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Nummer fünf lebt: Der Bulldozer überrollt die Führenden

Topalow übernimmt statt Carlsen Platz eins in der Schach-Weltrangliste / Anand verpatzt als Schlusslicht Generalprobe für WM in Bonn

Von FM Hartmut Metz, 14. September 2008

 

Der Hype um Magnus Carlsen erreichte zum Auftakt der Rückrunde in Bilbao seinen Höhepunkt: Beim mit 400.000 Euro dotierten Grand-Slam-Finale übernahm der 17-jährige Norweger die Führung und wurde vorschnell als neuer Weltranglistenerster gefeiert. Doch der Ukrainer Wassili Iwantschuk holte das Schach-Wunderkind in Runde sieben zurück auf den harten Boden der 64 Felder und übernahm selbst die Führung in der virtuellen Weltrangliste – am Schluss machte ihn aber auch „der Bulldozer“ platt: „La topadora Topalov“, wie der in Spanien lebende Wesselin Topalow wegen seines kompromisslosen Angriffsschachs ehrfurchtsvoll genannt wird, dominierte eines der stärksten Schachturniere aller Zeiten.

Damit übernimmt weder Carlsen noch Iwantschuk die Führung in der Weltrangliste: Die schon fast abgeschriebene Nummer fünf aus Bulgarien lebt noch. Der 33-Jährige steht nach 18 Monaten Abstinenz am 1. Oktober, wenn die offizielle vierteljährliche Liste tatsächlich veröffentlicht wird, wieder ganz vorne. Zu dem Platztausch mit Topalow trug aber vor allem der bisher führende Viswanathan Anand bei. Der Weltmeister büßte durch eine klägliche Leistung Punkte ein und gewann keine einzige seiner zehn Partien. Lediglich acht Remis standen für den Inder zu Buche, womit der 38-Jährige auf Platz fünf der Weltrangliste abstürzt hinter Topalow, dem für das Grand-Slam-Finale nicht qualifizierten Russen Alexander Morosewitsch, Carlsen und Iwantschuk. Allerdings liegt das Quintett nur einen Wimpernschlag auseinander, so dass jede Partie einen neuerlichen Wechsel im Januar heraufbeschwören könnte.

„Gegen Carlsen spielte ich eine famose Partie“, ließ Topalow das erste der entscheidenden Rückrunden-Duelle Revue passieren und widmete sich sogleich dem zweiten, „ich war am Schluss frisch, während Iwantschuk müde wirkte. Er hat wohl zu viele Turniere hintereinander gespielt.“ Die Schlappe kostete den Ukrainer 100.000 Euro und eine Baskenmütze, weil danach sein Bezwinger außer dieser Siegestrophäe die Prämie von 150.000 Euro einstrich. Als Trostpflaster besserte der zweitplatzierte Carlsen sein Taschengeld um 70.000 Euro auf.

Durch den Erfolg in der zehnten Runde über Iwantschuk setzte sich Topalow auf 17 Zähler ab. Auf der Plaza Nueva in Bilbaos Altstadt war ein weiterer Versuch gestartet worden, die Drei-Punkte-Regel wie im Fußball einzuführen, um die Remis-Seuche im Topschach zu bannen. Doch auch nach herkömmlicher Rechnung wäre der Großmeister aus Salamanca bei 6,5:3,5 Punkten mit 1,5 Zählern weit vor den Verfolgern Carlsen, dem in Berlin lebenden Armenier Lewon Aronjan (beide 13) und Iwantschuk (12) gelegen. Der Aserbaidschaner Teimur Radjabow (10/4,5:5,5) überreichte mit seinem Schlussrunden-Erfolg über Aronjan dem Weltmeister Anand (8/4:6) die unrühmliche rote Laterne.

Der bis Januar zu behebende Absturz in der Weltrangliste dürfte den „Tiger von Madras“ weniger schmerzen. Eher treibt dem Inder die Formkurve vor der Mitte Oktober anstehenden WM in Bonn die Sorgenfalten auf die Stirn. In dem Glaskasten mitten auf der Plaza Nueva, der rasch den Spitznamen „Aquarium“ verpasst bekam, wirkte der Weltmeister mehr wie ein Zierfisch für das Turnier denn wie ein Weißer Hai. Anand spielte mit dem Handicap in Bilbao, keine seiner neuen Eröffnungsvarianten verraten zu können - die sollen schließlich Herausforderer Wladimir Kramnik in Schwierigkeiten bringen. Doch Anand verdarb auch aussichtsreiche Stellungen wie gegen Aronjan, die er früher sicher verwertet hatte. Einzige Beruhigungspille nach der missglückten Generalprobe: Der Russe Kramnik agierte in diesem Jahr noch schlechter und fällt jetzt sogar auf Platz sechs in der Weltrangliste zurück.

Veselin Topalov
Veselin Topalov


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