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"Würgeschlange" Karpow greift plötzlich an

Ehemaliger Weltmeister feiert in Serbien ein Comeback im Turnierschach

von FM Hartmut Metz, 28. Juli 2007

 

Anatoli Karpow

Anatoli Karpow

 

   Auf einen Rekord ist Anatoli Karpow besonders stolz: Der Philatelist sammelt Turnier- und Wettkampfsiege wie andere Leute Briefmarken. Der ehemalige Weltmeister reklamiert an die 170 erste Plätze in seiner Karriere für sich! Damit hortete der 56-Jährige mehr als doppelt so viele Erfolge wie alle anderen Schach-Legenden von Aljechin bis Kasparow. In den vergangenen vier Jahren machte sich der Russe im Turnierschach allerdings rar. Hie und da ein Einsatz in Mannschaftswettbewerben, meist gepaart mit einem kurzen Remis – ansonsten konnten die Fans den virtuosen Karpow nur noch bei Simultans gegen Amateure und Schnellschach-Turnieren bewundern. Bei diesen fiel die mangelnde Eröffnungsvorbereitung des früher so bienenfleißigen Moskauers weniger ins Gewicht.

   In Serbien besitzt Karpow aber offenbar noch immer eine große Schar von Anhängern. Die Firma Gorenje scheute „keine Mühen“, um die Legende für das Turnier in Valjevo zum Comeback zu bewegen. Für das gewiss erkleckliche Honorar ließ sich der 56-Jährige erweichen. Mit Platz drei wäre ein Karpow zu Glanzzeiten niemals zufrieden gewesen. Wegen der langen Pause können sich die 5,5:3,5 Punkte aber durchaus sehen lassen. Diese bestätigen zumindest, dass der Altmeister weiterhin zu den Top 40 in der Welt zählt.

   Das Turnier gewann der Israeli Michael Roiz. Der 23-Jährige fügte Karpow in der siebten Runde die einzige Niederlage zu und lag so dank besserer Feinwertung vor dem Türken Suat Atalik (beide 6,5:2,5). Karpow zeigte sich tags darauf gut erholt und spielte gegen Mihajlo Stojanovic eine brillante Partie in einem für ihn untypischem Stil.

 










Karpow,Anatoli (2668) - Stojanovic,Mihajlo (2588) [C10]
Gorenje-Turnier Valjevo SRB (8), 20.06.2007

1.e4 Der Königsbauern-Zug zum Partiebeginn ist ein seltener Gast im Weiß-Repertoire des Ex-Weltmeisters. Zum ersten Mal überhaupt in diesem Jahrtausend spielte Karpow in einer Turnierpartie in Gorenje 1.e4! Ob er auf seine alten Tage aggressiv statt positionell wie eine Würgeschlange agieren will? 1...e6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 Stojanovic verlässt sich häufig im Französisch auf die Rubinstein-Abtauschvariante. 4.Sxe4 Ld7 5.Sf3 Lc6 6.Ld3 Sd7 7.0-0 [Andere Möglichkeiten sind das vom Weltranglistenersten Viswanathan Anand bevorzugte 7.c4 oder; 7.c3 ] 7...Sgf6 8.Sg3 Le7 9.Te1 [9.b3 0-0 10.Lb2 Lxf3 11.Dxf3 c6 12.c4 Te8 13.Tad1 Dc7 14.Tfe1 Tad8+/= bescherte in Navara-Rustemow (Bundesliga/Berlin 2007) ein leichtes Plus.] 9...0-0 10.De2 [Karpow hat durchaus Erfahrung mit der Stellung - allerdings mit Schwarz. Vor elf Jahren entwickelte sich in Monaco eine offene Schnellschach-Partie gegen Gata Kamsky nach 10.c3 Te8 11.Lf4 Ld5 12.c4 Lxf3 13.Dxf3 c6 14.Tad1 Sf8 15.Lc2 Db6 16.b3 Tad8 17.Le3 Da5 18.a4 Td7 19.h4 Ted8 ] 10...b6?! In der Variante gibt der Nachziehende für gewöhnlich den Läufer auf f3 gegen den Springer und steht nach folgendem 11.Dxf3 c6 solide. Stojanovic möchte jedoch seinen Läufer bewahren und nach Lb7 zurückziehen. 11.La6! Eine interessante Fortsetzung! Weiß torpediert den Plan konsequent. 11...Tb8 12.c4 Lb7 [12...La8 kommt als Alternative in Betracht, da der Läufer momentan mehr Kraft ausstrahlt auf der Diagonale als der auf a6 etwas im Abseits stehende Widerpart. Allerdings hat der Rückzug nach a8 auch einen gravierenden Nachteil: Schwarz kommt vorerst nicht zu c5, denn Lf4 wirft einen Blick auf den verloren stehenden b8-Turm.] 13.Lxb7 Txb7 14.Se5 Dc8 [14...Sxe5 15.dxe5 Sd7 16.Dg4 verspricht Weiß eine aussichtsreiche Angriffsstellung.] 15.Sc6 Hier steht der Springer sehr lästig und behindert die schwarzen Kräfte massiv. 15...Te8 16.Lg5 Lf8 [16...h6 17.Lxf6 Sxf6 18.Se4 Sd7 19.b4 Sb8 20.Sxe7+ Txe7 21.Tad1 verspricht dem Anziehenden großen Raumvorteil. Schwarz kann sich nur mühsam aus der Umklammerung lösen.] 17.Lxf6 Sxf6 18.Sh5 Sd7 [18...Sxh5 19.Dxh5 Dd7?! (19...g6 20.Df3 a5 21.d5+- und wegen des eingekesselten Turms auf b7 steht Schwarz bescheiden.) 20.Df3+- Dank der Drohung 21.Se7+ nebst 22.Dxb7 muss die schwarze Dame reumütig nach c8 zurückkehren.] 19.Dg4 Kh8 20.Te3 Sb8 21.Tg3!! Der Auftakt zu einer sehenswerten Opferorgie. 21...f5? [21...e5 ist noch am zähesten. 22.Dxc8 Txc8 23.Sxe5+- c6 24.Te1 Td8 25.Td3 mit solidem Mehrbauern.; 21...g6? 22.Sf6 Sxc6 23.Th3 h5 24.Txh5+ gxh5 25.Dg8# ; 21...Sxc6? 22.Sxg7 e5 23.Sxe8 Dxg4 24.Txg4 mit Qualitätsgewinn.] 22.Dh4 Sxc6 23.Sf6! Die Pointe des weißen Angriffs! 23...h6 [23...gxf6 24.Dxf6+ Lg7 25.Dxg7# ] 24.Dxh6+! gxh6 25.Tg8# Eine prächtige Schlussstellung! 1-0


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