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Der Schach-Gott tritt mit Königszug ab

Neunter und letzter Teil über das Leben der Legende Bobby Fischer

von FM Hartmut Metz, 22. März 2008

 

Mit dem Revanche-Match in Jugoslawien hat sich Bobby Fischer 1992 selbst matt gesetzt. Zwar schlug die Schach-Legende bei seinem Comeback nach 20 Jahren den alten Widersacher Boris Spasski erneut und kassierte für das 10:5 (bei 15 Unentschieden) 3,3 Millionen US-Dollar. Aber wegen der durchbrochenen UN-Sanktionen wurde der einstige Nationalheld mit dem Preisgeld nicht glücklich, zumal es Auszahlungsschwierigkeiten in der Schweiz gab.

In die USA konnte der 49-Jährige nicht mehr zurückkehren. Dort drohten ihm bis zu zehn Jahre Haft. So verbarg sich Fischer lange in Budapest oder in der bayrischen Pulvermühle, bis wieder einmal seine Anwesenheit an die Öffentlichkeit kam und das Genie in ein anderes Land flüchten musste. Dem "alten" Schach schwor der Weltmeister von 1972 ab und entwickelte "Fischer Random Chess". Bei dieser vor allem in Mainz als "Chess960" geförderten Schachart wird die Grundstellung aller Figuren nach bestimmten Regeln unter 960 Positionen ausgelost. Dadurch muss man nicht ellenlange Eröffnungsvarianten pauken, um konkurrenzfähig zu sein. Noch mehr als diese Idee setzte sich die Fischer-Uhr durch. Dabei erhält der Spieler für jeden ausgeführten Zug einen Zeitbonus (meist 30 Sekunden), so dass die Zeitnot gelindert und die Partie eher durch das Können auf dem Brett entschieden wird.

In die Bredouille geriet Fischer erst richtig, als der Antisemit nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 bei einem Radiosender anrief und auf den Philippinen - dort hatte er geheiratet und wurde angeblich Vater einer Tochter - jubilierte: "Das ist wunderbar! Amerika muss ein für allemal vernichtet werden! Die Amerikaner und Israelis haben jahrelang die Palästinenser abgeschlachtet und ausgeraubt. Keiner hat sich darum gekümmert. Jetzt trifft es die USA selbst." Fortan betrieb die Bush-Administration die Jagd auf das einstige Idol intensiver. Im Juli 2004 fasste man Fischer in Tokio. Nach wochenlangen Verhandlungen schoben ihn die Japaner aber nach Island ab, wo er wegen der WM, die die Insel 1972 weltberühmt gemacht hatte, die Staatsbürgerschaft gewährt bekam. Dort fand der größte Schachspieler aller Zeiten, der in seiner Glanzzeit alle weit überragte und zahllose Rekorde aufstellte, am 17. Januar wegen eines Nierenleidens seine letzte Ruhe.

Die 30. Partie des Zweikampfs 1992 gegen Spasski war der letzte öffentliche Auftritt von Bobby Fischer am Schachbrett. Stilecht beendete er diesen nicht nur wegen des 10:5-Sieges.











Spasski (2560) - Fischer (2785)
Sveti Stefan/Belgrad WM-Revanche Belgrade, 1992

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.f3 0-0 6.Le3 Sc6 7.Sge2 a6 8.h4 h5 9.Sc1 Sd7 [ 9...e5 10.d5 Sd4 geschah in der 28. Partie des Zweikampfs in Belgrad.] 10.Sb3 a5 11.a4 Sb4 12.Le2 b6 13.g4 hxg4 14.fxg4 c5 15.h5 [ Zu einer zweischneidigen Stellung führt 15.d5 Se5 16.h5 Lxg4!? ( Das ruhigere 16...e6 ist wohl besser.) 17.Lxg4 Sbd3+ 18.Kf1 ( 18.Kd2 verliert: 18...Sxb2 19.De2 Sbxc4+ 20.Kc2 Sxe3+ 21.Dxe3 Sxg4-+ ) 18...Sxb2 19.De2 Sxg4 20.Dxg4 Lxc3 ( 20...Sxc4! 21.Ke2 Dc8 22.Dxc8 Taxc8 23.Ld2 Sxd2 24.Kxd2 f5 25.Taf1 fxe4 26.hxg6 bietet eher Remischancen.) 21.hxg6 fxg6+~~ 22.Ke2 Tf6 23.Dh3 Kf7 24.Lg5 Dc8 25.Dh7+ Ke8 26.Tag1! Da6 27.Dh8+ Tf8 ( 27...Kd7 28.Dh3+ Kc7 29.Dxc3 Sxa4 30.Dc2 Tf7 31.Sd2 b5 32.Tb1 Tb8 33.Le3 Sb6 34.cxb5 und Weiß behält die Oberhand.) 28.Dxc3 Sxc4 29.Kd1 Se5 30.Sd2 und Schwarz muss verzweifelt ums Überleben kämpfen.] 15...cxd4 16.Sxd4 Sc5 17.Sd5 Lb7 18.Sf5? Zu optimistisch. [ 18.Sxb4 garantiert gute Angriffschancen. 18...axb4 19.Lf3 Dd7 ( 19...Lxe4? 20.Lxe4 Sxe4 21.hxg6 fxg6?? 22.Se6 Dc8 23.Sxf8 Kxf8 ( 23...Dxf8 24.Dd5+ e6 25.Dxe4 ) 24.Df3+ Sf6 25.g5 ) 20.b3 Sxe4~~ 21.Dc2 Sc3 22.Dh2 Le5 23.Dh3 g5 mit beiderseitigen Chancen. ( 23...e6? macht es Schwarz unnötig schwer. 24.Lxb7 Dxb7 25.hxg6 fxg6 26.Sc6! Dg7 27.Sxe5 dxe5 28.Lxb6 ( Nur nicht 28.Lh6? Db7 29.Lxf8? De4+ 30.Kd2 Td8+ 31.Kc1 Se2+ 32.Kb2 Td2# ) 28...Tf4 Die Variante könnte sich noch so entwickeln: 29.g5 Tf5 30.Le3 Taf8 31.a5 Tf3 32.Dxe6+ Df7 33.Dxf7+ T8xf7 34.Lc5 T7f4 35.Lxb4 Te4+ 36.Kd2 Te2+ 37.Kc1 Tg2 38.Lxc3 Txc3+ 39.Kb1 Txb3+ 40.Kc1 Tc3+ 41.Kd1 Tcc2 42.a6 Tgd2+ 43.Ke1 Te2+ mit Dauerschach.) ] 18...gxf5 19.gxf5 Lxd5 20.exd5 Lxb2 21.Kf1 [ 21.Tb1 Lc3+ 22.Kf1 Dd7 23.Tg1+ ( 23.Lg4? Dxa4 24.Df3 Da2 25.Td1 Dxc4+ ist hoffnungslos.) 23...Kh7 24.Lxc5 bxc5 25.Ld3 Lf6 26.Le4 Tg8 und Weiß kann aufgeben.] 21...Dd7 [ 21...Lxa1 22.Tg1+ Kh8 23.Dxa1+ f6 24.Tg6 Tg8 25.Lxc5 bxc5 26.Dc1 Txg6 27.hxg6 Kg7 und Spasskis Attacke versandet.] 22.Db1 Lxa1 23.Tg1+ Kh8 24.Dxa1+ f6 25.Db1 [ 25.Tg6 Tg8 26.Th6+ Kg7 27.Tg6+ Kf7-+ ] 25...Tg8 26.Tg6 Txg6 27.hxg6 Kg7 Wie es sich für den Sonnengott des Schachs geziemt, war der letzte Zug seiner Karriere einer mit dem König. Der König ist tot. 0-1



Zitate über Bobby Fischer (aus dem Schach-Magazin 64):

Großmeister Aleksandar Matanovic: "Fischer hat Schach astronomisch aufgewertet. Am Brett war er ein korrekter Spieler in Perfektion."

Großmeisterin Alisa Maric: "Fischer war mein Jugend-Idol. Er kämpfte immer um den Sieg und ist der beste Spieler aller Zeiten. Ohne ihn könnte heute kein Profi seinen Lebensunterhalt vom Schach bestreiten."

Lajos Portisch, vieljähriger Fischer-Konkurrent: "Ich denke, Fischer war der Größte aller Zeiten. Er durchbrach die sowjetische Hegemonie - und er schaffte es allein! Ich weiß, wie schwer das war: Wir beide saßen im selben Boot, nur saß Fischer vorn und ich hinten."

Großmeister Borislav Ivkov: "Fischer vollbrachte für Schach das, was Muhammad Ali für den Boxsport tat. Es ist ziemlich symbolträchtig, dass er mit 64 Jahren starb."

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