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Nach dem Simultan in Sydney geht es bergab ...

Nur ein zweiter Höhepunkt für Metz / Kresovic schlägt australischen Meister

Von FM Hartmut Metz, 31. Juli 2008

 

Einmal im Leben nach Australien! So lautet der Traum vieler Deutscher. Die etwas anspruchsvollere Variante für Denkstrategen besteht darin, auch noch auf dem Fünften Kontinent ein bisschen Schach zu spielen. Velimir Kresovic und Hartmut Metz erfüllten sich diesen Traum. Die beiden Kuppenheimer traten über Ostern erst in Canberra, dann in Sydney an. Für Metz war da schon der Höhepunkt weit überschritten. Der FM gab im serbischen Sportklub in Sydney ein Simultan an 18 Brettern. Dies hatte Kresovic im Vorfeld der Reise mit dem Manager des Sportklubs arrangiert! 13 Partien gewann Metz, fünf remisierte er gegen die Gegner, die wohl bis zu maximal 2000 Elo aufwiesen. Zwei halbe Punkte verschenkte der Kuppenheimer in Gewinnstellungen, weil ihn ein Verwandter beziehungsweise ein Spieler darum bat - muss ja nicht jeder so hartherzig sein wie Garri Kasparow, der Kinder auch makellos mit 25:0 abschlachten will ... Und zumindest der die Arme nach oben reißende überglückliche Serbe wird sein Remis so schnell nicht vergessen, während Metz die minimal geschmälerte Gesamtbilanz nicht störte.

Über das Simultan in dem allein rund 500 aktive Fußballer zählenden Sportklub sowie das an dem Tag stattfindende Folklorefest berichtete die australische Ausgabe der Zeitung "Vesti" (siehe pdf) nicht nur Down Under! Text und Bild mit den beiden Kuppenheimern wurde erstaunlicherweise auch in die europäische Ausgabe gehievt, wie Velimirs Freund Boban, Chef von Slavija Karlsruhe, später erzählte. Anschließend blitzten Kresovic und Metz noch zur Erbauung des Publikums gegen den später eintreffenden Großmeister Dejan Antic, der von Serbien nach Sydney ausgewandert ist. Während Kresovic in sechs, sieben Partien zwei Siege einfuhr, gelang Metz ein unerwartetes 5:5. Damit hatte er allerdings sein Pulver verschossen! Da half es auch nichts, mit Chess-Beauty Ariane Caoili auszugehen und neben Känguru- auch Krokodil-Fleisch zu verspeisen! Fortan fehlte der Biss. Eher spielte er wie ein Schaf, das er zuvor auf einer Farm geschert hatte ... Nach 4/6 in Canberra erwies sich die Niederlage gegen den australischen IM David Smerdon als wegweisend. In einer ellenlangen Theorievariante im Panow-Angriff griff der Kuppenheimer in Zeitnot fehl. Die Bedenkzeit von 90 Minuten plus 30 Sekunden pro Zug sowie zwei Partien am Tag behagten ihm nicht. Und wenn dann noch Schwarz gegen einen starken Gegner dazukommt ... Am Schluss standen jedenfalls nur 4,5/9 und eine Elo-Einbuße von rund 30 zu Buche.

Kresovic war in Canberra auch noch nicht ganz in Topform. Im sehr schönen Hellenic Club kam er jedoch immerhin nach einem schwachen Start mit einem Remis auf 5/9. Dabei gelang ihm zumindest eine Punkteteilung gegen Atanasas Kisov. Der Coach der mazedonischen Nationalmannschaft startete anschließend durch und hätte das Turnier fast noch als Sieger beendet. Doch in der letzten Runde vergeigte Kisov ein Endspiel mit zwei Mehrbauern, das der Israeli Igor Bitansky studienhaft Remis hielt. Der Patzer kostete Kisov rund 1.600 Aussie-Dollar (rund 1.000 Euro). So setzte sich mit 7,5 Punkten der aus Armenien stammende US-Amerikaner Varuzhan Akobian souverän durch.

Einen Tag später in Sydney waren die Spielbedingungen um Klassen schlechter als im Hellenic Club in der australischen Hauptstadt. Wegen des Umbaus der Paramatta Town Hall standen nicht einmal Toiletten zur Verfügung! Die öffentlichen direkt neben dem Spielsaal waren eine Zumutung. Kresovic spielte dennoch keinen "Scheiß", um's mal salopp zu formulieren. Zwar unterlag er dem späteren Co-Sieger Ganguly, der wie seine GM-Kollegen Zhang Zhong (Singapur), Gawain Jones (England) und der frisch gebackene australische Großmeister Zhao auf sieben Punkte kam. Doch Kresovic kämpfte sich wieder zurück auf die Bühne der acht Topbretter. Im sechsten Durchgang schlug der 52-Jährige den amtierenden australischen Meister Stephen Solomon! Mehr als seine ausgezeichneten 5,5/9 gegen starke Gegnerschaft verpasste der Kuppenheimer im letzten Duell gegen einen weiteren IM: Gary Lane schien auf der Siegerstraße zu sein. Die beiden Spieler der Caissa-Rochade fragten sich nur, wer von beiden schneller aufgeben würde! "Ich habe schon überlegt, berichtete "Veli" seinem Kumpel, "aufzugeben." Ähnliche Gedanken plagten auch Metz während der Partie mit dem belgischen 2600er-GM Wadim Malachatko! Doch auf wundersame Weise zog Kresovic nach einem Figurenverlust dank eines starken h-Freibauern mit Dame und Springer gegen Dame, Springer und Läufer den Kopf aus der Schlinge! Er schaffte den Übergang in ein Endspiel mit fünf Bauern gegen Springer und drei Bauern. Nun hätte der Kuppenheimer mit seinem König hinter den zwei Freibauern auf der f- und e-Linie pendeln müssen. Dann hätte der Schwiegersohn von Turnierorganisator Brian Jones keine Gewinnversuche mehr starten können. Jede Bewegung des feindlichen Königs oder Springers hätte ihm Einbruchsfelder zu den verbleibenden feindlichen Bauern verschafft und wäre nur für Lane gefährlich geworden. Doch einmal mehr vermochte Kresovic nicht untätig stillzuhalten ... In der entscheidenden Stellung (W: Kf3, Sc3, c2, b4, a3; S: Kc6, f5, e5, c5, b5, a6) zog er den a-Bauern auf und verlor noch nach 1.bxa5 b4 2.axb4 cxb4 3.Sa2 Kb5 4.Sxb4! Schade. So verpasste Kresovic eine 2400-Performance.

Metz konnte herbe Elo-Verluste wie in Canberra halbwegs vermeiden. Nach einigen glücklichen Siegen - diesmal hatten die Kontrahenten mehr Mühe mit der Bedenkzeit von 90 Minuten/40 Züge plus 30 Sekunden - notierte der FM auch mit 5,5/8. Doch erneut stand die Schwarz-Schwäche zur Debatte! Gegen Malachatko war daher nichts zu erwarten. Der Wahl-Belgier haute Metz auch gleich die Slawisch-Variante um die Ohren, obwohl der 2600er zuvor zwei extrem schwache Turniere abgeliefert hatte. So floh bald der schwarze König über d7 nach c7 und b8. Indes blieb der Totschlag aus und statt der Aufgabe lag plötzlich ein Remis in Reichweite. Ein letzter Patzer entschied jedoch die Partie.

Fazit: Touristisch ist Australien für Schachspieler eine Reise wert. Während es in Canberra nicht so viel zu sehen gibt, sind die Spielbedingungen dort deutlich besser. Das als Fernziel hundert Mal spannendere Sydney dürfte aber zumindest nach dem Umbau der Paramatta Town Hall etwas aufholen, aber gewiss nicht an den Doeberl Cup herankommen.

Wer sich für weitere Details zu Schach in Down Under interessiert, kann entweder das Schach-Magazin 64, Ausgabe Mai, nachbestellen oder die Turnierberichte hier auf der Homepage der Caissa-Rochade Kuppenheim nachlesen. Einblicke ins dortige Schach gibt überdies das Interview mit GM Ian Rogers, das Metz nach dem Rücktritt des besten Australiers aller Zeiten für das Schach-Magazin 64 führte.

Australien Canberra 2008
Bei so viel Schönheit gegenüber muss man grinsen:
Hartmut Metz mit Ariane Caoili,
die ihm anschließend am Brett das Leben schwer machte
Australien Canberra 2008
Velimir Kresovic (rechts) mit seinem nach
Australien ausgewanderten Landsmann Dejan Antic
Australien Sydney 2008
Velimir Kresovic (links) zwingt den australischen Meister Stephen Solomon in die Knie,
dahinter schaut Gary Lane zu, der in der Schlussrunde Kresovic stoppen sollte
Australien Sydney 2008
Hartmut Metz vor seiner letzten Partie in Australien
gegen den 2600er-GM Wadim Malachatko
Australien Sydney 2008
Gab beim Schach wie beim Schafe scheren im australischen Outback
eine denkbar gute Figur ab: Velimir Kresovic


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