Doping im Schach ein HirngespinstOlympiade: Weltranglistendritter Iwantschuk verweigert Kontrollevon FM Hartmut Metz, 7. Dezember 2008 |
Kann das Gehirn mit Mittelchen zu Höchstleistungen getrieben werden? Es wäre ein Verkaufsschlager, doch bisher kennt keiner die Rezeptur - außer vielleicht der Schach-Weltverband FIDE? Dieser droht seinem Weltranglistendritten mit einer zweijährigen Sperre. Wassili Iwantschuk hatte vergangene Woche nach der letzten Runde der Schach-Olympiade in Dresden eine Dopingprobe verweigert.
Wer den größten Kauz unter den Großmeistern kennt, erahnt allerdings die Gründe: Nach seiner Schlappe gegen Gata Kamsky und dem daraus resultierenden 0,5:3,5-Debakel gegen die USA verloren die bis dahin zweitplatzierten Ukrainer die schon sicher geglaubte Medaille an ihre Bezwinger. Bereits ein 1:3 hätte noch für Bronze gereicht. Iwantschuk irrte hernach durch das Kongresszentrum. Shaun Press, Nationalspieler der Fidschi-Inseln und 2004 selbst einmal von der FIDE wegen der Verweigerung einer Dopingprobe mit Punktabzügen bestraft, sah den aufgelösten Iwantschuk: "Er trat gegen einen Betonpfeiler und schlug mehrfach mit den Fäusten auf einen Tisch. Anschließend verschwand er auf der Toilette, stets verfolgt von Offiziellen." Zur Urinabgabe kam es dennoch nicht.
Würde die FIDE alle Resultate Iwantschuks nullen, verlören ausgerechnet die USA nach ihrem grandiosen Sieg Bronze! Ungarn, das der Ukraine 1,5:2,5 unterlag, profitierte durch zwei zusätzliche Punkte und stieße von Platz acht auf drei vor hinter Armenien und Israel. Gastgeber Deutschland würde sich nachträglich von Rang 13 auf neun verbessern.
Nach einhelliger Meinung können Betrüger im Schach nur mit Computern "dopen". "Sowohl dämpfende als auch stimulierende Substanzen haben unliebsame Nebenwirkungen", weiß Dr. Helmut Pfleger. Der Mediziner und Großmeister aus München startete einst bei einem Weltklasseturnier Versuche: "Vor meiner Partie mit Ex-Weltmeister Boris Spasski nahm ich Betablocker - mit katastrophalen Folgen: Pulsfrequenz und Blutdruck sanken in den Keller. Mit großem Gleichmut spielte ich einen ziemlichen Käse und verlor sang- und klanglos."
Ex-Vizeweltmeister Alexej Schirow ergreift Partei für den abseits des Brettes lebensuntüchtig wirkenden Iwantschuk: "Sperrt die FIDE!", lautet seine Forderung nicht nur wegen der unsinnigen Dopingproben, die die FIDE vornimmt, um den Traum zu erhalten, olympische Sportart zu werden. Dies bleibt jedoch eine Illusion. Während Juan Antonio Samaranch der Idee positiv gegenüberstand, will sein Nachfolger beim Internationalen Olympische Komitee (IOC), Jacques Rogge, die Zahl der Sportarten maximal halten, aber eher verringern als vergrößern.
Nachstehend die Partie, die die Doping-Aufregung auslöste. Kamsky ließ Iwantschuk keine Chance, als diesem ein nur unmerklicher Fehler unterlief.
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Kamsky (2729) - Iwantschuk (2786) [C18]
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