne Grenzen. Er teilte nicht Ost und West, sondern brachte beide zusammen in ihrer Bewunderung für ihn." Der jugoslawische Vorkämpfer Ljubomir Lubojevic.

"Ein großer Spieler und ein großes Beispiel für viele. Sein Buch "Meine 60 denkwürdigen Partien" hatte großen Einfluss auf mich. Es ist bedauerlich, dass er die Schachwelt nach 1972 nicht mehr mit seinem tiefen Verständnis bereicherte." Der Niederländer Jan Timman.

"Für Bobby Fischer müssen wir alle eine Kerze anzünden, denn er hat veranlasst, dass im Spitzenschach höhere Preisgelder gezahlt werden." Der deutsche Großmeister Vlastimil Hort.

"Fischer wollte alleine in die Schachgeschichte eingehen." Der verstorbene argentinische Großmeister Miguel Najdorf.

"Bobby Fischer ist einer der größten Schachspieler aller Zeiten, aber sein Hirn ist krank." US-Schachautor Eric Schiller.


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